Sonntag, 31. Oktober 2010

Erfahrungen im Erwerbsleben! Langhaarige Faulenzer und Götter in Reinkultur!

Die Götter des Olymp waren unberechenbar, obwohl sie jeweils eine speziell für sie geschaffene Unart besaßen, die sie den Menschen wenigstens irgendwie ähnlich machte. Zeus war ein verdammter Hurensohn, dessen Nachkommenschaft vom gesamten Spektrum nach Art christlicher Erbsünderei geprägt war: freilich nur eine Marotte für jeden, dafür war diese aber gewaltig. Die Menschen verehrten und fürchteten sie, und je nach persönlicher Krisenlage huldigten sie mal dem Einen und mal der Anderen.

Nun, deutsche Politiker sind vor Allem völlig berechenbar und zweiterdings dem Normalsterblichen gleichsam unähnlich, dass sie eigentlich einer untergeordneten Gattung zugehören. Und das ist wohl das Vehikel, das sie eher gottungleich macht, was uns ja eigentlich aufatmen lassen sollte. Obwohl sie ihrerseits eine Parallelgesellschaft bilden, darin jedoch vollkommen snobistisch und ungerührt einer Tätigkeit nachgehen, die vor allem das sogenannte Wohl der Bevölkerung organisieren soll, aber mit der Realität derer kaum noch etwas zu tun hat.

Die Berechenbarkeit geht dahin, dass die getroffenen und in Gesetze gegossenen Entscheidungen stets von einer solchen Alternativlosigkeit geprägt sind, dass es schon vorher klar sein muss, wer von ihnen profitiert und wer nicht. Entscheidungen zugunsten sogenannter Leistungsträger treffen Kürzungen zuungunsten der sogenannten Schlurfis und Schlaffis dieser Gesellschaft, die sie am liebsten ins "Lager" stecken möchten, damit sie erfahren "dürfen", was Arbeit überhaupt ist.

Dabei vergisst man gerne, dass die meisten Politiker, die sich die Vollbeschäftigung zum Ziel gesetzt haben und jeden strafen und belehren möchten, der sich ihr verweigert (sei es aus Krank-, Faul- oder Belesenheit), selbst über keinerlei Erfahrung im Erwerbsleben verfügen. Klar, studiert haben sie, auf Papis Kosten, der aber bald bemerkt haben dürfte, dass es nicht ratsam ist, dem Sohnemann oder der Tochterfrau die eigene Kanzlei, Praxis oder das Familienunternehmen zu übergeben. Also ab in die Politik mit ihnen.

Es sind fast ausnahmslos Politkarrieristen, die den Menschen das Leben schwer zu machen drohen. Diese Sorte Politiker neueren Schlags haben noch nicht einmal mehr irgendwelche Marotten. Dazu braucht es ja einen frei gebildeten Charakter und auch etwas Lebenserfahrung. Es sind jedoch stinklangweilige Possenreißer, deren geringste Charaktereigenschaft sich eigentlich ins Gesicht einschreiben müsste, wenn sie denn eine hätten. Ein Gesicht vorausgesetzt.

Die Bevölkerung soll also diese mumifizierten Leichname in eine Regierung hieven, damit sie das verwalten, von dem sie keine Ahnung haben? Damit sich die Verwalteten ihrerseits eine Kaste leisten, die selber gar keine Leistung vollbringt? Wozu soll das gut sein? Das ist doch Götzenkult in Reinkultur! Wer gewählt sein will, muss auch was leisten, statt sich hinzustellen und über die geringe Wahlbeteiligung und den latenten Demokratieverdruss zu jammern. Vertrauen schaffen statt die Gesellschaft zu spalten - das könnte ein Weg sein.

Mein mittlerweile vertorbener Nazi-Onkel hatte eine Meinung dazu: Die sollen arbeiten gehen, das faule Pack! Obwohl dieser Satz in grammatikalischer Hinsicht hinkt und er eigentlich die "langhaarigen Faulenzer" meinte und mit Arbeit eher Zwangsarbeit im KZ... Ich hätte niemals gedacht, dass gerade ICH Arbeit einmal als einen Wert an sich verstehen würde. Aber wenn es der Wahrheitsfindung dient...

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Die schönste Tabelle der Welt! Danke, danke, danke FvdL!

Zu aller Überraschung ergab die Neuberechnung des ALG II- Regelsatzes gar nicht, dass den Langzeitarbeitslosen und ihren Kindern zu wenig bezahlt wird, sondern ganz im Gegenteil, sogar zu viel. Und nur dem Großmut einer Frau von der Leyen ist es zu verdanken, dass die Sätze nicht sofort gesenkt, sondern sogar um 5 Euro erhöht werden sollen - insofern es im Bundesrat eine Mehrheit dafür gibt. Danke, danke, danke, Frau von der Leyen.

Da Arbeitslose ständig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssen, sollen sie auch schön gesund sein und auf keinen Fall Alkohol und Zigaretten im Wert von 14 Euro pro Monat erwerben und - schlimmer noch - für ihre Süchte missbrauchen. Diese Pauschale wurde gekürzt: Noch nicht einmal eine Flasche Sekt zum Geburtstag oder zu Silvester ist mehr drin - es könnte ja sein, dass just an diesem Glückstag ein Gespräch beim PAP ansteht oder man sich spontan für einen Job vorstellen soll. Zum Ausgleich steht dem Erwerbslosen eine Pauschale von 2,99 Euro im Monat zu: für Mineralwasser.

