Freitag, 25. Juli 2008

Obama? Kunst? Abhängen?


Eigentlich wollte ich mir ja gestern ein Bild von der „Obamania“ machen, der die BerlinerInnen anheim gefallen sind. Doch was hätte mich daran interessieren sollen, wenn ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat vor der Siegessäule spricht? Bloß weil er Demokrat und schwarz ist, heißt das ja noch lange nicht, dass er ein guter und zugleich interessanter Mensch sein muss. Das wäre ja genau so, als müsse man einen Bundeskanzler (sic!) nur deswegen gut finden, nur weil er (sic!) eine Frau ist.

In Wirklichkeit steht Obama für die Todesstrafe und für Waffenbesitz ein, zudem hat er keine klare Meinung zum Irak-Konflikt und sieht etwas besser aus als Mr. McCain und seine ehemalige Konkurrentin Mrs. Clinton. Apropos Clinton und andere Demokraten: Ist es nicht auffällig, dass demokratische Kandidaten generell netter ausschauen als ihre republikanischen Gegner? Ihnen traut man keinen Krieg zu, Kennedy war dafür zu knuffig und Clinton zwar sexbesessen, aber ansonsten lieb. Man vergisst dann schon mal kleine „Störfälle“ wie Vietnam oder Syrien.

Und nun eben Ausnahmezustand in Berlin, abgesperrte Straßen und Hysterie allenthalben. Das will man sich ja nun nicht wirklich antun, lieber schaut man sich die tolle Ausstellung in der Galerie Adamski an. Dort stellt Achim Hoops seine Reihe „lie to me“ aus, wunderbare Buntstift-Zeichnungen auf Holz, an Filmstills erinnernd, allesamt Abbildungen der Nacht. In ihr sind bekanntlich alle Straßen grau, und lediglich ein paar Lichtkleckse erhellen ein paar Ecken.

Danach in seltsam leeren Parkanlagen herum lungern, dass es eine Freude ist. Eiskaffee schlürfen in ruhigen Straßencafès. Schlendern durch beruhigte Straßen. Und so macht uns auch ein Barrack Hussein Obama Freude, da er Leerstellen schafft, wo sonst Überfüllung herrschte. Und was er der Menschheit dann noch mitteilte, kann man heute in der Zeitung lesen. Ebenfalls die Analysen über die geistige Verfasstheit der USA und der Kandidaten. Falls das irgendwie von Interesse sein sollte.

Freitag, 18. Juli 2008

Du hast kein Krebs! Du hast Arbeit!

Ist aber immer noch besser als: "Du hast keine Arbeit, Du hast Krebs!" Denn in dieser doppelten Misere ist man nicht mehr Protagonist, und muss es Fachkräften überlassen, eine Verbesserung des Zustands herbeizuführen.

Donnerstag, 17. Juli 2008

Zeit für einen Kleinkrieg! Aurale Botschaften, ungefragt!

Wo sind die guten alten Zeiten hin, als Kinder noch als das galten, was sie im Grunde auch sind: Als unsägliche Störenfriede, die dauernd Lärm machen, frech sind und mit ihrem ewigen Gelaufe das Treppenholz ruinieren. Eltern wurde stets mit der Aufkündigung des Mietvertrages gedroht, sollte keine Besserung eintreten. Und man meinte es ernst!

Heute ist das natürlich anders. Es soll ja nicht benachteiligt werden, wer künftige Arbeitslose in die Welt setzt. Vielmehr müssen Familien unterstützt werden, und das ist ja eigentlich auch gut so. Dummerweise setzt sich damit manchmal etwas Größenwahn durch, und das auf zweierlei Weise. Erstens: Kinder werden zum Ersatzvehikel für eine ansonsten verpfuschte, weil völlig sinnlose Existenz. Zweitens: Das ganze soziale Umfeld muss sich nach einer einzigen Familie richten, nach ihren Ritualen, Bedürfnissen und Tagesabläufen.

Schnell werden Aufrufe an die Haustür getackert, in denen so etwas anachronistisches wie Mittagsruhe gefordert wird. Zwischen 12 und 15Uhr darf nun weder gearbeitet, geputzt noch geatmet werden. Zu anderen Zeiten darf es aber auch nicht zu laut zugehen, wenn doch, dann wird - am liebsten mit Säugling im Arm - an der Wohnungstüre geklingelt. Was nämlich laut ist, legt die Familie selbst fest: Laut sind alle Geräusche, die von außen kommen und in ihrer Wohnung hörbar sind.

