Freitag, 4. Februar 2011

Let's kill the Landlord! Jetzt gibt es aber Schelte!

Wer eben noch jungen Leuten erklärt hat, warum die Bundesrepublik Deutschland kein Polizeistaat ist, sich aber einiger polizeistaatlicher Fragmente bedient, wird am 2.2.2011 in Friedrichshain beinahe eines Besseren belehrt. Das Bedrohungspotenzial durch die anwesenden, ca. 1500 Einsatzkräfte zählenden Polizisten, ist überdeutlich, wohingegen ich keinerlei Furcht vor den "Randalierern" hatte, auch wenn sage und schreibe fünf Molotow-Cocktails gebastelt wurden, während ich an potenziellen Molotow-Cocktail-Werfern vorbei lief.

Gut, ich habe überlebt und viele andere auch. Laut BZ-Dauerberieselung in der U-Bahn entstand am Tage und in der Nacht ein Sachschaden von ca. 1 Mio. Euro. Ich finde, das ist wenig. Immerhin wurde das letzte Hausprojekt aus ehemaligen Hausbesetzern in Berlin zwangsgeräumt, unter Einsatz von 250 Polizisten und einem Vollstrecker, und zwar über das Dach des Hauses in der Liebigstraße. Der Eigentümer hat die Zwangsräumung durchgesetzt, nachdem die Bewohner, welche über einen Rahmenmietvertrag verfügten, gegen den Rauswurf geklagt und verloren hatten.

Nun steht ja zu befürchten, dass mit dem Haus ähnliches geschieht wie mit dem Haus in der Brunnenstraße in Mitte, das Ende 2009 geräumt wurde, nämlich: gar nichts! Es steht nach wie vor leer. Wo es vorher kulturelle Projekte gegeben hatte, gibt es nun gar nichts mehr. Wo vorher ehemalige HausbesetzerInnen die  Bausubstanz durch Bewohnung und Renovierung erhalten haben, verkommt nun ein Haus in Toplage - zum Wohle von wem eigentlich?

Natürlich wurde den Bewohnern des Hausprojekts in der Liebigstraße ein Objekt in Weißensee angeboten. Aber solch ein Projekt gedeiht eben nur in einer kulturell offenen Gegend und nicht am Stadtrand mit Naziüberschuss und einer rechtskonservativen Bevölkerung, die sich nicht zwischen Hitler und Honecker entscheiden mag und sich ihr Weltbild aus beiden Topoi zusammenbastelt. Real existierender Nationalsozialismus nennen's die Einen, die anderen nennen es: großer brauner Haufen!

Wer will nach Weißensee? Wie soll dort Kulturarbeit und Kulturschaffen aussehen? Bietet man dann Kurse zur Reintegration von Nazis inklusive akzeptierender Jugendarbeit an? Welches Umfeld soll denn bitte ein linkes Projekt in Weißensee bespaßen? Kein Wunder, dass man dieses Angebot der Eigentümer und der Stadt abgelehnt hat.

Nun wundert man sich auch noch, dass dieses bestens vernetzte Hausprojekt es schafft, haufenweise Sympathisanten auf die Straße zu bekommen. Mit der richtigen Anzahl Polizeibeamter ist der Krawall vorbestimmt. Natürlich gehen da Schaufensterscheiben zu Bruch und Autos werden beschädigt. Man könnte aber auch einmal das Positive am sogenannten "linken Terror" sehen. Erstens machte der Kaisers an der Warschauer Straße höchstwahrscheinlich einen riesen Umsatz durch Verkauf von Alkoholika, Zigaretten und Brandbeschleunigern.

Und zweitens werden ja dauernd irgendwelche Leute von (Neu-)Eigentümern auf die Straße gesetzt, die den Hals nicht voll genug bekommen können. Doch die wehren sich - wenn überhaupt - ausschließlich auf gerichtlichem Weg. Nun packen es ein paar Menschen, mobil zu machen gegen die gerichtlich durchgesetzte Räumung und damit ein Fanal zu setzen, indem sie ihre Wut gegen einen Staat richten, der das Eigentum höher schätzt als den Menschen, der ganz den Interessen des Kapitals dient und dieses als außerordentlich schützenswert erachtet.