Wie ein Sixpack zu je 9 Litern für einen ganzen Monat reichen soll, wird allerdings nicht erklärt. Genauso, wie darüber gerätselt werden darf, wie man sich für 1,39 Euro bilden soll - wohlgemerkt: im Monat! Das reicht noch nicht einmal für eine Tageszeitung. Kein Wunder, dass das Lumpenproletariat auf Erzeugnisse der Springer-Hass-Presse zurück greift. Fortbildung zahlt doch der Staat? Wir reden aber gar nicht von Fortbildung: Es geht um Bildung, ganz allgemein! Das gab es früher mal, Sie kennen es bestimmt, das Wort: BILDUNG! Doch vergessen? Macht nix! Wer nix weiß, den macht auch nichts heiß. Wir brauchen hier Arbeitnehmer und keine Intellektuellen! Hinterher wird dann wohl auch noch nachgedacht über alles und so oder wie?

Und wenn der Geist schon hungert: 128 Euro für Lebensmittel sollen es schon sein - alles für den dicken Bauch: Dafür kann man ganz schön bio und gesund leben! Das Geld reicht dann zwar nur für einen halben Monat, aber Hauptsache gesund! Oder aber man verzichtet völlig auf Fleisch und Käse. Es gibt noch eine Möglichkeit: Täglich guten Biokäse kaufen (200 bis 300gr) und ein Stück Brot. Da kommt man mit vielleicht 4 Euro über den ganzen Tag.

Man kann jedoch alle Knappheiten mit anderen Posten verrechnen. Was soll man denn mit 15 Euro für die Gesundheit anfangen? Das geht besser: ins Bett legen, die Decke über den Kopf ziehen, tüchtig ausfiebern - das spart die Quartalsgebühr und Kosten für Medikamente. Wenn man dann ein Jahr lang spart, kann man sich vielleicht eine Waffe auf dem Schwarzmarkt kaufen und ein paar Patronen. Sich selbst in den Kopf schießen und die Gesellschaft, den Arbeitsmarkt und den PAP (persönlicher Ansprechpartner vom Jobcenter) entlasten, das wäre anständig! Wie anständig sind Sie?

Ja, den Arbeitslosen soll es nicht besser gehen als den Arbeitnehmern. Letztere missgönnen Ersteren lieber ihre Grundsicherung, als für sich selbst höhere Löhne zu erstreiten. Aber was rede ich da? Deutsche Arbeitnehmer sind viel zu blöd zum Ziehen der richtigen Schlüsse. In Frankreich brennen schon wieder Autos, weil die Franzosen nicht bis 62 arbeiten wollen. Hier in der Bunzreplik (H. Kohl) ist sowas nicht denkbar. Lieber schützt man die Bäume im erzlangweiligen Stuttgarter Park, als dass man gegen die Wohltätigkeiten unserer Politiker auf die Straße geht.

Der Zorn über die soziale Ungerechtigkeit, der wird im Straßenverkehr ausgelebt. Immer schön nach unten treten, und vielleicht auch zur Seite. Aber niemals nicht nach oben hauen, bitteschön! Das stört die Ordnung der Dinge. Ordnung ist das halbe Leben. Die andere Hälfte ist die Demütigung anderer sowie die eigene. Jedenfalls weiß man: Man beißt nicht die Hand, die einen füttert, so steht es geschrieben. Kann wirklich niemnd sehen, dass diese Hand schon lange niemanden mehr füttert? Hmmm? Ergo: Schnapp, Hasso, fass'!

Und nun: Die schönste Tabelle der Welt! Darin steht, was mensch so braucht, um über die Runden zu kommen. Vielleicht sollten sich zukünftig alle Arbeitgeber daran orientieren, wenn die Gehaltsfrage mal wieder auftaucht. Also wirklich, mehr Geld braucht doch nun wirklich niemand, oder?

Regelsatz für Erwachsene
Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke128,46 Euro
Bekleidung, Schuhe30,40 Euro
Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung
(ohne Miet- und Heizkosten, die separat erstattet werden)
30,24 Euro
Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände27,41 Euro
Gesundheitspflege15,55 Euro
Verkehr22,78 Euro
Nachrichtenübermittlung31,96 Euro
Freizeit, Unterhaltung, Kultur39,96 Euro
Bildung1,39 Euro
Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen7,16 Euro
andere Waren und Dienstleistungen26,50 Euro
 
Regelsätze für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres (in Klammern: Kinder zwischen 7 und 14 Jahren/zwischen 15 und 18 Jahren):
Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke78,67 Euro
(96,55/124,02 Euro)
Bekleidung und Schuhe31,18 Euro
(33,32/37,21 Euro)
Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung7,04 Euro
(11,07/15,34 Euro)
Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände13,64 Euro
(11,77/14,72 Euro)
Gesundheitspflege6,09 Euro
(4,95/6,56 Euro)
Verkehr11,79 Euro
(14,00/12,62 Euro)
Nachrichtenübermittlung15,75 Euro
(15,35/15,79 Euro)
Freizeit, Unterhaltung, Kultur35,93 Euro
(41,33/31,41Euro)
Bildung0,98 Euro
(1,16/0,29 Euro)
Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen1,44 Euro
(3,51/4,78 Euro)
andere Waren und Dienstleistungen9,18 Euro
(7,31/10,88 Euro)
Quelle: tagesschau.de

Lustiges aus dem Hundeleben! Neues aus der Rubrik: Der Film, der ist!