FarmerBoy hat das Pech, in einem sehr hellhörigen Haus zu leben. Die Zimmertüren dämpfen den Schall mehr als der Fußboden. Offensichtlich hat man es unterlassen, eine Trittschalldämmung einzubauen. Er leidet darunter stark, weil seine kleinen Nachbarkinder nachts mitunter erbärmlich schreien. Manchmal wirklich so erbärmlich und so lange, dass er aufrecht im Bett sitzt und hinterher nicht mehr einschlafen kann. Er beschwert sich allerdings nicht. Ist ja völlig normal, mit so kleinen Kindern im Haus, denkt er nachsichtig.

Grenzwertig wird es für ihn, wenn er zum Beispiel an einem Feiertag mal so richtig ausschlafen möchte, aber die hochmusikalische Mutter und Nachbarin morgens um acht Uhr laut auf der Orgel spielen muss. Er denkt sich dann, das Kissen fest ans Ohr gedrückt: "Na warte!" Aber am Ende reagiert er dann doch nichts, man will ja keinen Kleinkrieg entfachen. Andererseits ist es natürlich unfair, dass einzig die Familie von unten ihre Existenz aural unter Beweis stellen darf.

Packt FarmerBoy aber einmal seine akustische Gitarre aus, um ein paar selbstkomponierte Folkstücke mit Bandkollegin H. zu spielen - er streichelt seine Gitarre dabei nur sanft, und seine Stimme hat ein wohltuendes Timbre, während H. ein Keyboard anstimmt, das in Tonlage und Lautstärke der Gitarre angepasst ist - klingelt es an der Tür. Es ist viertel nach Acht abends. Die Nachbarin, mit Säugling im Arm: "Können Sie bitte etwas leiser sein, es ist jetzt schon nach Acht Uhr und wir wollen unsere Kinder ins Bett bringen!"

FarmerBoy ist zuerst verdattert: "Aber das ist doch Zimmerlautstärke, und es ist noch nicht einmal 22Uhr!" "Vielleicht sind die Wände ja sehr hellhörig", flötet die Nachbarin, und als ihr FarmerBoy dann doch geistesgegenwärtig entgegnet, dass sie jetzt doch noch wenigstens bis 21Uhr spielen würden, zieht sie mit verhärteter Miene von dannen. Seitdem hat FarmerBoy den starken Eindruck, schon die ganze Zeit um sein Recht zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit betrogen worden zu sein. Schritt für Schritt. Vielleicht wird es doch endlich Zeit für einen Kleinkrieg.

Mittwoch, 16. Juli 2008

Blut, Schweiß und Eishockey! Und ganz viel Leid!

Mein Dienststellenleiter während meiner Zivildienstzeit als Rettungssanitäter war ein richtiges Arschloch. Richtiges Arschloch meint, dass er sich bewusst darüber war und er es auch in vollen Zügen genoss. Er strietzte seine Zivis so, dass sie sich beinahe so vorkamen, als wären sie doch beim Bund gelandet. Am liebsten aber erzählte er von seiner Zeit als Amateur-Handballer: Er war der Meinung, dass in jedem Spiel mehrere Knochen gebrochen werden müssten. Und falls dies nicht passiert, dann könne man das ja jederzeit nach dem Spiel nachholen. So einer war das nämlich!

Später lud mich mein eishockeybegeisterter Freund RonJustice zu einem Spiel der Mannheimer Adler ein. Dabei lernte ich, dass ein Bodycheck nichts mit den Kontrolluntersuchungen des menschlichen Körpers an Flughäfen zu tun hat. Das Spiel war ein einziger Akt der Gewalt, und so beschloss ich, meine Studien am Publikum fortzuführen. Ich wandte mich also um, und was ich sah, oh liebe FreundInnen des gepflegten Kätzchenstreichelns, war mindestens genauso erschreckend wie das Spiel selber. Schwer traumatisiert habe ich seitdem nie wieder einem Sportereignis beigewohnt - es sei denn, man zählt Boule mit.

