Mittwoch, 28. März 2012

An [greta+sushi]: Wir sind Gemüse und Grau gewinnt über das Bunte!

kriegswichtig: Fun
Ich bin leicht exzentrisch. Ich bin quasi nicht ganz in meiner Mitte, ich bewege mich etwas außerhalb des Kreises. Bin neben der Spur. In Groß-Britannien galt das bis vor kurzem als notwendiger Habitus, um das enge gesellschaftliche Korsett dortzulande etwas lockern zu können. Ich fürchte, diese Zeiten sind im neoliberalen Zeitalter längst vorbei. In der BRD haben sie nie stattgefunden. Wie auch? Vor der Staatsgründung wurde das Ausscheren aus dem Trott mit Zuchthaus oder Schlimmerem geahndet.

In der BRD stellte z. B. Homosexualität bis in die 80er eine Straftat dar, wenn nicht gar eine psychische Erkrankung. Es folgte Zwangseinweisung in die Psychiatrie. Die DDR verfolgte Punks mit aller gesetzlichen Häme und Härte. Wer in beiden Regimes von kreativer Individualität träumte, dem wurden die Träume ausgetrieben: Der Bürger soll arbeiten. Wer Künstler werden will, soll Kunst studieren und sich hernach kapitalistischer Kunstverwertung (ergo Kunsthandwerk) aussetzen oder untergehen. Wenn's nicht klappt, wenn die Kunst nicht gefällt, kann der Künstler ja immer noch arbeiten gehen. Kunst ist ohnehin nur Spinnerei.

Die BRD hat den zynischen Gedanken ihres rechtlichen Vorgängers verinnerlicht: dass Arbeit frei mache. Unter solchen Aspekten gewinnt die Farbe Grau haushoch über das Bunte. Nicht umsonst hieß eine Zeitschrift so und ließ die Wünsche der Hausfrau nach einem Entkommen aus dem tristen Alltagsleben kurz aufflackern, um sich hinterher der bitteren Realität zu stellen: Das Leben ist kein Blumenstrauß, und keiner entkommt der kapitalistischen Verwertungslogik. Wir werden zum Humankapital erklärt und sind doch nichts weiter als leicht verderbendes Gemüse.

Wir erleben den Neid nach unten! Die Boshaftigkeit der Menschen richtet sich gegen jene, die sozial vermeintlich unter einem stehen und dennoch besser zu leben verstehen. Warum soll Anton H. noch arbeiten gehen, wenn Fritz K. mit ALG II augenscheinlich mehr Geld zur Verfügung hat? Anton H. geht arbeiten, damit er ungeprüft und ungestraft gegen Leute wie Fritz K. hetzen darf.

So gilt in weiten Teilen der BRD der "Ausländer" immer noch als faul, laut und latent kriminell. Er ist mit Misstrauen zu betrachten, da er auch noch "unser" Geld nimmt, um nicht arbeiten zu müssen. Arbeitet er (was "er" in der Regel tut), nimmt er "uns" die Arbeit weg. Die Grundvoraussetzung, anderen das Leben schwer zu machen, ist, ihnen zu zeigen, dass sie es einem gar nicht recht machen können: Was man tut, man tut das Falsche!

Man könnte meinen, dass die Menschen Wege aus ihrem Unglück suchen und etwas an ihrem Leben ändern möchten. Aber das Gegenteil trifft zu: Sie versuchen, andere in ihr Unglück einzubeziehen und deren Leben ihren öden Gesetzmäßigkeiten auszusetzen. Sie sind Gefangene ihrer eigenen Beschränktheit und wollen die farblich reich kolorierte Außenwelt in ihr graues Gefängnis holen. Nicht, um sich daran zu erfreuen. Sie wollen sie vernichten. Weil sie nicht wissen, wie es geht, das Leben. Sie sind unglücklich über das Glück anderer Leute.

Und so, liebe [greta+sushi], ist es zu erklären, dass Menschen ihren Nachbarn hassen, bloß weil er seine Wäsche in der falschen Ecke aufhängt und noch dazu "Ausländer" ist. Natürlich ist es ratsam, solche Menschen möglichst bald alleine mit ihrem Unglück zu lassen. Bis dahin sollte man sich nicht einschüchtern lassen und extra freundlich grüßen, wenn sich die Wege kreuzen. Mit etwas Glück ärgern sich die eigentlich schon Toten darüber. Mit noch mehr Glück steigt ihnen etwas Wärme in die Herzen.

Hier schließt unser kleines Soziallexikon.

2 Kommentare:

mrs.hands hat gesagt…

ich hatte mich bei "zuchthaus" erst gefragt, wohin diese kleine abhandlung führen soll. aber ja, so ist es: anstatt das maul aufzumachen, ärgert sich diese dame lieber tot. welcome to germany. herrn h.'s kommentar dazu (nach einem herzlichen lachen): "da wundert man sich nicht mehr, dass deutschland (ja, wir lieben die verallgemeinerung) zwei weltkriege vom zaun gebrochen hat. stinkig sein gefällt euch am besten." nun ja. ich erwarte deinen kommentar.

holz e. von bald hat gesagt…

Ja, zwei Weltkriege! Und auch "nur" zwei, weil Deutschland nach seiner ersten Staatsgründung 1873 nicht genug Zeit hatte, um noch einen dritten dran zu hängen und weil die Alliierten der BRD nach dem letzten Weltkrieg verboten hatten, noch einmal einen anzuzetteln. Da aber der Gemütsdeutsche unbedingt einen Krieg braucht, um sich im Unglück suhlen zu können, trägt er ihn hinein ins Private und fasst einfache Gesten menschlicher Natur als Kriegserklärung auf. Occupy the Wäschespinne - da versteht der "Deutsche" keinen Spaß!

Jetzt muss ich Google erst beweisen, dass ich kein Robot bin!