Na, da wird sich die Zielgruppe des Pflegemittelherstellers Weleda aber freuen: Demnächst werden Horden von 35-50jährigen Frauen der leicht gehobenen Einkommensgruppen ins Kino stürmen, um den tollen Viggo Mortensen und die Durchschnittstrulla Charlize Theron im Kino dabei zu beobachten, wie sie in der Rückblende einmal gelebt haben und wie Viggo später mit seinem Sohn gemeinsam durch eine "schwierige Situation" geht und beide ihren "Lebensmut bewahren" (Weleda-Magazin Nr. 3/2010 S. 24).

Dieser Film, immer wieder durch traumhafte Sequenzen führend und kaum ein Klischee vermeidend, beschwört eine bessere Welt. Ja! "The Road" ist tatsächlich ein Drama. Der geneigte Leser würde aufgrund dieser Beschreibung und ohne Kenntnis der Literaturvorlage wohl eine todtraurige Geschichte von einem arbeitslosen Vater vermuten, der obdachlos mit seinem Sohn durch Amerika pilgert und den Tod seiner Frau verwinden muss.

Stimmt ja auch fast alles, bis auf die Sache mit der Arbeitslosigkeit: Vielmehr ist die "schwierige Situation" aber ein Endzeitszenario, in dem es keine Pflanzen und auch keine Tiere mehr gibt, die Menschen von Konserven, und da diese mittlerweile auch aufgebraucht sind, praktischerweise von Kannibalismus leben. Zu den wunderbarsten (vorwiegend farbgefilterten) Bildern des Filmes gehören ohne weiteres ausgemergelte, schmutzige, verdorbene Gestalten, die kaum mehr menschliche Züge tragen und viele viele verstümmelte (angenagte) Opfer und einige Selbsverarztungsszenen. Abiturfrage: Wie kann man trotz allem zu den "Guten" gehören und wie behält man nicht nur seinen Lebensmut, sondern vor allem: seine Menschlichkeit?

Man kann sich ausmalen, wie die derart getäuschten, mittelalten Damen nach 20 Minuten mit vor den Mund gehaltener Hand aus dem Kinosaal stürmen. Als Entschädigung bekommen sie dann jedoch eine Probe "Granatapfel Serum" von Weleda. Granatäpfel haben übrigens exakt die Farbe, die in diesem Film ausschließlich als Blut in Erscheinung tritt. Weleda sollte lieber Brechtüten verteilen. Manchmal fragt man sich tatsächlich, ob sich die Promotionabteilungen der Firmen eigentlich vorher ansehen, mit wem oder was sie ihre Werbung treiben. Hoffentlich aber tun sie es nicht, sonst wär das Leben um Einiges weniger lustig.

Ach so, wie ist nun der Film? Lest das Buch von Cormick McCarthy! Dann kennt man auch den Film!  Der fügt der Literaturvorlage nichts hinzu, nimmt ihr aber auch nichts. Faszinierend allerdings: die üppige Blumenwelt zum Anfang der Verfilmung im Kontrast zur Gegenwelt. Die am Drehort vorhandene (Rest)Vegetation ist übrigens nur mühsam kaschiert. Und dann im Abspann, aus dem Off, eine sich offensichtlich im heimischen Garten aufhaltende Familie inklusive Rasenbewässerung. Vorher gibt es dann doch noch einen Hund zu sehen (wo ja angeblich alle Tiere tot sind, naja). Wie erkennt man eigentlich, ob jemand zu den "Guten" gehört? Im Zweifelsgrund Thilo Sarrazin fragen, der weiß das bestimmt!

Sonntag, 17. Oktober 2010

Neue Kurzgeschichte! Auf embedded Textsprengsel!

Blockaden

Es hatte mit einer Schreibblockade zu tun. Seit Monaten nun brachte ich nichts mehr zu Papier. Nicht, dass ich keine Ideen mehr gehabt hätte. Davon gab es genug. Sie schienen mir sogar relevant zu sein. Doch irgend etwas hinderte mich daran, sie aufzuschreiben. Ich weiß nicht, was es war. Es hatte mit einer Schreibblockade zu tun. Seit Monaten nun brachte ich nichts mehr zu Papier. Nicht, dass ich keine Ideen mehr gehabt hätte. Davon gab es viele. Einige schienen sogar relevant zu sein. Doch irgend etwas hinderte mich daran, sie aufzuschreiben. Es hat wohl mit einer Schreibblockade zu tun. Seit Monaten bringst Du nun nichts mehr zu Papier, sagte mein wohlmeinender Freund zu mir. Es ist nicht so, dass ich keine Ideen mehr habe, entgegnete ich. Davon habe ich viele. Darunter sogar einige relevante. Doch irgend etwas hindert Dich daran, sie aufzuschreiben. weiter...

Freitag, 15. Oktober 2010

Ich erschieße keine fremde Menschen! Aber wenn die Dummheit siegt?