Als ich kürzlich mal wieder so am Neckar entlangschlenderte, sprang mich ein Plakat der Firma "Mannheimer Adler" an. Es gebe in einer Saison soundsoviel Leid und soundsoviele Strafminuten. Um sich das nicht entgehen zu lassen, solle man sich doch bitte eine Saisonkarte für teuer Geld kaufen. Man wirbt hier ganz offensichtlich mit Gewalt, ohne die man kein Publikum mehr aktivieren kann. Um es mit Mrs. Lovejoy von den Simpsons zu sagen: "Denkt hier irgendwer auch mal an die Kinder?"

Das ist nämlich genau so, als würden zum Beispiel die Münchner Verkehrsbetriebe mit dem Spruch "Hier werden Sie verdroschen" Werbung machen. Gewalt ist ja sowieso schon Kult, gerade Kinder und Jugendliche können sich daran nicht satt sehen. Und manchen kindgebliebenen Erwachsenen geht das ähnlich. Dass jetzt aber auch noch Wirtschaftsunternehmen Werbung damit machen, geht etwas zu weit. Irgendwo muss man ja auch mal Verantwortung zeigen und gewaltfreie Akzente setzen.

Dass Eishockey ein Rempelsport ist, ist bekannt. Das gehört wohl so. Aber schon alleine die Tatsache, dass es so etwas wie Strafminuten gibt, setzt voraus, dass einzelne Handlungen während des Spiels offensichtlich nicht korrekt sind. Wenn aber gerade inkorrektes Handeln positiv sanktioniert wird, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn dieses nachgeahmt wird. Der Nachwuchs orientiert sich nämlich viel mehr an den Erwachsenen als uns lieb sein kann. Alles asoziale Verhalten hat er sich vorher am ausgewachsenen Exemplar der Gattung Mensch abgeschaut.

Soviel zur täglichen Spaßverderberei. Jetzt geht es um Alternativen zur Notwendigkeit katharsischer Momente im Leben von Menschen. Wer gewalttätigen Sport nicht leiden mag, aber trotzdem leidende und zugerichtete Menschen sehen will, der muss nur mal morgens um sieben Uhr mit der Straßenbahn fahren. Das dort Erblickte reicht dann wieder für die nächsten Monate.

Sonntag, 13. Juli 2008

Krank durch Arbeit! Gesund durch Verweigerung?

Ich leide zur Zeit sehr mit: Meine liebe Frau C. hat nach einem halben Jahr eine Arbeit gefunden, und nun ist sie wieder 40 Stunden lang in der Woche fern von mir. Nicht, dass ich alleine nicht zurecht käme. Doch irgendwie stellt sich dabei das Gefühl ein, etwas sei nicht so ganz in Ordnung. Nun ist es ja ganz normal, dass Menschen 40 Stunden in der Woche arbeiten, doch deswegen muss das ja noch lange nicht in Ordnung sein.

Ich finde, man darf ruhig mal das Pferd von hinten aufzäumen und die Dinge auf den Kopf stellen. Aus alten Denkmustern auszubrechen hat sich bislang immer gelohnt. Warum nicht einmal den Sinn der Arbeit in Frage stellen? Wer allzu Offensichtliches niemals hinterfragt, ist arm dran. Es ist ja egal, zu welchem Schluss man dabei kommt. Wobei: Vor Jahrhunderten aufgestellte Regeln haben heute nur in den seltensten Fällen noch eine Gültigkeit.

So sieht es also aus im Ameisenstaat: Stets gilt es, sich für den nächsten Tag auf Arbeit fit zu halten, sich seelisch darauf vorzubereiten: Gymnastik am Abend. Bildung nur, wenn sie der Karriere nützt. Früh zu Bett gehen, gesund leben, Joghurt ohne Fett essen etc. Wo, liebe Leute, bleibt da der Genuss? Und warum fällt es den ArbeitnehmerInnen so schwer, sich während der Arbeitszeit auf das bisschen Freizeit vorzubereiten und Arbeit als das zu sehen was sie ist: Sie sichert uns schlicht den Lebensunterhalt, mehr nicht!