Ein Staat, der den stabilisierenden Wert subkultureller Einheiten innerhalb des kapitalistischen Wertesystems völlig verkennt und mit Gewinnmaximierung nur die Vermehrung von Geld meint, nicht aber die Vermehrung von Kultur, ist per se verachtenswert. Und wer nur die Interessen weniger durchsetzt und schützt, aber nicht den im Grundgesetz verankerten Grundsatz, wer da Eigentum hat, der sei der Gesellschaft verpflichtet - was ja nichts anderes bedeutet als: denk' nicht nur an Dich, Drecksack, sondern an das Gemeinwohl - muss sich kaum wundern, wenn "Chaoten" die Straßen stürmen.

Und die Springer-Presse, die ja sonst immer so tut, als stünde sie auf der Seite des "kleinen Mannes" und schon mal gegen besitzstandsmindernde Maßnahmen der Regierung wettert, positioniert sich selbstverständlich wieder auf der Seite des Kapitals. Klar: Der Sabberreflex wird durch die Glöckchen "links" und "Autonom" ausgelöst. Dass so viele Menschen sich die Erzeugnisse dieses Verlags kaufen, spricht für eine grundsätzliche Dämlichkeit einer Gesellschaft, für die "Bildung" ein Fremdwort und "Herzensgüte" ein unerlaubter Zusammenschluss zweier Hauptworte ist.

Mein Mitleid mit Hausbesitzern hält sich in Grenzen. Vor allen Dingen, wenn sie ein Objekt kaufen, in dem ein alternatives Projekt beheimatet ist und regulär Miete abführt. Aber es wird ja alles zugunsten des Besitzers entschieden. Schön wäre es allemal, wenn konzentrierte Polizeigewalt einen renitenten Eigentümer zwangsenteignet. Das wird wohl niemals passieren, solange die Gesetzeslage das Eigentum mehr schützt als die Nutzer.

Doch denken wir mal quer - nur für einen Moment: Der bildungsgrüne Teil der Gesellschaft kritisiert und verurteilt zwar zum Beispiel die Absicht des Nestlè- Konzerns, natürliche Ressourcen wie Wasser zu privatisieren und gewinnbringend zu veräußern, denkt sich aber nichts dabei, wenn so natürliche Ressourcen wie Grund und Boden bereits privatisiert sind. Es lohnt sich darüber nachzudenken, ob und wie Land wieder in den Besitz aller Menschen gelangen kann.

Und folgerichtig wäre zu klären, ob Miete zu zahlen tatsächlich so natürlich ist, wie immer behauptet wird. Die Geschichte lehrt uns: Landbesitz ist immer mit räuberischer Landnahme verbunden. Aus Räubern wurden damit Souveräne, die das Bedürfnis der Menschen nach Seßhaftigkeit ausbeuteten. Daran hat sich bis heute im Grunde nichts mehr geändert. Bezeichnend allein ist die Tatsache, dass der Vermieter im Englischen "Landlord" heißt. Wo bleibt denn da bitte die Revolution? Und wo ist die Schelte?

P.S. Übrigens bin ich gespannt, ob die Sympathiebekundungen für den revolutionären Auftrieb in den nordafrikanischen Staaten dann enden, wenn bemerkt wird, dass sich dies auf den Ölpreis auswirken wird. Ich sehe schon den gemeinen Autofahrer, wie er an der Zapfsäule steht und den Fernsehjournalisten was über die "rücksichtslosen Moslems" vorjammmert, weil er seine technische Schwanzverlängerung wegen dem arbeitsscheuen Pack angeblich nicht mehr vollgetankt bekommt.

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