In der Arztpraxis. Ein Pärchen um die 30 betritt den Warteraum und setzt sich. Sie kramt in ihrer Tasche.
Frau: Willst Du die Zeitung?
Mann: Ja, gib her...
Die Frau holt die Zeitung heraus – Berliner Kurier – und teilt sie in der Mitte auf. Dem Mann gibt den Nachrichtenteil, sie selbst behält den Rätselteil. Sofort setzt sie sich an ein Kreuzworträtsel und füllt es aus, während der Mann in der Zeitung blättert und an einem Artikel hängen bleibt.
Mann: Hier steht, dass ein Arbeitsloser 1200 Euro verdienen darf. Also ich verstehe das nicht...
Frau: Was? 1200 Euro? Soviel verdiene ja ich nichtmal. Das ist ja unverschämt, dass die soviel verdienen dürfen.
Mann: Da fragt man sich, wozu man überhaupt noch arbeiten geht...
Frau: Ich versteh' das nicht. Sollen die doch arbeiten gehen...

Und spätestens ab diesem Moment, zuvor hatte ich noch interessiert zugehört (bei Leuten, die den Berliner Kurier, die BZ oder die Bildzeitung „Zeitung“ nennen, höre ich immer genau zu), möchte ich den beiden am liebsten ihre sogenannte Zeitung aus der Hand reißen und sie ihnen um die Ohren hauen. „Na, wer 1200 Euro verdient, der arbeitet doch“ würde ich ihnen am gerne zurufen. „Oder was glaubt ihr, dass da jemand kommt und sagt Ja ihr lieben Arbeitslosen, ihr tut mir so leid und deswegen zahle ich Euch einfach mal, sagen wir 1200 Euro und gut ist?" Ich halte jedoch den Mund und bin schockiert für den Rest des Tages.

In dem Artikel, den der Mann gelesen und offenbar falsch wiedergegeben hat, stand höchst wahrscheinlich etwas zum Thema „Zuverdienst“ für Langzeitarbeitslose. Nach den Plänen der FDP soll sich der Selbstbehalt für Leute, die wenig hinzuverdienen, verringern und sie so animieren, mehr zu verdienen, denn schon ab 400 Euro ist der Selbstbehalt größer. Folglich könnten Arbeitslose bis zu 1200 Euro brutto verdienen, bevor das Arbeitslosengeld voll angerechnet wird bzw. die Leistungen komplett entfallen. Na, so ähnlich - zumindest aus dem Gedächtnis rezitiert. Wahrscheinlich noch nicht einmal der Berliner Kurier wird behauptet haben, dass Hartz IV- Empfänger zusätzlich zu ihrem Bedarf noch 1200 Euro verdienen dürfen.

Also frage ich mich, wie viele Leute nicht einmal in der Lage sind, die recht einfach geschriebenen Artikel der Boulevardpresse zu lesen UND zu verstehen. Hier obläge der Presse die Aufgabe, alles noch einmal ganz genau zu erklären, damit das gering einzuschätzende Text-Lesevermögen der proletarischen Eliten nicht überfordert wird. Da wird doch das gesamte Bildungsdefizit in der Gesellschaft deutlich. Die Leute sind zu Bild um blöd zu lesen (sic!). Aber was soll man auch von einer Presselandschaft halten, in der Zeitungen die Mitteilungen von Bund, Lobbys und Agenturen unkommentiert und nicht mal recherchiert übernehmen? Gibt es das überhaupt noch: Zeitungen? Naja, wollen wir mal nicht unfair sein: Es gibt die Zeit, die Süddeutsche und die Jungle World. Und die haben ja auch ein paar Leser.

Die Lesenation Deutschland. Das ich nicht lache. Es geht doch wohl nicht darum, wieviel eine Bevölkerung liest, sondern darum, was. Mit Blick auf die Auflagenstärke der Zeitungen und die Bestsellerlisten bekommt das doch einen ganz anderen Geschmack: Da reiht sich Boulevard an Schmähliteratur auf Stammtischniveau und poesiefreie Trivialitäten an diverse Ratgeberbücher. Da wollen die Leserinnen und Leser doch lieber leicht Verdauliches in feinen Häppchen zugeführt bekommen. Sich einen Text erarbeiten? Poesie? Um die Ecke denken? Niente, nada! Wozu denn? Alles viel zu anstrengend.

Und so ist es zum Beispiel auch zu erklären, dass großartige Fernsehserien im Quotentief einfach verpuffen. Die Programmchefs reden mittlerweile davon, dass sie ihr Publikum nicht überfordern wollen und dementsprechend wird produziert: Belanglose Soaps, als Werbesendungen getarnte Wissenschaftsmagazine (Galileo und Konsorten) und Real-Life-Formate (Tattoos, Kinder, plastische Chirurgie u.d.m.) sind die Folge. Das Leben ist ja schon hart und anstrengend genug. Da wollen's wir in unserer Freizeit doch kunterbunt und weich haben, nicht wahr? Es ist allerdings kaum anzunehmen, dass solche kritiklosen, ausschließlich konsumierenden Flachzangen eine Bereicherung für die Arbeitswelt sind (egal wie diese organisiert ist).