Arbeit dient nicht dazu, uns besser zu fühlen, sonst wären die Praxen der Therapeuten nicht überfüllt. Tatsächlich häufen sich im Bekanntenkreis die Fälle psychischen Bankrotts aufgrund Arbeitsüberlastung. Man lernt in der Schule eben nicht, seine Kräfte einzuschätzen und zu schreien, wenn es wehtut. Lieber erst krank werden, und dann die Schlüsse daraus ziehen. Doch wäre es nicht besser, in einem Akt der Gesundheitsvorsorge den Job vorher zu kündigen? Leider würde dies negativ sanktioniert werden. Stichwort: Sperrung des Arbeitslosengelds wegen einer Kündigung ohne Not.

Es zeigt sich, dass viele ArbeitnehmerInnen ihrem Arbeitgeber gegenüber viel loyaler sind als umgekehrt. Die Angst vor Job- und Distinktionsverlust lässt viele Menschen dauerhaft über ihre Grenzen gehen. Auch haben sich die Arbeitsverhältnisse längst geändert: Noch vor wenigen Jahren gab es unbefristete Arbeitsverträge. Ältere ArbeitnehmerInnen konnten sich etwas zurücklehnen, der Druck lastete auf den jüngeren. Das war gesund, denn 30 Jahre Arbeitszeit hinterlässt Spuren und Zeichen, auf die man hören und sich daraufhin etwas zurücknehmen sollte.

Die befristeten Verträge heutzutage führen dazu, dass jung und alt permanent einem gewaltigen Druck ausgesetzt sind. Man gibt sich mit weniger zufrieden und ist bereit, mehr zu leisten. Und mit jedem neuen Arbeitsvertrag fängt man wieder ganz von vorne an, Aufstiegsmöglichkeiten sind so kaum vorhanden. Solche Verhältnisse können auf Dauer nicht gesund sein. Der Staat (das sind übrigens wir alle) indes zahlt doppelt: Er stockt Gehälter auf und bezahlt die therapeutische Behandlung. Beides sollte jedoch der Verursacher zahlen, ganz nach dem Verschuldungsprinzip.

Man weiß inzwischen, das Zigaretten und Alkohol, ja sogar übermäßiger Lebensmittelgenuss, krank machen kann. Daher versucht man alles, um die Bevölkerung davon abzuhalten. Wenn jedoch Arbeit beginnt, krank zu machen, kommt keiner auf die Idee, sie zu verbieten. Ganz im Gegenteil. Jedem vernünftig denkenden Menschen ist längst klar, dass kranke Menschen Staat und Arbeitgeber mehr kosten als gesunde. Doch wenn es um Arbeit gehen, ist man blind und taub.

Stattdessen beharrt man auf verlängerten Lebensarbeitszeiten und auf der 40-Stunden-Woche. Als könne ein Mensch tatsächlich acht Stunden am Tag effizient arbeiten ohne sein Rückgrat dabei zu verlieren. Gleichzeitig vergönnt man ihm jede Ablenkung oder Rekreation während der Arbeitszeiten. Moderne Arbeitgeber haben längst erkannt, dass der Mensch am effizientesten arbeitet, wenn ihm Möglichkeiten zur Muse und zu sozialen Kontakten eingeräumt werden.

Doch der Großteil der Arbeitsverhältnisse wird aus dem Blickwinkel der protestantischen Ethik betrachtet: "Arbeite zu Gottes gefallen, und er wird Dich möglicherweise im Jenseits belohnen. Damit zu rechnen wäre allerdings Sünde!" Wahrscheinlich aber fährt man besser mit Paul Lafargues "Recht auf Faulheit". Die Welt drehte sich dann vielleicht etwas langsamer, doch den Menschen täte es gut. Möglicherweise würde dann jemand ausrufen: "Wer arbeiten kann, der kann auch feiern!" Und alle anderen lassen ihre Griffel sinken und juchzen froh...

Donnerstag, 10. Juli 2008

Servicewüste Mannheim! Wir können alles außer freundlich!

Eigentlich fanden ja alle meine FreundInnen Berlin ganz furchtbar, da dort eine "Servicewüste" sei, man würde ganz unfreundlich bedient, wenn überhaupt, und man hätte stets den Eindruck, die VerkäuferInnen wollten gar nichts verkaufen. Sie waren damals alle einer Medienkampagne ausgesetzt, die den Osten der Republik - aus welchen Gründen auch immer - schlecht machen wollte. Keiner meiner damaligen FreundInnen hatte jemals in Berlin was anderes als einen Döner gekauft, weil ja alles andere so sauteuer sei.

