Nun ist es bald soweit: Ab 1. Mai (dem Tag der Arbeit - ausgerechnet) bin ich völlig nutzlos für unsere Gesellschaft, ach was, die Weltgesellschaft. Ich leiste dann keinerlei Beitrag zum Wirtschaftswachstum - vorläufig zumindest. Ich ruhe mich auf den Alimenten aus, welche die Gesellschaft für Leute wie mich angehäuft haben.
Früher, da dachten die Menschen noch: Ich habe ja auch schon so und so viele Jahre eine so und so hohe Summe einbezahlt, dann ist nur gut und billig, wenn ich mir das wieder zurückhole und ein bezahltes Sabbatjahr einlege.
So viel anders dachte der Arbeitsmüde damals nicht, wie es der Fleißarbeiter heute tut, wenn er an seine Rente denkt: Ich habe ja so und so viele Jahre eine so und so hohe Summe einbezahlt, dann will ich auch so und soviel wieder heraus bekommen, wenn ich alt bin. Da meckerst ja auch niemand herum und sagt: Das steht Dir nicht zu!
Doch die Zeiten haben sich geändert: Unser Sozialsystem geht nicht nur von einer Lebensleistung (beinahe hätte ich "Restlaufzeit" geschrieben) aus, sondern auch davon, welchen Wert (Gehalt) diese Lebensleistung erzielt hat und dementsprechend Beiträge geleistet hat.
In diesem Sinne bin ich gleich doppelt nutzlos: Ich bin nicht nur ab 1. Mai arbeitsuchend, wie es in Neusprech heißt, sondern habe wegen eines geringen Einkommens auch nur einen geringen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Damit bin ich noch nicht einmal einem konsumistischen Markt von Wert.
Wer bis hierhin gedacht hat, ich sei ein gechasster Politiker oder Bundesbanker, sieht sich hier eines Besseren belehrt: Ich bin anders nutzlos! Immerhin habe ich schon mal selber Geld erwirtschaftet und habe nicht ausschließlich auf Staatskosten gelebt. Irgendwie aber bekommt man es immer so gedreht, als haben die ehemaligen und die bestehenden Politiker und Bundesbanker bislang Wertvolleres geleistet als ich.
Sie schaffen eben Werte, die nicht mit normalen Leistungskriterien messbar sind. Deswegen ist z. B. ein Qualitätsmanagement in Politikkreisen nicht exerzierbar: Dies setzt nämlich eine Zielsetzung voraus, und Evaluation findet intern statt und nicht durch, sagen wir mal, ein Institut aus Allensbach.
In meiner Arbeit gibt es hingegen Qualitätsmanagement. Das nutzt nur auch nichts, da sie durch die jeweilige Politik gesteuert wird. Das bedeutet: Man legt einen Maßstab an zur Messbarkeit der Qualität der Arbeit und lässt sich finanzieren von einem Apparat, der sich jeder qualitativen Instanz entzieht und mal so tut und dann wieder ganz anders. Im Grunde produziert man dann nur noch Papier, damit Leute, die Kwalitet nicht mal buchstabieren können, so tun dürfen als würden sie wissen, was ich zu tun hätte.
Das ist unendlich blöd nämlich! Da kann man doch nur Konsequenzen für sich ziehen und sagen: Ich stehe Ihnen nicht mehr zur Verfügung! Denn das ist ein qualitativ messbarer Schritt: Das Ziel der freiwilligen Kündigung ist eine qualitative Verbesserung mentaler Zustände unter Inkaufnahme einer Verschlechterung des materiellen Zustands. Die Evaluation findet ab sofort statt.
Ich kann jetzt schon sagen: Mir geht es schon viel besser, danke. Seit langem fühle ich mich in so einem liberalen Sinne frei(gestellt). Ich war schon lange nicht mehr so fröhlich und locker als in dem Moment, als ich meine Kündigung abgegeben hatte. Ich habe sogar gepfiffen auf dem Nachhauseweg. Wer pfeift heutzutage noch? Nur Irre und Glückliche!
Ich bin ab jetzt also völlig nutzlos für eine auf materielle Werte ausgerichtete Gesellschaft. Ich bin jedoch auch kein Nutztier, dem Jedermann ein Geschirr umspannen und es über den Acker treiben kann auf das es tiefe Furchen grabe. Eine Gesellschaft, die nur auf diese materielle Wertschöpfung ausgerichtet ist, die umgekehrt keinen ideellen Mehrwert zu kennen scheint und in jedem Menschen nur eine verwertbare Arbeitskraft sieht, ist kalt und grau.
Nun könnte man es so sehen, dass ich durch meinen Weggang einen Arbeitsplatz freigegeben habe, den nun ein ehemaliger Arbeitsuchender, vielleicht sogar gerne, besetzen kann. In quantitativer Hinsicht hat sich also gar nichts verändert. Einer macht nun eine Pause, ein anderer kann seine Pause beenden. Im Grunde habe ich sogar mitgeholfen, einen erstarrten Arbeitsmarkt zirkulieren zu lassen.
Ich bin ein Held der Arbeit! Ich bin wie der Regenwurm, der den Acker durchlüftet, damit dieser fruchtbar bleibt. Ich bin systemimmanent. Diesen Job tue ich gerne. Immer wieder! Nicht, das hier jemand auf die Idee kommt, ich hätte nichts mehr zu tun und würde nur herumlungern. So von wegen: auf dem Bierkasten sitzen und Fern gucken. Ich habe gar keinen Fernseher. Und lieber trinke ich einen guten Wein.
Ich habe jedoch viele bislang ungelesene Bücher im Regal. Ich habe schönes Wetter derzeit. Ich habe viel Zeit und Muse. Ich habe eine wundervolle Frau an meiner Seite und Freunde. Da sind noch unbepinselte Leinwände und viele leere Seiten zu füllen. Mehrere Gigabyte Speicherplatz warten darauf, endlich mit eigener Musik bespielt zu werden. Und dann gibt es noch diese Idee mit dem neuen Blog.
Wann bitte soll ich bei so einem ausgefüllten Tag noch zur Arbeit gehen? Ich bin zwar sowas von nutzlos, und doch fühle ich mich sehr gut dabei. Wie kann denn sowas sein? Das man glücklich ist, indem man tut, was einem Freude bereitet? Indem man hinter sich lässt, was unglücklich macht? Das sind die Auswirkungen spätrömischer Dekadenz! Die grauen Damen und Herren werden dies zu beenden wissen. Bis dahin werde ich es genießen! Bis dahin bin ich unendlich reich!
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