Ich spreche hier von denselben Flachzangen, die niemals in ihrem Leben ein Theater von innen gesehen haben und dennoch wissen, dass sie darin das Grauen schlechthin erwartet. Von Menschen, die jeden andersartigen Gedanken mit dem Hinweis: Es ist so, es war schon immer so und es wird auch immer so bleiben, ablehnen (und offensichtlich im Geschichtunterricht gepennt haben), die dementsprechend keinerlei phantastische Energie haben, um eine Utopie zu entwickeln. Ein Pack, dessen größter anzunehmender Traum sich zwischen dem Erwerb eines Neuwagens, einem Plasmafernseher und einem Ferienhäuschen (in einem warmen Land am Meer) bewegt. Idioten, die wirklich glauben, dass eine Gehaltserhöhung mitten im Aufschwung nicht möglich ist (wann denn sonst, Ihr Deppen? In der Rezession?), die wissen, das Streiks der Wirtschaft nur schaden (das ist ja wohl auch der Zweck der Übung) und ein branchenübergreifender Mindestlohn oder gar ein bedingungsloses Grundeinkommen NICHT möglich ist. Dieses Lumpenproletariat misstraut zwar den Arbeitgebern allgemein und der Regierung insbesondere zutiefst, kauft ihnen aber jede ihrer unhaltbaren Behauptungen ab. Noch dazu lässt es sich gegen sozial Schwächere aufhetzen, ohne auch nur einmal zu hinterfragen, wem die Hetze nutzt um wem sie schadet. So eine Bevölkerung wünscht sich doch jedes totalitäre Regime, und für eine demokratisch gewählte Regierung ist das natürlich sowas wie Erdbeerkuchen mit Sahnehäubchen obendrauf.

Wer wagt es also, über den eigenen Tellerrand zu schauen? Mal die eigene Kontextbrille abzusetzen und sein Leben in ein Verhältnis zu anderen zu setzen?
  • Wer macht sich schon Gedanken um Hartz IV Empfänger (um den Bogen wieder zu schließen), die keinen (Vollzeit-) Job bekommen und froh sind um jede Kröte, die sie dazu verdienen können?
  • Wer hat Verständnis für Selbständige, die mal auftragslos durch Monate dümpeln und sich aufstocken lassen, aber dann und wann auch mal einen Treffer landen und vielleicht sogar 1200 Euro verdienen? Arbeiten die deshalb nicht? Haben die kein Recht auf einen halbwegs anständigen Lebensunterhalt?
  • Und wer geht schon davon aus, dass er anderen Menschen den Arbeitsplatz wegnimmt? Und zwar allein aufgrund der Tatsache, dass er eine Stelle wegen eines 30-Minuten-Gesprächs bekommen hat, auf die viele andere sich ebenfalls beworben haben? Und die vielleicht zufällig die falsche Qualifikation, Herkunft, das falsche Geschlecht oder sogar Kinder haben? Die eventuell sogar nicht in der Lage sind, ihre jämmerlichen Skills als hervorragende Leistungen darzustellen und so zu verkaufen wie man selber es tat?
  • Wer vermutet auch nur, dass jene, die für einen kleinen Stundenlohn arbeiten, die Lohnspirale nach unten drehen und andere dadurch unter Druck setzen, für noch weniger Geld zu arbeiten.
  • Oder wer denkt daran, dass jener, der schwarz arbeitet, auch jemanden braucht, der ihn schwarz arbeiten lässt? Und dass deshalb zur Debatte stehen muss, wer da eigentlich „asozial“ ist: Der, der Geld benötigt oder der, der ihn schwarz beschäftigt und so Sozialversicherungsbeiträge spart?
  • Und wer würde in der Sache zustimmen, dass, wie zu Urzeiten, immer noch Dummheit und Gier die Oberhand behalten, während die Vernunft nur der Bremsklotz ist, der die Welt vor dem endgültigen Untergang bewahrt? Würden uns wenigstens mittelgroße Leuchten regieren und einigermaßen intelligente Menschen die Firmen und Konzerne leiten, dann wäre unsere Welt wohl eine bessere. Und etwas Widerstand bitte... hat noch nie geschadet!
  • Und zuletzt: Wer überhaupt stellt denn wenigstens einmal in seinem Leben seine Grundüberzeugungen auf den Prüfstand? Anstatt dauerhaft Dämlichkeiten und Banalitäten von sich zu geben wie verdorbenes Essen? Ich? Kommt schon vor! 
Und macht mich das besser? Ich weiß es nicht! Aber nachdenken hat jedenfalls noch nie geschadet. Träumen auch nicht. Ohne Träume gibt es keine Zukunft. Darüber zu schreiben scheint mir wichtig. Weil mich an manchen Tagen diese unsägliche Borniertheit der Masse wütend macht. So wütend, dass ich am liebsten amok laufen möchte. Ich schieße aber eben nicht auf fremde Menschen, weil mir an besseren Tagen die Tatsache genügt, dass es auch andere Menschen gibt. Wenn auch nicht so viele. Aber es ist ein Anfang. Immerhin!

Sonntag, 10. Oktober 2010

Auf dem Boden der Tatsachen: Ernüchterndes aus der Welt der Kinder!

Wir leben in einer kinderfeindlichen Gesellschaft! Jährlich ist diese Behauptung ein paar Schlagzeilen wert, und viele Eltern würden ihr zustimmen: Denn dauernd beschweren sich ein paar grantige Rentner und Ärzteehepaare wegen dem Lärm, den Kinder nun mal zu emittieren in der Lage sind. Außerdem wären Kinder immer noch Karrierebremsen. Doch bleiben wir mal auf dem Boden der Tatsachen:

Das Kinder und Job nicht wirklich zusammengehen, ist allein kein Zeichen für eine kinderfeindliche Gesellschaft, sondern eine Frage der gesellschaftlichen Organisation von Arbeit. Wer im Kapitalismus Kinder in die Welt setzt, muss das wissen. Denn Naivität ist dort nicht gefragt: Kinder bringen nur dort einen Nutzen, wo man sie gewinnbringend einsetzen kann - zum Beispiel durch Veräußerung. Fragen Sie dazu Madonna oder Angela Jolie, die statt Prada in den reichen Metropolen nun in armen Ländern Kinder shoppen gehen.