Wunder über Wunder! Keine Ahnung, wo sie sich aufgehalten haben, in meinem Berlin war das jedenfalls nicht. Wer die ganze Zeit nur blöde Sehenswürdigkeiten abtourt wie den "Checkpoint Charlie" und ähnlichem Gedöns, muss sich jedoch nicht wundern, wenn er in einem fort geneppt und gedemütigt wird. In F'Hain, Mitte und Kreuzkölln (wie man das so nennt dort), herrscht die reinste Form der Kundenzentriertheit, und teure Sachen gibt nur vereinzelt in doofen Abzockerläden, die auf noch doofere Kundschaft aus den Provinzen der Republik warten.

Man lernt: Es lohnt sich, FreundInnen in Berlin zu haben, die wissen, wo es lang geht. In Mannheim hingegen können einem selbst sehr gute FreundInnen kaum weiterhelfen. Grundsätzlich ist hier ja alles teuer, und wenn man nicht mit Händen und Füßen zappelt, wird man noch nicht einmal wahr-, geschweige denn ernstgenommen. Es ist so, als würden sämtliche Angestellten in der Stadt an ihrer eigenen, zukünftigen Arbeitslosigkeit arbeiten. Selten habe ich so bocklose Menschen erlebt.

Ich bin ja ein sehr einfacher Kunde, habe genaue Vorstellungen von dem was ich möchte und kann sie knapp und präzise formulieren. Genau so eine knappe, präzise Frage hatte ich an eine namensbeschilderte Dame in einem innerstädtischen Baumarkt gerichtet, wo mir prompt und schnippisch entgegnet wurde, sie sei nicht zuständig, ich solle jemand anders fragen. Und außerdem wolle sie mal wissen, ob ich wohl die Arbeit anderer tätigen würde, hmmm?

Drei offene Briefe an wenig motivierte Kundenabfertiger:

Liebe Servicefachkraft der gehobenen Einräum- und Sortiertätigkeit, sicher übernehme ich auch mal die Arbeit anderer, denn ich bin ja kein herzloser Mensch. Selbstverständlich hat auch das seine Grenzen, zum Beispiel würde Möbelpackern auf Anfrage meine Arbeitskraft verweigern, das ist schließlich schwere Arbeit. Aber grundsätzlich bin ich hilfsbereit und jederzeit in der Lage, eine freundlich gestellte Frage zu beantworten bzw. weiterzuleiten. Das hat rein gar nichts mit Selbstausbeutung zu tun, sondern mit den Grundprinzipien des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Außerdem kann ich nicht wissen, wer mir helfen oder doch nur Regale einräumen darf.

Liebe Servicekräfte der Bewirtschaftung in Gaststätten: Ich habe gar nichts dagegen, wenn man ab und an mal nachfragt, ob ich etwas bestellen möchte. Und nach einer gewissen Zeit kann man mal wieder schauen, ob ich noch etwas benötige. Es ist allerdings sehr unfreundlich, so zu tun als existierte ich gar nicht. Ich weiß, ihr habt manchmal viel zu tun, aber nicht immer. Manchmal sitze ich auch beinahe alleine, und ich frage mich dann, ob ich zu alt, zu jung, zu dick oder zu dünn für eine Bestellung bin. Bitte sagt es mir, denn das macht mich traurig und belastet meine Selbstwahrnehmung.

Lieber Fachverkäufer des Elektrokaufhauses neben Karstadt: Es kann mal sein, das eine Kundin Stunden braucht, um sich für eine Waschmaschine zu entscheiden. Ebenso klar ist, dass Sie für die Unterbesetzung des Geschäfts nicht verantwortlich sind. Aber bitte: Man kann doch einem Kunden, der seit 30 Minuten um Sie herumscharwenzelt und hin und wieder provokativ neben einem bestimmten Kühlschrank stehen bleibt, doch mal kurz eben signalisieren, dass Sie ihn gesehen haben und so bald wie möglich kommen werden. Und lieber Kollege im oberen Stockwerk: Vielleicht ist es doch nicht so aufwendig, eben mal nachzuschauen, ob unten gefundenes Modell auch in silber verfügbar ist. Aber Sie sagen ja lieber: "Machen Sie etwa auch die Arbeit anderer Leute?"

