Man ist es ja gewöhnt, immer und überall überwacht, gefilmt, geduzt und über's Ohr gehauen zu werden, wo es nur geht. In Mannheim gibt es dagegen kaum Widerstand, man lebt getreu der Devise, dass, wer nichts zu verbergen habe, auch nichts zu befürchten hat. Natürlich soll Überwachung nur dort stattfinden, wo sie einen selber nicht stört.
An den Neckarwiesen würden Kameras allerdings stören, weil man dann nicht mehr seinen Köter überall hinkacken lassen kann ohne Bußgeld bezahlen zu müssen. Auch bestimmte Straßen gehören ausgenommen von jeglicher Observation, denn sonst könnte man wunderbare Videos von rüpelhaften und rücksichtslosen AutofahrerInnen schauen. Soviel zum "nix-zu-verbergen-haben", liebe MannheimerInnen! Doch wer da unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!
Ansonsten aber liebt man es, an öffentlichen Plätzen beim Nasebohren gefilmt zu werden, und man denkt sich kaum was dabei, wenn man sich in der Furche herum puhlt. Schließlich leben wir in Castingdeutschland, und jede öffentliche Begebenheit ist Bühne und Künstlerschmiede zugleich. Eingeschränkt fühlt man sich höchstens durch zischelnde Drogenverkäufer, doch die scheuen die Kamera wie der aufgeklärte Mensch den Papst.
Schlimmer als Drogenverkauf in der Öffentlichkeit finde ich legale Erwerbsarbeit. Sie macht uns dumm und angepasst. Und uns zu Drogen überhaupt erst greifen. Ein gestresster oder zugedröhnter Kopf neigt aber nicht zur Weltrevolution, er hat noch nicht einmal besonders gute Einfälle. Sicherheitshalber gilt: Damit der Arbeitnehmer nicht doch zu schlau zum Arbeiten wird und plötzlich auf dumme Gedanken kommt, filmt man ihn bei der Arbeit.
Dies prangere ich an! Widerstand ist geboten! Bei Discountern beschäftigte VerkäuferInnen zum Beispiel sei hiermit wärmstens empfohlen, der Überwachungskamera mindestens einmal täglich den blanken Hintern entgegenzuhalten. Hinterher sollen sich alle Angestellten vor einer Kamera postieren und in aller Ruhe gemeinsam einen zuvor aus den Regalen entnommenen und nicht bezahlten Snack verschnabulieren.
Doch solcherlei Meinungsäußerung ist den VerkäuferInnen gewiss untersagt. Wo kämen wir denn auch hin, wenn jeder nur noch das täte, wofür er bezahlt wird? Die Kameras in Discountern beispielsweise filmen die Angestellten leider nicht dabei, wie sie die Filiale morgens und abends außerhalb der bezahlten Arbeitszeit aufarbeiten. Ich übe aber Solidarität mit den gegängelten Angestellten, indem ich Discounter meide wo es nur geht, trotz meiner ständigen monetären Klammheit.
Bald werde ich ebenfalls aufpassen müssen, wie und an welchem Körperteil ich mich kratze. Ein Teil unserer Hausgemeinschaft möchte nämlich eine Kamera am Haus installieren. Früher habe man sowas ja gar nicht gebraucht, denn man schloss einfach Hoftor und Haustüre ab, und fertig war der Käse. Da kam keiner rein, leider aber auch keiner raus im Ernstfall. Man hat den MitbewohnerInnen jedenfalls für immer verboten, ihr Hab und Gut zu schützen.
Da aber beim jährlichen Fest in der Max-Joseph-Straße immer jemand in den Hof kackt, und man auch weiß, dass jemand, der in den Hof kackt, auch gerne in Eigentumswohnungen einbricht und alles stiehlt, was nicht festgeschraubt ist, will man eben eine Überwachungskamera. Am Besten eine mit integriertem Notruf und Wachschutzfunktion. Es ist ebenfalls bekannt, das Einbrecher sofort ihre Maske abnehmen, wenn sie eine Kamera auch nur aus der Entfernung sehen. Sie wollen es dem polizeilichen Erkennungsdienst so einfach wie möglich machen.
Ich möchte gar keine Überwachung, weder öffentlich noch privat. Jeder Filmer weiß, dass sich Menschen im Angesicht einer Kamera schlagartig anders verhalten. Ich will so bleiben wie ich bin. Da ich aber so wie ich bin haufenweise Dinge zu verbergen habe und deshalb mehrjährige Haftstrafen befürchte, würde das Verborgene erkannt, werde ich Widerstand leisten:
Ich habe noch ca. 200 kleine Kartons, die eine Überwachungskamera verdecken können. Jeden Morgen würde ich einen neuen Karton über die Installation werfen, bis diese aufgebraucht sind. Hängt das Teil dann noch immer und will mich bei delinquentem Verhalten ertappen, lasse ich mir von einem Optiker eine Linse anfertigen, die man über die Linse der Kamera kleben kann. In die Linse eingraviert wäre ein Mann in lustigen Kleidern, der immer schön in die Kamera lächelt. Es wäre auf jeden Fall ein schönes Bild.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen