Freitag, 10. Februar 2012

Ein Besinnungsaufsatz: Besseres für die Mittagspause! Arbeit muss weniger werden!

kriegswichtig: Freiheitsversprechungen
Oft wird mein Blog über das Stichwort "Besinnungsaufsatz" gegoogelt. Da hat wohl ein Deutschlehrer Hausaufgaben aufgegeben, und wissbegierige kleine Schülerlein suchen nun nach Aufsätzen im Internet, die sie liebevoll in ihre Hefte hinein guttenbergisieren können. Ich helfe gerne, wo ich nur kann. Zur Sicherheit sollten KTgorisierer genau prüfen, ob dieser Text der Gattung "Besinnungaufsatz" überhaupt angehört. Das heißt: Man sollte ihn zum Wenigsten gelesen haben, bevor er ausgedruckt wird. Also, liebe Kinder, gebt fein Acht! Ich hab' Euch etwas mitgebracht:

Jede Gelegenheit zur Flucht ist zu ergreifen! Es ist ja auch furchtbar: Man kann nicht einmal zur Mittagszeit in einem Café sitzen, ohne unfreiwilliger Zeuge von Gesprächen über die Arbeit zu werden. Immer und immer wieder langt die Nervensäge am Tisch nebenan mit dem Löffel in die Suppe, schlürft dann appetitlos herum, um hernach wieder über anstehende Arbeitsaufgaben zu referieren. Ihre Begleitung spricht auffällig wenig und beginnt kein Gespräch aus eigener Motivation heraus. Ich habe genug und wandere mit meiner Zeitung und der Tasse Kaffee an einen frei werdenden Tisch aus, um dort zur Ruhe zu kommen. Die Leute am Nachbartisch unterhalten sich über: Richtig! Sie unterhalten sich über: Arbeit!

Haben die Leute nichts Besseres in ihrer Mittagspause zu tun? Können sie nicht einfach entspannen? Wenn sie ihre Pause doch wenigstens noch auf die Arbeitszeit angerechnet bekämen. Aber nicht einmal das. Sie arbeiten am Mittagstisch weiter, natürlich unbezahlt. Und das nur, weil sie mit ihrer Zeit nichts anderes anzufangen wissen, so deformiert von ihrer Arbeit sind sie schon. Und dann belästigen sie unbescholtene Bürgerinnen und Bürger, die ihren Mittag arbeitsfrei begehen und vielleicht einfach nur in Ruhe lesen möchten. Bezahlte Arbeit ist leider allgegenwärtig, obwohl sie doch so grenzenlos öde ist.

Selbst Dinge, die man sonst mit Freude tut, werden öde, sobald man dafür bezahlt wird. Künstlerinnen und Künstler, deren Werke sich verkaufen, wissen ein Lied davon zu singen. Denn Geld zerstört jede Kreativität, jede Sinnlichkeit. Geld macht impotent. Sex zum Beispiel ist schön. Sobald man dafür bezahlen muss, ist er jedoch höchstens triebbedingt notwendig. Doch garantiert ist er nun das Gegenteil von: schön! Warum sollte dann also bezahlte Arbeit schön sein? Sie ist existenzbedingt notwendig. Doch garantiert ist sie nun das Gegenteil von: schön!

Arbeit verliert ihre Unschuld, wie auch der Sex seine Unschuld verliert (nur Katholiken sprechen von Schuld im Zusammenhang mit Sexualität). Arbeit wird erst dann wieder unschuldig sein, sobald sich der Werktätige im Spiegel betrachten kann, ohne sich ernsthafte Gedanken über den Zweck und Sinn seines Daseins machen zu müssen. Erst dann, wenn Arbeit von der Sicherung der Existenz entkoppelt ist, macht Arbeit wieder Sinn. Doch kann etwas, das seine Unschuld längst verloren hat, diese wieder erlangen? Wächst ein Hymen wieder nach? Nur operativ! Folglich müsste man nun doch das verzeihende Element des Katholizismus reanimieren oder wenigstens den Resozialisierungsgedanken des Strafvollzugs, der stets Besserungswille unterstellt, bemühen.