Überall dürfen Kinder ungestört Lärm machen und sich austoben. Sie lärmen ungehindert in Cafés, in Arztpraxen, in Wohnungen, auf Spielplätzen und auch sonst überall, und wirklich niemand fordert von ihnen Einhalt. Dabei sitzen deren Eltern bräsig neben dran und finden es unglaublich kinderfeindlich, wenn man zum Beispiel in einem Café, das man besucht um einmal in Ruhe einen Kaffee zu trinken, ein Kind dazu auffordert, sich etwas zu mäßigen. Ich finde es schon unglaublich, dass man da überhaupt etwas sagen muss. Ruhe sollte selbstverständlich sein.

Eltern haften für ihre Kinder! Letzten Endes haben die sich, aus welchen Gründen auch immer, für Kinder entschieden. Dann dürfen sie nicht erwarten, dass sich alles nach ihnen und ihrer Brut richtet. Als Kind habe ich gelernt, dass man an bestimmten Orten leise sprechen muss, behände zu laufen (also nicht zu trampeln), und dass ich nicht alles haben kann, was ich möchte. Oft war ich beleidigt oder ich habe geweint, wenn ich glaubte, meine Interessen seien nicht ausreichend beachtet worden. Ich habe es überlebt und bin nun ein ganz passabler Zeitgenosse mit einem gesunden Gefühl für Ruhepausen und Muse.

Ich sehe es allerdings nicht ein, dass ich zu hause bleiben muss, bloß weil Familien den öffentlichen Raum okkupieren und Terrorregime nebst Terrorregime errichten. Wir leben nicht in einer kinderfeindlichen, sondern in einer erwachsenenfeindlichen Welt! So sieht es nämlich aus! Erwachsene, ob mit oder ohne Kinder, müssen sich endlich von der Kinderherrschaft emanzipieren und lernen, ihre persönlichen Bedürfnisse zu schätzen. Eltern müssen damit aufhören, sich nur noch über ihre Kinder zu definieren und ihnen alles an den Arsch zu tragen, wenn sie auch nur glucksen. Wenn sie einmal "kinderfrei" haben, sollen sie auch nicht über ihre Kinder sprechen, sondern über etwas ähnlich Wichtiges. Und sie sollten sich darüber Gedanken machen, warum sie die überhaupt haben wollten. Hier ein paar ernüchternde Erklärungen dazu:

1. Kinder als Accessoire: Für viel mehr können Kinder gar nicht mehr herhalten. Seit Frauen und Männer erfolgreich verhüten können, gibt es eigentlich gar keinen altruistischen Grund mehr, Kinder zu bekommen. Ich habe noch nie einen wirklich plausiblen Grund genannt bekommen, warum es notwendig sein sollte, ein Kind in die Welt zu setzen. Aber irgendwie scheint es dazu zu gehören, so wie ein eigenes Haus, ein Auto, einen guten Job, tolle Visitenkarten, Mitgliedschaft im Tennisverein und dergleichen mehr.

2. Ich leiste damit einen Beitrag zur Sicherung der Renten und sorge durch Kindererzeugung dafür, dass die Art erhalten bleibt: Derart rassistisches Gedankengut ist weit verbreitet. Und den dahinter steckenden Altruismus nimmt einem sowieso keiner ab, der bei klarem Verstand ist. Davon abgesehen: Wie sollen die zukünftigen Arbeitslosen unsere Renten sichern? Hier steht allenfalls der egozentrische Trieb dahinter, sich in irgendeiner Form, zur Not auch auf Kosten des Nachwuchses, selbst zu vergewissern und so einen Distinktionsgewinn zu erzielen. Und sich als Märtyrer für die Gesellschaft aufzuspielen. Das ist ja so perfide!

3. Kinder geben so viel und machen die Welt zu einem besseren Ort: Kinder würden, wenn sie könnten, ihre Eltern ohne schlechtes Gewissen (das ist noch nicht voll entwickelt) aufessen. Wer glaubt, dass Kinder die besseren Menschen sind, der kommt durch Beobachtung einer Kindergruppe zu völlig falschen Ergebnissen: Kinder sind absolute Faschisten, nein - viel schlimmer - sie sind in ihrer Unbarmherzigkeit vollkommen willkürlich und daher unberechenbar. Hitler, Mussolini, Salazar, Franco, Baby Doc, Pinochet, Walter Mixa etc.: Sie alle würden blass erscheinen in einer von Kindern regierten Welt! W. Goldings "Herr der Fliegen" war eben kein Roman der Fiktion!

