Dienstag, 5. Juni 2012

Achtung: Gejammere auf hohem Niveau!

Nennen Sie mir drei positive Eigenschaften. Und nun nennen Sie mir eine ihrer negativen Eigenschaften. Wieso bewerben Sie sich ausgerechnet bei unserem Unternehmen? Was erwarten Sie von einem Arbeitgeber? Was können SIE für UNS tun? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Hilfe! So ähnlich lauten die Fragen, die man mir derzeit stellt. Richtig: Wer zwischen den Zeilen lesen kann, der hat bemerkt, dass ich wieder einmal auf Arbeitsuche bin. Es ist kein Spaß: All diese Leute, die sich ihren Fragenkatalog bei diversen Online- Anbietern zusammenstellen. Oder schlimmer noch: Die irgendeinen dieser kreuzdämlichen Kurse zum Thema "Bewerbungsgespräche" mitgemacht haben.

Nicht, dass diese Fragen sämtlich einfallslos seien oder eventuell den Kontext der eigentlich angebotenen Stelle erfassen. Nein! Die Fragesteller sind oft noch absolut farblose Kreaturen. Man kann erahnen, dass sie nur auf ähnliche Weise eingestellt worden sein können, so wie sie dasselbe nun an den offenkundig zahlreichen Bewerber_innen versuchen.

Natürlich muss man lügen. Die Wahrheit ist diesen Leuten zu banal: Kaum jemand kann sich vorstellen, dass man die Arbeit, mit der man betraut werden könnte, eventuell todlangweilig findet. Wäre ich nämlich ehrlich, müsste ich folgendermaßen antworten:
  • Meine drei positiven Eigenschaften sind: Ich habe dreimal mehr auf der Pfanne als Sie. Ich bin allerdings so beherrscht, dass ich nicht augenblicklich aufstehe und gehe. Und ich schaue Ihrem kläglichen Versuch zu, den Personalchef zu spielen, und das ohne mit der Wimper zu zucken. Negativ ist, dass ich diesen Impulsen nicht einfach nachgebe.
  • Ich bewerbe mich bei Ihnen, weil Sie eine Anzeige aufgegeben haben und der angebotene Job mich vielleicht nicht völlig zu Tode langweilt. Doch wenn ich Sie so betrachte...
  • Ich erwarte ein ordentliches Gehalt und die Zusicherung einer beruflichen Perspektive im Unternehmen.
  • Für SIE tue ich schon gar nichts. Ich trete Menschen, die sich voll mit ihrem Unternehmen identifizieren, stets mit Argwohn entgegen. Ich kann generell versprechen, dass sich meine Leistungen an der Höhe des Gehalts orientieren. Viel können Sie also nicht erwarten.
  • In fünf Jahren sehe ich mich wieder auf Arbeitssuche, ggf. bei einem Vollpfosten wie Ihnen. Denn allein die Frage, wo ich mich in fünf Jahren sehe, obwohl Sie mir nur eine befristete Stelle über maximal ein Jahr anbieten (bei mieser Bezahlung), ist impertinent. 
Ich sollte daran arbeiten, in solchen Fällen tatsächlich einfach aufzustehen und zu gehen bzw. darauf hinweisen, wenn mir ein Gespräch zu doof wird. Es fällt mir immer schwerer, Kolleg_innen und Vorgesetzte ernst zu nehmen. Das ist allerdings kaum ein Wunder. Es gibt ohnehin kaum Jobs, die nicht völlig verzichtbar wären. Man sollte im Grunde in das gute alte Handwerk wechseln. Dieser ganze Dienstleistungsscheiß', Verwaltungsdreck und das juristische Gewese kotzt doch nur noch an. Okay, ich hab' ne Sinnkrise. Aber nur, was das Arbeiten betrifft.

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