Dies ist nun gerade kein Plädoyer für den anhaltenden Trend, Werktätige mit einem Minimum an materiellem Gut im Tausch für ein Maximum an Wertarbeit abzuspeisen. Es ist dies der Versuch, die existenzielle Absicherung des Individuums von jeglicher Arbeit zu entkoppeln, auf dass sich der Einzelne auf das Wesentliche beschränken möchte und Dinge von hohem gesellschaftlichen oder persönlichen Wert herzustellen in die Lage versetzt würde. Dadurch würde die Zurichtung des Individuums auf die bloße Ausübung eines winzigen Segments zugunsten der Gesamtheit seines Spektrums aufgegeben.

Dies wäre eine Freiheit, über die es sich zu sprechen lohnen würde. Noch dazu gäbe es keine Arbeitslosigkeit mehr, da ein Jeder sich beschäftigen könnte und der Wert einer Arbeit nicht mehr von seiner Bezahlung abhinge. Dem gegenübergestellt seien die Programme der Bundesregierung zur Förderung ehrenamtlicher Arbeit. Es gibt sie also längst: Arbeitskraft, die nicht entlohnt wird und dennoch wertvoll zu sein scheint. Warum aber sollte die Arbeit in einem sog. Ehrenamt, die womöglich den wahren Interessen des Arbeitnemers eher entsprechen als dessen Erwerbsarbeit, nur auf dessen kärgliche Freizeit beschränkt sein? Als eine zusätzliche Leistung des Arbeitnehmers, damit er wenigstens ab und an etwas Sinnvolles leisten kann? Spricht das nicht für die Sinnentleertheit jeder Erwerbstätigkeit?

Auch die Arbeitslosigkeit mit dem Hinweis auf die Belastung der Gesellschaft ist längst obsolet. Erstens leistet sich die Gesellschaft die Arbeitslosigkeit, nicht umgekehrt. Und zweitens: Sobald ich für Geld arbeite, nehme ich einem anderen die Möglichkeit zu einer Erwerbstätigkeit weg. Erst wenn ich die Stelle verlasse, kann er in diese Bresche springen. Was ändert's? Die Zahl der Erwerbslosen bleibt konstant. Um dieses Dilemma zu lösen, muss man ohnehin umdenken. Man muss andere Fragen stellen, z.B.:
  • Wird der Konsum der Menschen künstlich herbeigeführt? Gibt es ein Zuviel an Produkten?
  • Welche Produkte braucht der Mensch tatsächlich? Welche sind im Grunde überflüssig?
  • Welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus?
  • Ist es diesbezüglich sinnreich, dem Gedanken quantitativen Wachstums abzuschwören und ein (wenn überhaupt) qualitatives Wirtschaftswachstum anzustreben? 
  • Ist Wachstum überhaupt noch ein tragfähiger Leitgedanke intra- und supranationaler Wirtschaft?
  • Wie viel Arbeitskraft wäre nötig, um den Erhalt des Notwendigen im Sinne der Menschenwürde (Lebensmittel, Wohnraum, Infrastruktur, Kunst und Kultur etc.) zu garantieren? 
Dies abzuwägen und hernach aus der leichtgängigen Maschine kapitalistischer Verwertungslogik herauszutreten, ist ohnehin längst notwendig, eingedenk sich verknappender Ressourcen und unruhigen (welt-) politischen Klimata. Arbeit muss weniger werden, nicht mehr! Und die Menschen sollten selbst entscheiden, wieviel Arbeit nötig ist. Hier setzt das Versprechen von wahrer Freiheit an. Schaut man sich hingegen noch einmal den arg überstrapazierten Begriff von Freiheit an, dann überkommen einen ohnehin Zweifel:

Welche Freiheit soll das denn sein, wenn die Bürgerinnen und Bürger ihre Zuchtmeister auf demokratischem Wege wählen können? Selbst wenn Freiheit ausschließlich die Freiheit des Konsums bedeuten würde, dann wäre dieses Versprechen nicht im Geringsten erfüllt. Der Gedanke der Freiheit sollte deshalb auf der Emanzipation des Einzelnen der Gesellschaft gegenüber gebaut sein. Die freie und menschenwürdige Entfaltung der Persönlichkeit muss garantiert sein. Wenn dieser Gedanke in einer Demokratie durch den Zwang zur Erwerbstätigkeit unterdrückt wird, dann unterscheidet sie sich nur unwesentlich von klerikalen, wirtschaftlichen oder feudalen Diktaturen.

Und so wird das gesamte Potenzial der Menschen zum alleinigen Nutzen einiger weniger verschleudert. Heute liegt das Geschick der Welt in den Händen von insgesamt 147 Unternehmen (hier...). Jede Gelegenheit zur Flucht ist zu ergreifen!

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