Wie frisch geschlüpfte Schildkröten strömen sie zu Tausenden an das Neckarufer, um dort einzutauchen und für immer zu verschwinden, wären da nicht ihre natürlichen Feinde, die sie in ihrer Zahl stark dezimieren. Nur die Schnellsten überleben das darwinistische Rennen der Arterhaltung. Sie werden nächstes Jahr wiederkehren und ihrerseits ihre Eier in den Neckarwiesen verbuddeln.
Natürlich werden Profi- oder Hobbyangler nicht auf ihrem Weg zum Wasser verspeist. Vielmehr betreiben sie Genozid am Fisch. Seien wir realistisch: Wenn gefühlte 1000 dickbäuchige Sportangler in den Mittvierzigern an einem Ufer sitzen und dort angeln, ist das Leben im Fluss hinterher völlig ausgelöscht!
So fanden sich vergangenen Samstag hunderte von Anglern am Neckarufer ein. Wer aber ein echter Sportangler ist, besitzt auch eine professionelle Ausrüstung. Und für den Transport dieser Ausrüstung benötigt man wiederum einen Minivan, Jeep, Hummer o.ä. mit einem Spritverbrauch von mindestens 27 l/ 100km. Sie besteht übrigens aus ca. 13 verschiedenen und garantiert sauteuren Profiangeln und einem riesenhaften, caddyähnlichem Handwagen, der sich aufklappen lässt wie ein Werkzeugkasten.
In seiner Mitte entsteht so eine Sitzgelegenheit, während die aufgeklappten Armlehnen alles enthalten was nötig ist: Präzisionswerkzeug, mit dem die Fische erfasst werden können wie seinerzeit irakische Flüchtlingstrecks durch die amerikanische Luftwaffe. Es fehlt lediglich die CNN Berichterstattung während des Angelvergnügens. Man bekommt plötzlich Mitleid mit den armen Fischen, einer sonst wenig sympathischen Gattungen der Tierwelt. Was ist nur aus dem guten alten Klappstuhl geworden?
Offiziell nennt man das Treiben "Angelsport", doch lässt sich kaum ermessen, was denn die eigentliche sportliche Tätigkeit hierbei ist. Angeln gehört sportlich gesehen nicht zu einer ausgeübten Bewegungskultur. Hier zeigt sich seine Verwandtschaft mit den "Sportarten" Schach oder Mikado. Der Blick auf die Körperproportionen der Ausübenden sei an dieser Stelle ein deutlicher Hinweis. Also geht es nur um Sport im Sinne des Wettbewerbs? Wer hat den Größten, wer hat den Längsten? In diesem Sinne lässt sich auch Nasenpopeln zum Sport verklären.
Ich lehne das ab! Sport sollte meiner Meinung nach die Erfassung und das Training der eigenen Leistungsfähigkeit ermöglichen, allerdings nicht im Wettbewerb mit anderen. Sonst ist Sport nichts weiter als ein weiteres Instrument der Körper und Seele krankmachenden Leistungsgesellschaft und des Kapitalismus. Den Leistungssport überwinden heißt schließlich der Vernunft den Vorrang zu geben und dem Urmenschen in uns eine Absage zu erteilen. Doch der Mensch ist längst noch nicht soweit!
Tatsächlich ist es so: Sobald sich z. B. ein paar Leute zum lockeren Kicken auf dem Rasen treffen, ist immer einer dabei, der von der Kreisliga träumt. Dabei kann körperliche Betätigung wirklich Spass machen. Aber eben nur ohne den Leistungsdruck von außen und ohne diese vermaledeite Vereinsmeierei. Vereine zu gründen ist übrigens ein ultra- 'ütsches Unterfangen: Sobald auch nur ein zerknülltes Papier auf der Straße liegt, gründet sich ein Verein zur Bereinigung von Straße und Flur.
Jahaha, aber jetzt wegen des Sports nochmal: Die ehemaligen, kommunistischen Staaten habe doch auch dem Leistungssport gefrönt, und das nicht zu wenig! Wie kommen denn die Antikapitalisten dazu, das angeblich krankmachende Leistungsprinzip im Sport zu kultivieren? Die Antwort ist: Diese Staaten standen im ewigen Wettbewerb zum kapitalistischen Block und haben den Sport zum Zwecke der Distinktion benutzt. Wegen des Angelsports allein ist der Kommunismus allerdings kaum zusammengebrochen.
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