Dienstag, 8. Juli 2008

Sechs blaue, mediterrane Mülltonnen!

All den Autofahrer- und VielfliegerInnen sei Dank: Das Wetter ist heutzutage viel besser als früher! Die Durchschnittstemperaturen steigen stetig, und es gibt mittlerweile sogar kleine tropische Stürme. Was will man mehr? Wenn Deutschland nicht so sturzöde zubetoniert wäre, man könnte dort im Sommer fast überwintern und seinen Bauch in die Sonne hängen. Skifahren ist hierzulande leider nicht angezeigt - also muss man doch rein in den Billigflieger.

Auch die Fauna und die Flora entdecken die Qualitäten des einst finsteren germanischen Urwaldes und siedeln sich dort zur Dauerresidenz an. Neulich beobachtete ich Papageien und ganz und gar merkwürdige Insekten am Stollen. Der Oleander wuchert geradezu und die Yucca-Palme gedeiht hier mit ihrer obligatorischen Vogelspinne. Andererseits wollen beispielsweise die Zugvögel gar nicht mehr weg von hier, fehlende Bewegung macht sie fett und träge. Was aus Tieren wird, deren Wandertrieb einfach auf Standby steht, kann man gut an der Stadttaube betrachten.

Wo aber bleibt das Mittelmeer? Es könnte doch auch mal zu uns herüberschwappen, jetzt mal ehrlich: Was hat man denn hier von den ca. 312 Flüssen in der Gegend, wenn man sie so vernachlässigt wie manche Eltern ihre Kinder? "Lebendiger Neckar" z.B. heißt hier leider immer noch: Bratwurstbuden, Kinderhüpfburg und Rockmusik für einen Tag. Oder man verpasst einer Wiese einen Bürstenschnitt und stellt sechs blaue Mülltonnen dazu, fertig ist das Mittelmeer-Feeling.

Fakt ist: Wer mediterranes Flair haben will, muss auch irgendwie mediterran denken! Mittelmeer-Bewohner ist man ganztägig, das ist keine five-to-ten-Sache. Es hilft einfach nichts, den Biergärten etwas längere Öffnungszeiten zu gönnen, wenn der Großteil der Bevölkerung Punkt 22Uhr die Rolläden herunter krachen lässt. Dafür arbeiten die MannheimerInnen viel zu viel und noch dazu sind sie dezent griesgrämig! Es mangelt ihnen schlicht an der Kompetenz, mit dem mediterranen Klima-Konzept umzugehen.

Erfahrung hierin haben allein unsere integrierten MitbürgerInnen von der Ägäis und der Schwarzmeerküste. Deren nächtliches Treiben wird aber leider immer noch missgünstig observiert. Dabei könnten wir so viel von ihnen lernen! Alihan G. und Nikolas P. geben folgende Tipps:
  1. Der echte Meeresküstenbewohner hat keinen eigenen Hund, er füttert dafür gerne herumstreunende Köter, die allesamt Respekt vor dem Menschen zeigen und gar nicht aufdringlich sind
  2. In der Mittagshitze wird so wenig wie möglich gearbeitet. Dafür schickt man den Botenjungen auf ewige Besorgungsgänge
  3. Wer bei Mittagshitze ernsthaft versucht zu arbeiten, soll wegen Streberei standrechtlich erschossen werden
  4. Das Leben ist schön und soll daher mit schönen Dingen begangen werden.
  5. Klimaanlagen machen Klimawandel machen Klimaanlagen machen Klimawandel etc.
  6. Wer bei nächtlicher Hitze versucht zu schlafen, soll standrechtlich wegen Idiotie erschossen werden
  7. Kein Mensch sollte sich für längere Zeit direkter Sonnenstrahlung aussetzen. Unter einem Baum glitzern die Blätter so schön, und die Haut verbrutzelt dabei nicht.
  8. Die Nacht bekommt bei ständiger Tageshitze eine wundervolle, neue Bedeutung, und nächtliches Treiben wird gut für die Seele sein. Der Tag allerdings wird zum Feind erklärt. Carpe noctis!

