wir leben doch in einem freien land? in dieser unserer schönen westlichen welt, deren grundwerte uns ein freies leben garantiert? um es gleich vorwegzunehmen:
jedes herrschaftsystem garantiert seinen "kundinnen" ein gewisses mass an freiheit: die muslima hat sie, der chinesische bauer und der deutsche dorftrottel. die freiheiten unterscheiden sich quantitativ, jedoch nicht qualitativ. wie weit es mit "unserer" freiheit her ist?
es gibt da ein beispiel, um die relativität von freiheit zu verdeutlichen: vor einigen jahren begegnete ich in einer ostberliner bar einem ehemaligen bürger der ddr. er erkannt in mir sofort den "wessi", wohingegen mir die ordnungseinheit "ossi" nicht geläufig war, um ihn zu kategorisieren. dies fiel mir schon immer schwer.
offensichtlich angetrunken erläuterte er mir, wie glücklich mein leben doch schon immer war: mit den silberlöffeln des westens aufgewachsen, ausgestattet mit dem unumstösslichen recht auf reisefreiheit hätte ich die möglichkeit gehabt, die welt kennenzulernen und mich an ihr zu bereichern. er selbst lebte jedoch im "knast ddr".
"lieber landsmann" entgegnete ich, "die freiheit, von der du sprichst, war eine rein monetäre. der westen, so ungern ich es auch sage, ist und war geknechtet von einem kapitalistischen system, das neben etwas reichtum auch viel armut erzeugte. als meines vaters firma pleite ging, hatte meine familie kein geld, um das ausland zu bereisen. ich selbst war gewandet in selbst- und umgenähtes, was mein teenagerdasein nicht eben bereicherte."
der "landsmann" liess das nicht gelten. schliesslich gab es staatliche verfolgung und repression in der ddr, und man hatte keine wirkliche demokratische wahlmöglichkeit, geschweige denn sonst eine wahl gehabt, auch in beruflicher hinsicht nicht (von schäuble, schily, guantànamo, hartzIV etc. war damals noch nicht die rede, sonst hätte ich aber mal losgelegt!).
was mir damals nicht ganz klar war, aber heute umso deutlicher vor augen steht: freiheit heisst, die wahl zu haben! doch die freiheit des westens ist die freiheit der besitzenden klasse (jawohl: "klasse" und nicht "schicht"!), all das zu tun, was monetär machbar ist. die freiheit nimmt proportional zum einkommen des individuums ab.
spitzen wir das mal zu: während der eine noch überlegt, in welchem land er seinen alterssitz bauen lässt, entscheidet der andere, ob er sozialleistungen beziehen möchte oder nicht. will heissen: er verzichtet entweder auf seinen freien willen und ordnet sich unter, oder er verzichtet auf seinen lebensunterhalt! wer hat nun die tatsächliche wahl?
der kapitalistische staat evoziert nun mal verschiedene klassen (des friedens willen von mir aus auch "schichten" oder "parallele gesellschaften"). es handelt sich um ein ganz einfaches prinzip: wo einer für sich den grossen teil des kuchens beansprucht, bleiben für die anderen nur die reste, um die man sich prügeln muss: es gibt nur den einen kuchen!
wer hat das gefühl, tatsächlich eine wahl zu haben? wer entscheidet sich z.b. dazu, heute mal nicht zur arbeit zu gehen, weil er einfach keine lust dazu hat? oder weil er tatsächlich krank ist? wer kann sich dem system ganz entziehen, wenn er nicht mit ihm einverstanden ist?
nur die gelebte anarchie macht es den menschen möglich, in freiheit zu leben: sich selbst zu achten und auf andere zu achten, dies aber herrschaftsfrei? so kann freiheit mehr sein als nur eine monetäre. doch dazu muss der mensch zur freiheit erst "erzogen" werden (in sich ist das ein widerspruch).
die demokratie könnte ein guter lehrmeister sein, denn die bevölkerung eines staates ist ihr souverän. doch wer hat hierzulande das gefühl, er sei tatsächlich der souverän? dies würde ja voraussetzen, er hätte eine wahl!
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