4. Es gehört zu meiner Bestimmung als Frau, Kinder in die Welt zu setzen! Die biologische Uhr tickt: Diese Uhr ist aber gar nicht biologisch. Sie ist eine gesellschaftliche Uhr. Der Druck der Gesellschaft auf junge Frauen ist enorm. Staat, deren Eltern, Religionsgemeinschaften - sie alle sehen in der Frau nur eine Gebärmaschine. Andersrum: Wenn alle Frauen wirklich Kinder haben wollten, warum gibt es dann eine Vielzahl von Verhütungsmitteln? Außerdem: Befragen sie doch mal Frauen aus ärmeren Verhältnissen, gerne auch in anderen Ländern, zu diesem Thema. Kinder zu bekommen ist hierzulande wohl eher die Flucht vor der beruflichen hinein in die private Verantwortung. Oder so: Wer beruflich scheitert, wird schwanger! Warum aber nicht einfach scheitern und hinterher ohne Kind das Leben genießen?

5. Die Pille / der Coitus Interruptus/ die Spirale / das Kondom hat versagt. Ich wollte eigentlich kein Kind. Nun ist es da! Hilfe! Die einzig wahre Art, ein Kind zu bekommen: zufällig, by accident. Nur so kann sich eine vernünftige Grundhaltung zum Kind entwickeln! Kein Podest wird aufgebaut, auf das es gestellt werden könnte. Die Eltern projizieren nicht ihre eigenen Sehnsüchte und Wünsche in ein Kind hinein und lassen es sein, was es ist: Ein neuer Mensch, der ordentliches Strippenziehen benötigt, um später nicht allzusehr asozial zu werden. Und schließlich wird dafür gesorgt, dass man selber auch noch eine bisschen Freude im Leben hat. Kinder sind doch ach so normal! Warum sollte dann mit ihnen kein normales Leben mehr möglich sein?

Leider vergessen viele Eltern, ihre Kinder zu erziehen. Sie fördern sie lieber. Ist auch leichter so: Förderung geht ja nur von den Stärken aus, da ist Kritik an den Schwächen nicht gefragt. Das Kind könnte ja sonst weinen. Wenn also ein Kind ein beknacktes Arschloch ist, aber irgendwie musikalisch begabt, dann fördert man die Begabung und hat am Ende ein musikalisch minderbegabtes, erwachsenes Arschloch im Elternhaus sitzen, dessen einzige Form der gesellschaftlichen Auflehnung darin besteht, sich möglichst lange dem Schweinesystem zu verweigern, indem es den Eltern auf der Tasche liegt (deren Einkommen freilich aus demselben System entspringt).

Hätte man doch lieber an dem Arschlochsyndrom gearbeitet! Nun ja, jede Gesellschaft hat die Kinder, die sie produziert. Nun sind es eben Kinder, die alles besser wissen als die Erwachsenen und die vor Selbstbewusstsein strotzen. Dumm nur, wenn es dafür überhaupt keine Grundlage gibt. Zu meiner Zeit musste man spätestens nach dem Angeben auch etwas beweisen. Heute reicht es aus, sich zu präsentieren, um andere glauben zu machen, dass man etwas kann. Auch hier wäre etwas Kritik am Unvermögen der Zöglinge vonnöten gewesen.

Extremes und vor allen Dingen dauerndes Geschrei wird zudem als oberstes Gebot der Selbstpräsentation betrachtet. Die Eltern sind sich allerdings zu schade, ihren Kindern die Grundformen gesellschaftlichen Konsenses beizubringen. Kaum ein Elternteil, dass sein Kind einmal zur Stille gemahnt. Oder das in der Lage ist, seinem Kind etwas zu verwehren, weil es sonst weint. Ach Gottchen, Kindchen darf nicht weinen! Willst Du ein Eis, hmmmm?

Wer auf die Idee gekommen ist, dass es schädlich ist, wenn ein Kind weint, traurig ist oder einfach mal still in der Ecke sitzt, der gehört standrechtlich erschossen. Kinder darf man nicht anschreien, man darf von ihnen nicht erwarten, dass sie sich erträglich benehmen, man darf sie nur fordern, wenn es um schulische Leistungen geht und man darf deren erbärmliches Kindergeschwätz auch nie unterbrechen. Und man darf keinerlei Kritik formulieren, sonst durchleben Kinder Trauma auf Trauma.

So ein Quatsch! Natürlich darf man all das tun, und Traumata gehören zur Entwicklung eines jeden Menschen. Wer Kinder vor Traumata bewahrt, der verwehrt ihnen jede persönliche Reifung. Das wäre der Gipfel der Lieblosigkeit, getarnt als Güte. Eltern müssen, wenn sie schon Kinder haben mussten, knallhart sein können. Sonst tanzen ihnen die kleinen Terroristen auf der Nase herum und stehlen ihnen den letzten Rest selbstbestimmten Lebens. Eltern müssen ihrem Kind gegen jede Quengelei das tägliche Eis verbieten können und ihren Kindern abverlangen, sich einmal mit sich selbst zu beschäftigen.

Eltern sind eben keine Dienstleister, und Kinder sind keine Kunden. Die einen haben auch noch ein Leben, und die anderen müssen auf ein selbstbestimmtes Leben vorbereitet werden. Da muss vermittelt werden. Und je weniger Ratgeber man sich zu diesem Vermittlungsprozess kauft, desto besser. Am Ende zählt nämlich nicht, wer seine Kinder am Lässigsten oder am Strengsten erzogen hat, sondern wer sie am Besten auf die Anforderungen der Gesellschaft vorbereitet hat - mit einem Quäntchen Kritikbewußtsein selbstredend.

