Statistisch gesehen verbringt der Mensch der nordwestlichen Hemisphäre ca. 17 Jahre seines Lebens an Ampeln und anderen Verkehrszeichen. Zeit, in der man das Bruttosozialprodukt steigern und das Land endlich nach vorne bringen könnte. Schon arbeiten Arbeitgeberverbände daran, diesen Zustand endlich zu beseitigen. Immerhin haben sie es bisher hinbekommen, die Zigarettenpause und den Gang zur Toilette von der Netto- Arbeitszeit abzukoppeln.
Das von der EU geförderte Projekt Shared Space soll hier Abhilfe schaffen. Weniger Regeln werden den Verkehrsteilnehmer dazu zwingen, selbst nachzudenken und diesbezüglich vorsichtiger zu agieren - so hoffen es zumindest die Befürworter des Projektes. Das Städtchen Bohmte im Landkreis Osnabrück hat daher angefangen, Verkehrszeichen soweit wie möglich abzubauen. Doch es gibt einen kleinen Nebeneffekt: Nicht nur der Verkehr ist seitdem flüssiger, es gibt zudem auch weniger Verkehrstote.
Nach Expertenmeinung sind es damit viel zu wenige: "Wenn man dieses Problem nicht in den Griff bekommt, steigen die kommunalen Kosten rapide an. Jedes überfahrene Kind in der Vergangenheit war ein Kostenfaktor weniger in der Zukunft. Jedes überlebende Kind belastet nun langfristig die öffentlichen Kassen, und das sogar gleich doppelt!" Unser Sozialsystem setzt in der Tat eine große Zahl von Unfalltoten voraus. Wird diese unterschritten, ist es bald essig mit dem feinen Leben.
Denn jeder nicht getötete Verkehrsteilnehmer wird später womöglich einmal Arbeitslosengeld I oder II empfangen, nur um später Rente abzukassieren. Im günstigsten Falle jedoch nimmt er einem anderen die Arbeit weg und macht diesen damit zum Sozialfall. Wie man immer wieder sehen kann, bergen die pfiffigsten Ideen unkalkulierbare Gefahren. Das ist nicht nur bei der Sache mit dem Biodiesel so gewesen, und deswegen empfehlen Experten auch, sich am besten erst gar nichts mehr einfallen zu lassen. Kommt ja eh nichts dabei raus.
Längst hat die Stadt Mannheim auch hier die Nase vorn: Als leuchtendes Beispiel an Regulierungswut beeindruckt Mannheim nicht nur Anrainer- Städte. Auch in den Metropolen dieser Welt stellt Mannheim das Ideal einer regulierten und wandlungsunfähigen Stadt dar. Sicher muss man auch hier zugeben, dass es dort trotz der vielen Verkehrstoten noch eine relativ hohe Arbeitslosenquote gibt. Doch erstens wäre die ohne den verschwenderisch ungünstig gehaltenen Verkehrsfluss noch viel höher, und zweitens als es ist! Außerdem arbeitet man bereits daran, die natürliche Selektion auf der Straße zu beschleunigen:
"Wir müssen uns überlegen, wie wir unachtsame Verkehrsteilnehmer besser vor Schadenersatzverpflichtungen schützen können. Die ständige Kriminalisierung dieser für unsere Kassen so wertvollen Ressource kann nicht unser Ziel sein. Es kann doch nicht sein, dass beispielsweise die Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen Prämien für eine erfolgreiche Vermittlung eines Arbeitslosen abkassieren, aber ein KFZ- Führer für dessen erfolgreiche Eliminierung abgestraft wird. Wir sind doch hier nicht in der DDR, und mit der Agenda 2010 hat das auch nichts mehr zu tun!" So Heiner G. vom Ausschuss für soziale Selektion in der Stadt Mannheim.
Praktisch umgesetzt wird dies bereits durch eine für Fußgänger enervierende Ampelschaltung, bei der man sich nie sicher sein kann, ob diese nun funktioniert oder nicht. Dies soll dazu verleiten, die Straße auch bei Rot zu überqueren. Fahrradwege münden geschickterweise überraschend in Straßen ein, so dass die Unfallgefahr drastisch erhöht wird. Auch die Verordnung, jeder KFZ- Führer habe sich zur Erhöhung der Fahrunsicherheit ein Mobilfunktelefon ans Ohr zu halten, wirkt wahre Wunder, wenn sich auch nicht jeder daran halten mag. Sorgfältige Kontrollen sollen dies in der Zukunft gewährleisten.
Aber auch in anderen Bereichen setzt die Stadt Mannheim auf bewährte Standards: So soll das kohleverbrennende Großkraftwerk Mannheim (GKM) ausgebaut und um einen Block erweitert werden. Man hat die Zeichen der Zeit erkannt und wehrt sich zum einen gegen die "Klimawandel- Lüge", zum anderen belehrt man das unmündige Gesindel, das sich Bürgerschaft nennt: Wer nämlich keine Atomkraftwerke will, der muss halt Schmutz einatmen. So einfach kann das sein. Und deshalb gilt: Städten wie Mannheim gehört die Zukunft!
Nachtrag vom 29.6.08
Beinahe hätte ich es vergessen, wie konnte ich nur? War das doch der Anlass für diesen bösen, bösen Text: Die an sich gute Idee, nämlich den Cityring für Fahrradfahrer etwas sicherer zu machen, indem man einen Fahrradweg anlegt, wurde leider verworfen. Die anliegenden Gewerbetreibenden fürchten so sehr um ihre Kundenparkplätze, dass sie lieber ein paar Tote in Kauf nehmen als auch nur einen Meter Fahrbahn abzugeben. Für ein paar Dollar mehr ist man eben zu allem bereit. Und mir wirft man Zynismus vor...
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