Wo ich doch Augenzeuge eines glanzvollen Auftritts der CGIL (Confederazione Generale Italia del Lavoro), DER sozialistisch/ nationalen Arbeitergewerkschaft Italiens, werden durfte. Und das in Tortoli, der Hauptstadt der Provinz Ogliastra. Wow! Am Liebsten hätte ich mich dazugestellt, doch dann wäre mein Cafe Americano kalt geworden. Außerdem bin ich der italienischen Sprache nicht mächtig, der sardischen Ausprägung sowieso nicht.
Trotzdem kein Grund, abseits zu stehen. Ich hatte einige Tage zuvor, in Caghliari, einem indischen Rosenverkäufer teils aus Mitleid, teils aus einer Notwendigkeit heraus, ein Feuerzeug abgekauft und mich danach der unerfreulichen Aussicht hingegeben, besagtes Feuerzeug sei ein Merchandise-Artikel eines lokalen Ableger der ultrarechten Partei Forza Italia: Forza Roma. Das es sich dabei um einen römischen Fußballclub und nicht unbedingt um eine Nazipartei handelt, ist mir tatsächlich erst eben klar geworden, so dass jetzt meine geplante Glosse leidlich baden geht.
Denn ich stellte mir vor, mit diesem Feuerzeug in der Hand eine Rede als vermeintlicher Genosse aus dem bundesdeutschen Ausland zu halten, in Verkennung der Tatsache, dass es sich um eine Versammlung sozialistischer, wenn auch nationaler Gewerkschafter handelt, bei der ich ganz tolle Phrasen in gebrochenem Englisch dreschen würde und dann zum Zeichen der Solidarität das Forza-Roma-Feuerzeug in die Luft hielte und es entzünde. Zuerst hätte man mich noch beklatscht, doch am Ende wohl eher gelyncht (obwohl die Sarden wirklich kaum Englisch können).
Die kurze Rede habe ich mir noch am Platz aufgeschrieben, und Sie ging so:
Ich trete, nach einer kurzen, einleitenden Ansprache des Genossen Vorsitzenden, auf die Bühne, das Mikrofon pfeift, während ich die Höhe verstelle - nach oben, versteht sich. Verhaltener Applaus, dann Totenstille. Ich spreche ein deutlich teutonisch klingendes Englisch, mit rollendem R und dem bekannten Tonfall, der das englische Wort "eyes" wie "ice" klingen lässt.
Dear Compagnas, dear Compagnos,
I'm happy to have the chance to talk to my Italian friends. We're all friends, Krauts and you guys, I'd like to call you Spaghettifresser, if it is okay.
But let us look into a future, were all of european streets will be painted in black, red and golden colours. I have a dream: All houses will be owned by the tennants and the schools of all countries will teach free love. Everyone should have children with each others, and it should be our duty to practice homosexual love.
We're really brothers in arms, if this is the right term. I mean the extremities of our bodies. Not the brothers, the arms, you know?
Anyhow: Our police should give out money all the time for we are not tempted to steal some. That's real crime prevention, dear compagnas and compagnos.
I want to stop talking now by demanding you on this: Let's all practice hardcore sex right on this place. El viva socialiste, el viva fasciste! Stay connected. Thank you very much!Ich trete vom Mikrofon, fordere die ZuhörerInnen mit einem Griff an die Genitalien und einem provokanten Hüftschwung noch einmal zur sofortigen, freien Liebe auf. Erstes Hüsteln ist hörbar. Gemurmel und kleiner Unterhaltungen. Plötzlich ein Ruf auf italienisch. Klingt aggressiv. Anschwellende Empörung. Ein Pulk Menschen rückt auf zur Bühne. Ich bin wohl zu weit gegangen.
Aber am Ende ist es doch nicht die nationalistische Brandrede geworden wie eigentlich geplant. Macht aber nichts, und am Ende war ich froh, die Rede doch nicht gehalten zu haben. Manchmal hat Feigheit ja auch was Gutes! Fragt mich nicht, warum ich auf sowas komme...
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