Übrigens: Kinder wissen es zu schätzen, wenn man sich mit ihnen mal so ordentlich streitet! Und sie sterben nicht, wenn sie nicht sofort alle ihre Wünsche erfüllt bekommen. Sie freuen sich vielmehr, wenn ab und an mal einer gewährt wird. Und das kann dann auch ein Eis sein. Zuviel von allem raubt jedoch die Freude daran und steigert das Anspruchsdenken! Und Ansprüche sind immer so langweilig wie jene, die sie formulieren.

Hugh, ich habe gesprochen!

Montag, 4. Oktober 2010

Es ist ja alles da! Ein Abgesang!

Während die regierende Minderheit, deren Einkünfte allein aus Steuermitteln besteht und der daher keinerlei produktiven Leistungen im eigentlichen Sinne nachzusagen ist, nun die Einheit der zweigeteilten Bundesrepublik feiert und deren Protagonisten sich gegenseitig ihren Liebesschleim um die Backen schmieren vor lauter Selbstgerechtigkeit und gekünstelter Betroffen- und Ergriffenheit, wird die Gesellschaft längst nicht mehr nach Osten und Westen geteilt, sondern zwischen Leistungswilligen und - unwilligen.

Die integrationsunwillige Parallelgesellschaft, die sich von demselben Bruchteil der "Restgesellschaft" wählen lässt, den sie sonst verhöhnt, verabscheut und denunziert, ist sich dabei nicht zu blöde, der Mehrheit einen Lebensentwurf abzuverlangen, dem sie selber kaum Folge leistet. Wenn sich Leistung wieder lohnen soll, nur als Beispiel, dann ist ja nur von der Schwungkraft der Ellbogen die Rede, welche die Schwächeren einer Gesellschaft in die Ecke zu drängen vermag. Die sogenannten Leistungsträger der Gesellschaft verstehen es allenfalls, ihre erbärmlichen Bemühungen  verbal aufzublasen.

Hartz IV? Atomkraft? Gesundheit? Stuttgart 21? Entgegen allem Wählerwillen und diversen BVG- Urteilen wird einfach durchgesetzt, was der jeweiligen Lobby nutzt. Da geht es kaum noch um die (Wieder-)Wählbarkeit einer Partei, sondern allein darum, sich noch irgendwo ein Pöstchen in irgendeinem Aufsichtsrat zu sichern. Man muss ja auch mal an die Rente denken. An die Karriere. An das Fortkommen als Person. Was ist da schon ein Wählerauftrag? Was ist das überhaupt? Wenn dann die Wahlbeteiligung sinkt, weil die Leute völlig zurecht politikerverdrossen sind, dann wird geschimpft auf die demokratische Unreife der Bevölkerung. Denn sie versteht das Alternativlosigkeitsprinzip in der Politik nicht.

Das man gar nicht wählen kann, wenn es zur aktuellen Lage keine Alternativen gibt, dürfte den Schwachmaten, die sich durch die Bank für Regierungsaufgaben zur Verfügung stellen, entgangen sein. Dass es immer Alternativen gibt, würde mir jeder Richter bescheinigen, dem ich mitteile, dass der durch mich begangene Mord an diversen Politikern völlig alternativlos gewesen sei. Es gibt immer Alternativen! Auch wenn Mord zwingend geboten zu sein scheint.

Übrigens: Eine gewählte oder bestellte "Elite" sollte einer Gesellschaft nutzen, statt sie zum Abschuss freizugeben. Denn die "Elite" wird von ihr genau dafür bezahlt. Tut sie das Gegenteil, dann steht sie im Grunde selbst zum Abschuss frei. Nur: Das versteht in der Bundesrepublik natürlich keiner so richtig. Wer hier in der Scheiße sitzt, der zieht den anderen sofort wieder dahin zurück, sobald der auch nur versucht, seinen Kopf herauszustrecken. Und jene, die die Scheiße nur noch von oben sehen, treten den Ausbrechern die Finger vom Scheißkübel weg.

Es ist ja außerdem alles da: Der Neid zur Seite, der Neid nach unten. Bloß nicht: Der Neid nach oben! Der ist verpönt. Warum eigentlich? Wir sind alle viel zu bescheiden. Wir sollten nach dem streben, was die wenigen anderen haben, und nicht den vielen neiden, die von allem wenig haben. Wir sollten uns aneignen, was andere im vollen Ernst glauben, verdient zu haben. Wir sollten streiken und Krawall schlagen, statt die Mär von der braven Genügsamkeit zu glauben. Wer wenig hat, soll seinen Mut zusammen fassen und nach mehr schreien. Wer zuviel von allem hat, muss befürchten müssen, zu viel zu verlieren.

Hier geht es lange schon nicht mehr gerecht zu. Und sozial schon gar nicht. In einem noch fortzuschreibenden Märchen bewehrt sich der Mob mit Fackeln und Mistgabeln und sucht die von ihnen bezahlten Baumonstren auf, um deren Besetzer herauszuzerren und aufzuknüpfen am höchsten Baum. Hängt sie höher, die Drecksäue!, johlen sie. Und während deren Beine noch zappeln in der Dämmerung, öffnen sich im Verborgenen Samenkapseln, denen genaue Kopien der Erhängten entsteigen. Sie setzen sich an die Schreibtische ihrer Vorgänger und setzen deren Arbeit fort.

Der Mob indes lernt daraus, das Übel an der Wurzel anzupacken.