Es gibt alte Männer, die können's einfach nicht mehr. Interessieren eigentlich noch Auftritte von PIL respektive Sex Pistols? Will man wirklich noch die Buzzcocks auf der Bühne sehen? Oder NoFX oder oder?
Bei Wire verhält sich das anders: Zum einen hat sich die Band vor sechs Jahren zum dritten Mal neu erfunden. Zum anderen sind die mittlerweile nur noch drei Bandmitglieder mit ihren eigenen Projekten in Kunst und Musik unterwegs. Das hält offenbar wach, jung und fit und bewahrt auch davor, in überholten Posen zu verharren und das Publikum mit einem Backkatalog zu vergraulen. Diese erarbeitete Stilsicherheit schützt zudem davor, so wie die Kollegen von Gang of Four in Nu-Metal-Gefilde abzudriften.
State of the Art ist eine deutliche und unpeinliche, weil wire-adäquate, Verschiebung hin zum Poppunk mit gelegentlichen Ausbrechern in das, was man früher wohl Artpunk nannte. Dieser Trend zeichnete sich ja schon beim vorletzten Album ab. Gelegentlich nimmt man sich auch Anleihen aus der Ideal-Copy/ A-Bell-is-a-Cup-Phase. Nach wie vor weigert sich die Band, auf (mehrfachen) Zuruf Klassiker wie 12XU (oder wie ein Bierpunk kreischte: IXO2) zu spielen und spielt aus Trotz, Verschmitzt- und Gehässigkeit einfach das langsamste Stück von der aktuellen Platte.
Das alles kommt live überraschend gut rüber: Klar sind die drei Herren gesetzteren Alters (in Begleitung eines sehr jungen zweiten Gitarristen) keine Bühnenakrobatiker (und wahrscheinlich auch nie gewesen), dabei springt nach ca. 20 Minuten leicht dröger Darbietung jedoch tatsächlich pure Energie auf das Publikum über und hält sich bis zum Ende nach zwei ausgedehnten Zugaben. Und das, obwohl Colin Newman mit seiner Lesebrille mittlerweile ausschaut wie ein arrivierter Architekt, Graham Lewis wie ein bissbereiter Pittbull schaut und man sich bei dem hageren Robert Grey nicht ganz sicher sein kann, ob er nicht gleich vor Erschöpfung über seinem Schlagzeug zusammensackt (ist er nicht!).
Vor einigen Jahren spielten Wire im Maria am Ostbahnhof ein enttäuschendes Konzert mit einer Nettospielzeit von 30 Minuten inklusive Zugabe. Sie spulten dort irgendwelche Songs (lustlos improvisiert?) herunter, um dann zu verschwinden und erst nach 20 Minuten Publikumsgeheul noch einen Song (lieblos improvisiert?) zum Besten zu geben. Von dieser Lustlosigkeit war gestern Abend nichts zu spüren. Klar war es eine geschickte Mischung aus lupenreinen Popsongs à la Wire, Avantgarde (=Lärm) und aggressiven Punkrock. Nimmt man den Herren aber gut und gerne ab. Die können's dann doch noch!
P.S. Was soll eigentlich die Unsitte, Konzerte schon so früh um 19:30Uhr beginnen zu lassen (und nicht wie auf Homepage und Karte behauptet um 20Uhr)? Den Support "Weekend" hätte ich wirklich gerne gesehen. Nichts dagegen, wenn pünktlich angefangen wird. Wer wartet schon gerne stundenlang auf Bands. Aber jetzt fühle ich mich geprellt vom Veranstalter...
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