Montag, 7. Juli 2008

FreundInnen 2.0! Social Networking geht auch analog!

Mein Großvater pflegte in seinen letzten Monaten Kontakte zu seinen Eltern und alten Freunden, die freilich längst verstorben waren. Kurz zuvor war ihm diese wesentliche Tatsache noch bekannt, doch nun schrieb er Briefe, die er den Göttern sei dank sofort wieder vergaß. Nur wenig später freute er sich über die wegen Unzustellbarkeit zurück gesendeten Exemplare, standen auf deren Umschlag doch die Namen alter Freunde und Verwandten. Man dachte eben immer noch an ihn, und das rührte ihn.

Wer kennt das nicht? Jeder neue Abschnitt im Leben eines Menschen wird besiegelt mit dem Schwur, die Menschen aus dem vorherigen Abschnitt niemals zu vergessen. Man bleibe in Kontakt, auf jeden Fall, wie es sich gehöre. Kaum ist aber der Umzugswagen bepackt, gehen sämtliche, personenbezogene Daten auf geheimnisvolle Weise verloren. Man sieht liebgewonnene Menschen zuerst selten, später dann gar nicht mehr. So ist das, wenn sich Menschen im Laufe der Zeit stetig unterschiedlich verändern und am Ende gar keine Gemeinsamkeiten mehr übrig bleiben.

Leicht oberflächliche Exemplare der Gattung Mensch planen ab einem bestimmten Punkt in ihrem Leben ihre Karriere, deren Verlauf so etwas wie FreundInnen nicht mehr berücksichtigen kann. Wer Tag und Nacht an so wichtigen Dingen wie die eigene Unersetzlichkeit respektive Unersättlichkeit arbeitet, für den wird die Pflege liebgewonnener Bekanntschaften zum Dauerstress. Zudem bremsen einem alte FreundInnen stetig aus, und daher ist es viel besser, Netzwerke von nützlichen Menschen um sich herum zu bilden.

Nun ist der nützliche Mensch nicht immer ein Freund, er neigt möglicherweise auch deshalb dazu, seine Tentakel aus der gemeinsamen Schnittstelle zurück zu ziehen. Mit etwas Pech hat man am Ende zwar eine vorbildliche Karriere, aber leider keine FreundInnen mehr, bei denen man protzen oder über den Stress abjammern kann. Männer lassen sich dann gerne von verständigen Nutten dominieren, aber was bleibt den Frauen? Die Flucht zu den Prostituierten ist immer noch eine Domäne des männlichen Berufszwerges. Frauen kramen da lieber in den Karteikarten verlorener Seelen und reaktivieren pausierende Zuneigungsbekanntschaften.

Meine liebe Frau C. wird dieser Tage häufig von AnhängerInnen der sogenannten Networking-Plattformen angemailt. Man suche den Kontakt zu ihr und sie solle sich doch bitte bei „Wer kennt wen?“ und ähnlichem Kroppzeug anmelden. Alte, längst vergessene Freundinnen sind wohl berufliche Aufsteigerinnen geworden, sind aber darüber wohl emotional völlig verarmt. Nun suchen sie nach alten Freunden. Leider trauen sie sich nicht mehr, das Objekt ihrer Begierde direkt anzusprechen, und so nimmt man den indirekten Weg.

C. hat dazu eine besondere Meinung: Wer mit ihr Kontakt aufnehmen wolle, solle die doch bitte schriftlich oder telefonisch tun. Es gäbe immer irgendwelche Möglichkeiten, an die nötigen Informationen zu kommen. Wer diese nicht suchen wolle, der sei einfach zu faul und damit sowieso nicht erwünscht. Und viel besser sei es sowieso, den Kontakt einfach zu halten, statt sich nach Jahren der Vernachlässigung ganz unverschämt wieder in ihr Leben drängen zu wollen. Man sei ja schließlich kein Sozialdienst für sozial verkrüppelte Menschen. So in etwa hat das C. formuliert. Und ich pflichte ihr bei.

Donnerstag, 3. Juli 2008

Mann beißt Hund! Mähdrescher sind besser als ihr Ruf!

