Ich leide zur Zeit sehr mit: Meine liebe Frau C. hat nach einem halben Jahr eine Arbeit gefunden, und nun ist sie wieder 40 Stunden lang in der Woche fern von mir. Nicht, dass ich alleine nicht zurecht käme. Doch irgendwie stellt sich dabei das Gefühl ein, etwas sei nicht so ganz in Ordnung. Nun ist es ja ganz normal, dass Menschen 40 Stunden in der Woche arbeiten, doch deswegen muss das ja noch lange nicht in Ordnung sein.
Ich finde, man darf ruhig mal das Pferd von hinten aufzäumen und die Dinge auf den Kopf stellen. Aus alten Denkmustern auszubrechen hat sich bislang immer gelohnt. Warum nicht einmal den Sinn der Arbeit in Frage stellen? Wer allzu Offensichtliches niemals hinterfragt, ist arm dran. Es ist ja egal, zu welchem Schluss man dabei kommt. Wobei: Vor Jahrhunderten aufgestellte Regeln haben heute nur in den seltensten Fällen noch eine Gültigkeit.
So sieht es also aus im Ameisenstaat: Stets gilt es, sich für den nächsten Tag auf Arbeit fit zu halten, sich seelisch darauf vorzubereiten: Gymnastik am Abend. Bildung nur, wenn sie der Karriere nützt. Früh zu Bett gehen, gesund leben, Joghurt ohne Fett essen etc. Wo, liebe Leute, bleibt da der Genuss? Und warum fällt es den ArbeitnehmerInnen so schwer, sich während der Arbeitszeit auf das bisschen Freizeit vorzubereiten und Arbeit als das zu sehen was sie ist: Sie sichert uns schlicht den Lebensunterhalt, mehr nicht!
Arbeit dient nicht dazu, uns besser zu fühlen, sonst wären die Praxen der Therapeuten nicht überfüllt. Tatsächlich häufen sich im Bekanntenkreis die Fälle psychischen Bankrotts aufgrund Arbeitsüberlastung. Man lernt in der Schule eben nicht, seine Kräfte einzuschätzen und zu schreien, wenn es wehtut. Lieber erst krank werden, und dann die Schlüsse daraus ziehen. Doch wäre es nicht besser, in einem Akt der Gesundheitsvorsorge den Job vorher zu kündigen? Leider würde dies negativ sanktioniert werden. Stichwort: Sperrung des Arbeitslosengelds wegen einer Kündigung ohne Not.
Es zeigt sich, dass viele ArbeitnehmerInnen ihrem Arbeitgeber gegenüber viel loyaler sind als umgekehrt. Die Angst vor Job- und Distinktionsverlust lässt viele Menschen dauerhaft über ihre Grenzen gehen. Auch haben sich die Arbeitsverhältnisse längst geändert: Noch vor wenigen Jahren gab es unbefristete Arbeitsverträge. Ältere ArbeitnehmerInnen konnten sich etwas zurücklehnen, der Druck lastete auf den jüngeren. Das war gesund, denn 30 Jahre Arbeitszeit hinterlässt Spuren und Zeichen, auf die man hören und sich daraufhin etwas zurücknehmen sollte.
Die befristeten Verträge heutzutage führen dazu, dass jung und alt permanent einem gewaltigen Druck ausgesetzt sind. Man gibt sich mit weniger zufrieden und ist bereit, mehr zu leisten. Und mit jedem neuen Arbeitsvertrag fängt man wieder ganz von vorne an, Aufstiegsmöglichkeiten sind so kaum vorhanden. Solche Verhältnisse können auf Dauer nicht gesund sein. Der Staat (das sind übrigens wir alle) indes zahlt doppelt: Er stockt Gehälter auf und bezahlt die therapeutische Behandlung. Beides sollte jedoch der Verursacher zahlen, ganz nach dem Verschuldungsprinzip.
Man weiß inzwischen, das Zigaretten und Alkohol, ja sogar übermäßiger Lebensmittelgenuss, krank machen kann. Daher versucht man alles, um die Bevölkerung davon abzuhalten. Wenn jedoch Arbeit beginnt, krank zu machen, kommt keiner auf die Idee, sie zu verbieten. Ganz im Gegenteil. Jedem vernünftig denkenden Menschen ist längst klar, dass kranke Menschen Staat und Arbeitgeber mehr kosten als gesunde. Doch wenn es um Arbeit gehen, ist man blind und taub.
Stattdessen beharrt man auf verlängerten Lebensarbeitszeiten und auf der 40-Stunden-Woche. Als könne ein Mensch tatsächlich acht Stunden am Tag effizient arbeiten ohne sein Rückgrat dabei zu verlieren. Gleichzeitig vergönnt man ihm jede Ablenkung oder Rekreation während der Arbeitszeiten. Moderne Arbeitgeber haben längst erkannt, dass der Mensch am effizientesten arbeitet, wenn ihm Möglichkeiten zur Muse und zu sozialen Kontakten eingeräumt werden.
Doch der Großteil der Arbeitsverhältnisse wird aus dem Blickwinkel der protestantischen Ethik betrachtet: "Arbeite zu Gottes gefallen, und er wird Dich möglicherweise im Jenseits belohnen. Damit zu rechnen wäre allerdings Sünde!" Wahrscheinlich aber fährt man besser mit Paul Lafargues "Recht auf Faulheit". Die Welt drehte sich dann vielleicht etwas langsamer, doch den Menschen täte es gut. Möglicherweise würde dann jemand ausrufen: "Wer arbeiten kann, der kann auch feiern!" Und alle anderen lassen ihre Griffel sinken und juchzen froh...
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