kriegswichtig: Barrikaden |
Wenn ich Sonne will, dann fliege ich in den Urlaub und klage nicht über hiesiges Wetter. Wenn ich pinkeln muss, gehe ich auf's Klo. Wenn ich laut spielen will, gehe ich auf den Spielplatz oder auf mein Zimmer. Alles hat seinen Ort. Und auch seine Zeit: Nachts schlafe ich und mein Bedürfnis nach Toberei hat sich aufgelöst in selige Schlummerträume. Wenn ich des Nachts spielen würde, bekäme ich Ärger mit meinen Eltern. Es sei denn, sie gehören zu der Sorte, welche jede Klage über den Lärmpegel mit einem kräftigen: "Hallo? Das ist ein Kind! Das muss überall und jederzeit toben können, sonst nimmt es psychischen Schaden" quittieren.
Kürzlich habe ich eine Reportage über die erste Miss World 1929(?) gesehen. Sie lebte in Wien und kam aus ärmlichen Verhältnissen. Dort, wie überall, war der Wohnraum sehr beengt, mehrere Leute teilten sich ein Zimmer, so dass die Menschen jede Gelegenheit nutzten, dieser Form familiärer und räumlicher Enge zu entkommen. Sie besuchten schlicht die Cafés ihrer Umgebung und verbrachten dort ihre Freizeit in einer anderen, geselligen und dennoch entspannteren Enge. Daher kommt sie also, die Kaffeehauskultur: Aus dem Bedürfnis nach Ruhe und Erholung vom Alltag, der getrübt war durch den Stress jener Tage.
Ich kenne Eltern, die es genießen in ein Cafè zugehen, und zwar ohne ihre Kinder. Sie wollen einfach mal ihre Ruhe haben und einen Kaffee geniessen, den sie nicht selber zubereiten müssen. Durchatmen wollen sie mal. Leider können sich viele Eltern, die mit ihren Kindern die Cafés bevölkern, gar nicht vorstellen, dass es so etwas überhaupt gibt: Eltern, die ohne ihre Kinder sind und ihre Ruhe haben wollen. Oder kinderlose Erwachsene, die ebenfalls dem Lärm des Alltags entgehen möchten: Autolärm, Deppenlärm, Kirchenglocken, Maschinenlärm, Hundelärm, Betrunkenenlärm, Kinderlärm und dergleichen mehr. Niemand möchte Kinder von Cafés oder gar Restaurants fernhalten. Aber wenn die Eltern ihren Kindern gütigst soziales Verhalten beizubringen gedächten? Dass nicht überall getobt und gelärmt werden muss?
Die neue Elternschaft fördert ihre Kinder unentwegt, vergisst dabei allerdings, ihnen Grenzen aufzuzeigen. Alles darf: überall und jederzeit! Etwas zu verweigern oder zu verbieten bereitet seelischen Schaden. Das Kind könnte weinen! Und dann? Sehen Sie? Wir wollen doch nicht, das ein im Konsumparadies aufwachsendes Kind weinen muss. Wie herzlos sind Sie denn? LehrerInnen und ErzieherInnen tun mir schlicht leid: Sie haben es demgemäß mit egozentrischen, soziopathischen und besserwissenden Kindern zu tun, die gleich mit dem Anwalt der Eltern drohen, wenn sich eine Wolke vor die Sonne schiebt.
In einem Kurzurlaub saß ich mit meiner Freundin am gedeckten Kaffeetisch, als eine Mutter - Typ: ich fühle mich leer und ausgebrannt, komm' lass' uns Kinder haben - mit ihren kleinen Kindern ankam und sich mit ihnen auf die Suche nach einem verloren gegangenen Plastikarmband machte. Sie scheute nicht davor zurück, ihr Problem dem gesamten Personal zu erläutern und es in die Suche einzubeziehen. Selbst wir wurden einbezogen. Lieber hätte ich in Ruhe meinen Kuchen gegessen. Aber damit war's nun essig. Dabei haben mich nicht einmal die Kinder gestört. Die Mutter hätte ich allerdings am liebsten gelyncht. Hat die sonst nichts zu tun?
Oder gehen Sie einmal in einen Biosupermarkt: Dort gibt es auch diese Kindereinkaufswagen und viele bewegte Mamis und Papis mit ihren geförderten Kindern. Es gibt auch super gestresst aussschauende Verkäuferinnen und Kunden, die einfach nur einkaufen möchten. Leider fahren die Kinder mit den Kindereinkaufswagen ein Rennen zwischen den Supermarktregalen. Ihre Eltern unterhalten sich derweil über die Unausweichlichkeit von geschlechtsspezifischem Spielzeug. "Da kann man nicht dagegensteuern, da hilft nichts." Währenddessen fährt mir ein Kindereinkaufswagen voll in die Hacken. Es tut weh, ich schreie kurz auf, doch das Kind sieht in mir nur ein zu vernachlässigendes Hindernis im Parcours. So geht's die ganze Zeit. Und als eines der Kinder sich stößt und laut aufheult, da freue ich mich diebisch. Ätsch! Mutti tröstet das heulende und schluchzende Kind. Die Verkäuferin verdreht nur noch die Augen nach oben.
Die Welt ist längst nicht mehr kinderfeindlich. Sie ist erwachsenenfeindlich. Und das in Zeiten, in denen die Jobs unsicher sind, die Anforderungen an die ArbeitnehmerInnen unverschämt und das Leben sich um Vieles verkompliziert hat im Vergleich zu früheren Tagen. Raum und Zeit zum Nachdenken tut Not. Umso erstaunlicher, wie sich manche Eltern zu den Sklaven ihrer Kinder machen und diese auch ihre nächste Umwelt unterjochen lassen. Wer heute noch fordert, Kinder mögen die Welt regieren, der nimmt Despotie und Willkür in Kauf. Man muss dabei an wohlerzogene Kinder anderer Generationen gedacht haben. Diese Terroristen heutzutage und ihre willfährigen Unterstützer können damit jedenfalls nicht gemeint sein.
4 Kommentare:
und ich bin nun hier um alles besser zu machen. :D
Kinder, deren Eltern Zufall mit Nachnamen heißen und nicht Herr und Frau Zwanghaft-Kinderwunsch, sind meiner Meinung nach besser dran: Sie werden von ihren Eltern nicht auf ein Podest gestellt und stündlich abgefeudelt. In diesem Sinne bin ich voller Hoffnung, dass Du dem alltäglichen Wahnsinn etwas entgegen halten kannst. Grüße
klar, und wenn der zwerg nicht hört, kommt er zusammen mit den katzen in die abstellkammer. erziehung 2012! grüße!
Du Tierquälerin... Katzen zusammen mit einem Baby einsperren. Das meld' ich PETA!
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