Über ungesicherte Berichte darf man ja nicht schreiben: An der Neckarwiese unter der Jungbuschbrücke soll ein Bauer eine Staffordshire- Hündin mutwillig mit dem Mähdrescher überfahren haben. Ein Leser wies mich darauf hin und war einigermaßen entrüstet. Ich war zunächst tief betroffen, obwohl ich Hunde nicht mag. Das ging dann doch zu weit: Meine Gewaltphantasien beziehen sich doch eher auf Hundehalter. Doch mit Google, immerhin der Mähdrescher des Internets, findet man zu diesem speziellen Ereignis fast gar nichts, so dass man denken könnte, man sei einer Ente aufgesessen. Doch das KSG-Forum, ein Hundeliebhaberportal, dessen Blogger alle total supidupisüßen Avatare benutzen, greift das Thema auf.

Die dort geführte Diskussion lässt allerdings zu wünschen übrig. Hier ereifern sich u.a. Menschen, deren Leben irgendwie und ausschließlich Hund ist. Die Tiere selber sind Opfer von perversen Menschen und müssen beständig beschützt werden. Sie sind nämlich ausnahmslos lieb und würden einem Menschen auch niemals etwas antun. Hier schwirren eher Theorien über Hunderassendiskriminierung durch die Forumsbeiträge, als dass man sich tatsächlich mit gesicherten Fakten abgäbe.

Die Medien mit ihren wiederholten Kampagnen gegen Hunde seien schuld daran, dass einzelne Personen die Viecher so sehr hassen und dann auch noch umbringen. An dieser Stelle muss mal gesagt sein: Sicher sind die Medien dafür bekannt, in Berichten eine Position zu beziehen (gut) und gelegentlich zu übertreiben (schlecht). Aber leider zeigt sich an den Zeitungsauflagen, dass die LeserInnen den Schund der seriösen Berichterstattung vorziehen. Letzten Endes muss man ja immer mit dem Finger zuerst auf sich selber zeigen. Und man kann Hunde auch ohne die Medien hassen, braucht man doch lediglich einen Grund dazu.

Als in der Vergangenheit einmal gefordert wurde, man möge aufgrund erhöhter Bissquoten doch Kampfhunde bitte anleinen und bemaulkorben, reagierten einige HundehalterInnen mit Holocaustvergleichen. Man muss es sich bildhaft vorstellen: Der Hund als Jude des anfangenden Jahrtausends, gezeichnet, stigmatisiert, diskriminiert, und einer beispiellosen Hetzkampagne unterzogen. Und das nur, weil ein paar Kinder und Erwachsene zerfetzt wurden! Berichte über durch Hunde zerbissene Menschen empfinde ich als vernunftgesteuerter Mensch allerdings nicht als fiese Kampagne gegen Hunde, sondern als eine Abbildung der Realität.

Die Mann-beißt-Hund-Story in der mündlichen Variante lässt aber in seiner neutralen Berichterstattung die Gemüter in Wallung geraten. Ein Forumsteilnehmer lässt sogar sich zu folgender Mitteilung hinreisen: "Dazu kann ich nur eins sagen*Der Mensch gehört ausgerottet* Und das passiert auch irgendwann, sowas darf einfach nicht die Erde bevölkern (es gibt Ausnahmen) R.I.P arme Maus, du hattest einen grausamen Tod" Wer wohl diese Ausnahmen sind, die überleben dürfen? Die Ordnung des postapokalyptischen Zeitalters ist mir auf einmal ein Gräuel.

Irgendwie geht mir das alles viel zu weit. Das Leben ist schließlich keine Talkshow, in der gegensätzliche Positionen bis auf's Blut verteidigt werden müssen. Bedingungslose Hundehasser sind Idioten, bedingungslose Hundeliebhaber aber auch. Denn beiden fehlt, wie so oft, der nötige Blick über den Tellerrand. Auf Grundlage solch einfacher, weil dichotomer Zuweisungen gibt es am Ende nur noch "die Männer und die Frauen", "der Arbeitslose und der Arbeitnehmer", "die Autofahrer und die Radfahrer" und deren ganz spezifische Handlungsweisen. Derart arm im Hirn möchte ich nicht in die ewigen Jagdgründe eingehen. Ende.