Samstag, 9. Juni 2012

Ich bleibe fremd! EM- induzierte Impressionen!


kriegswichtig: klare Fronten
Es muss ein Fußballspiel stattfinden. Irgendwo. Ach ja: EM. Irgendwer hat gewonnen. Oder einfach nur ein Tor geschossen. Was weiß ich? Ein kollektiver, kleiner Jauchzer schallt durch die Häuserschluchten. Irgendwer freut sich also. Eine kleinere Gruppe Menschen. Wahrscheinlich sind's keine Bundesbürger. Trotzdem wirkt die Freude irgendwie teutonisch: Der Jubel ist kläglich, kurz, abgewürgt. Wie ein kleiner, schlechter Orgasmus, während dessen man sich darüber bewusst wird, dass man seinen Nachbarn stören könnte mit allzuviel Lust. Also verkneift man sich's lieber.

Ersatzweise holt man die extra für den Anlass gekauften Böller, womöglich sind sie noch eingeschweißt, zündet sie an und schmeißt sie mit stumpfem Blick in die Gegend. Ein hohles Ritual nur. Wenn man sich schon nicht mehr über irgendetwas freuen kann, und auch nichts mehr fühlt außer der Verbitterung über ein irgendwie fehl gegangenes Leben, dann muss man der Umwelt seine Existenz mit aller Kraft beweisen: Es knallt, es kracht, und da heult auch eine Rakete in den leeren Himmel. Der Himmel, so leer wie die Seelen der Menschen unter ihm, die alles klaglos hinnehmen, was man ihnen zumutet. Außer Benzinpreiserhöhungen, Ausländerkriminalität und Pleitegriechen, freilich.

Brot und Spiele für eine zu sedierende Bevölkerung. Mehr nicht. In der Nähe Bodrums gibt es ein Ressort, das heißt "Sedative". Das scheint mir ehrlich. Doch hier werden die Menschen ruhig gestellt durch einen völlig imaginären Nationalismus, der ihnen ein Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln soll. Für dieses Land, so geht die Legende, tun wir unser Bestes. Schaut Euch die Spieler an! Rackern sie nicht schwer für Euch? Tut auch ihr Euer Bestes. Vielleicht nicht gerade für Geld. Aber für das Gemeinschaftsgefühl. Und für den Einzelhandel. Das Versprechen des Kapitalismus ist ja auch das Versprechen des uneingeschränkten Konsums. Vergesst das Einkaufen nicht!

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