Donnerstag, 1. März 2012

Alt und distinguiert ohne Molotow- Cocktail- Affinität! LM und Clubmate als Szenegetränke!

kriegswichtig: kräftige, aromatische Getränke
Ich bin ganz offensichtlich ein Hipster. Ich bin auch ein Gentrifizierer. Ich bin sowieso ein Szenetyp. Unumstößliche Tatsachen, Herrschaften! Ich liebe den Brausedrink Clubmate, der sowohl den Gentrifizierern als auch der autonomen Hausbesetzerszene mit Molotow- Cocktail- Affinität zugerechnet wird.

Da ich jedoch zusätzlich auf Latte Macchiato stehe, gehöre ich eindeutig zu den Gentrifizierern, zu denen wiederum die Hipster gehören, die in Berlin- Neukölln nicht wohlgelitten sind, weil sie sehr häufig vorkommen und drei Euro für einen Latte Macchiato zahlen, weil es schick ist, drei Euro für einen Latte Macchiato zu zahlen. Und weil teuer = gut ist!

Nun, wahrscheinlich bin ich ein Türöffner für Gentrifizierer, weil ich vor zwölf Jahren nach Berlin gezogen bin, als alle noch dachten, in Berlin gäbe es zu viele "Ausländer" und alles sei so schmutzig. Das hat sich wegen mir und anderen Provinzflüchtlingen gründlich geändert. Freilich waren diese damals gemeinten "Ausländer" nicht jene, über die heute viele Berliner jammern. Heute kommen ja auch die "guten Ausländer", also jene, die ihr Geld nach Berlin "mitbringen" statt es dort "abzuholen". Das jedenfalls ist die reine Folklore, deshalb erscheint sie in "Gänsefüßchen".

Ich aber habe den Weg geöffnet für all die Gentrifizierer, die die Mieten in schwindelerregende Höhen haben treiben lassen, weil ich Landei, das ich war, garantiert schon damals zu viel Miete bezahlt habe und damit einen unumkehrbaren Trend eingeläutet habe, der unaufhaltsam Randgruppen noch weiter an den Rand drängt als der Rand überhaupt Kapazitäten hat. Und dann trinke ich auch noch Latte Macchiato und Clubmate. In Berlin! Geht's noch? Es ist zum auswachsen. Ich alte Sau, ich!

Was meine Schuld nicht gerade schmälert, ist die Tatsache, dass ich schon Darmstadt gentrifiziert habe. Denn schon dort, also vor mindestens dreizehn Jahren, habe ich schon am liebsten Latte Macchiato getrunken. Dies zwar nur der Beschaffenheit des Getränkes wegen: Im Gegensatz zum ordinären Milchkaffee, der aus ebenso ordinärem Kaffee gemacht wird, besteht der Latte Macchiato aus Espresso und Milch und schmeckt deshalb würziger. Darmstadt war jedoch schon vor meiner Zeit teuer. An meinem Konsum von LM mag's also nicht gelegen haben.

Clubmate mag ich schlicht und einfach deshalb, weil das Getränk nicht so süß ist wie andere Limonaden. Daher erfrischt es mich besser. Ich habe nun aber keine Lust, dem damaligen Innensenator Körting den Gefallen zu tun, seinem Bild eines Autonomen zu entsprechen. Deswegen sah ich stets davon ab, aus jeder Flasche Clubmate einen Molotow- Cocktail anzufertigen. Es ist quasi nur Körting zu verdanken, dass ich zu den Hipstern zähle, obwohl ich meine Wolllmütze gar nicht wie der Peter- Stuyvesant- Mann kurz über dem Pony trage und keine zu engen Hosen mit Fäkal- Reservoir am Hintern mein Eigen nenne.

Ich finde es allerdings etwas anmaßend, mich allein wegen meiner Trinkgewohnheiten einer Szene zuzuordnen, zumal ich Stofftaschen ästhetisch ablehne. Außerdem kann ich nichts dafür, dass bestimmte Personengruppen meine Lieblingsgetränke okkupiert haben. Aber ich lasse mir nun mal nicht gerne vorschreiben, was ich zu trinken habe und was nicht. Das unterscheidet mich übrigens vom Hipster: Ich trinke und trage etwas, weil ich es mag, und nicht aufgrund eines Modediktats.

Der Hipster findet Dinge cool, weil sie bereits als cool gelten. Er selbst gilt nicht als kreativ und schon gar nicht als beflissen. Der Hipster ist ein Nachahmer, er setzt keine eigenen Akzente. Er ist lediglich ein Abdruck der immer kürzer werdenden modischen Epochen und muss deshalb immer mit der Angst leben, plötzlich nicht mehr up-to-date zu sein. Zu schnell darf er aber auch nicht sein, sonst wäre er ja Avantgarde. Was? Du trägst immer noch Stofftaschen und Pullover mit V-Ausschnitt? Wie? Igitt! Was soll das denn sein, was Du da anhast?

Es beruhigt mich sehr, nicht dazu zu gehören. Allerdings ist es das Haupt- Wesensmerkmal eines jeden Hipsters, sich selbst nicht als Hipster zu bezeichnen. Hipster ist einzig und allein eine Fremdzuweisung. So ein Mist! Würde ich jedoch auf andere Getränke ausweichen, dann wäre ich ebenso fremdbestimmt wie ein Hipster. Was wäre ich dann?

Würde ich auf pappsüße Cola umsteigen, wäre ich ein Imperialist. Tränke ich nun aber Cola-Light oder Zero (was exakt dasselbe ist, nur klingt Zero irgendwie männlicher), dann würde ich als Huppie (Eigenkreation für: health urban professional) gelten. Bionade geht auch nicht. Erstens, weil's gar nicht so sehr bio ist und zweitens, weil man einem Konzern auf den Leim gegangen ist. Drittens schmeckt's sch....

Wenigstens finde ich, dass Becks- Bier zu trinken, zumal während des Fahrrad fahrens, eine ausgemachte Geschmacklosigkeit ist. Und den Shawl (sic!) als rein modisches und nicht halswärmendes Element um den Larynx zu winden ist eine hoffentlich krank machende Sünde. Mittels nichtpassender Hosen auch noch zu unterstreichen, dass man über keinen nennenswerten Hintern verfügt, ist nachlässig und sollte meines Erachtens nach mit Sex- Entzug nicht unter drei Kilo Gewichtszunahme bestraft werden. Bedruckte Stofftaschen geschultert zu tragen, mit oder ohne Einkäufe darinnen, gehört einfach verboten, genau so wie der protzige Kopfhörer als Accessoire.

In diesen Ablehnungen liegt meine Distinktion: Ich bin kein Hipster, kein Gentrifizierer und auch kein Ex- Yuppie: Ich bin einfach nur alt und mag meine Gewohnheiten nicht mehr ändern. Andere sollen gefälligst ihre Gewohnheiten zu meinen Gunsten ändern. Wenn ich schon mit keiner nennenswerten Rente zu rechnen habe, soll die Jugend wenigstens das für mich erledigen. Aaaaaaaaalt! Und an den hohen Mieten sind immer noch die Vermieter schuld. Niemand sonst!

Aaaaaaaaalt!

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