Mittwoch, 16. Juli 2008

Blut, Schweiß und Eishockey! Und ganz viel Leid!

Mein Dienststellenleiter während meiner Zivildienstzeit als Rettungssanitäter war ein richtiges Arschloch. Richtiges Arschloch meint, dass er sich bewusst darüber war und er es auch in vollen Zügen genoss. Er strietzte seine Zivis so, dass sie sich beinahe so vorkamen, als wären sie doch beim Bund gelandet. Am liebsten aber erzählte er von seiner Zeit als Amateur-Handballer: Er war der Meinung, dass in jedem Spiel mehrere Knochen gebrochen werden müssten. Und falls dies nicht passiert, dann könne man das ja jederzeit nach dem Spiel nachholen. So einer war das nämlich!

Später lud mich mein eishockeybegeisterter Freund RonJustice zu einem Spiel der Mannheimer Adler ein. Dabei lernte ich, dass ein Bodycheck nichts mit den Kontrolluntersuchungen des menschlichen Körpers an Flughäfen zu tun hat. Das Spiel war ein einziger Akt der Gewalt, und so beschloss ich, meine Studien am Publikum fortzuführen. Ich wandte mich also um, und was ich sah, oh liebe FreundInnen des gepflegten Kätzchenstreichelns, war mindestens genauso erschreckend wie das Spiel selber. Schwer traumatisiert habe ich seitdem nie wieder einem Sportereignis beigewohnt - es sei denn, man zählt Boule mit.

Als ich kürzlich mal wieder so am Neckar entlangschlenderte, sprang mich ein Plakat der Firma "Mannheimer Adler" an. Es gebe in einer Saison soundsoviel Leid und soundsoviele Strafminuten. Um sich das nicht entgehen zu lassen, solle man sich doch bitte eine Saisonkarte für teuer Geld kaufen. Man wirbt hier ganz offensichtlich mit Gewalt, ohne die man kein Publikum mehr aktivieren kann. Um es mit Mrs. Lovejoy von den Simpsons zu sagen: "Denkt hier irgendwer auch mal an die Kinder?"

Das ist nämlich genau so, als würden zum Beispiel die Münchner Verkehrsbetriebe mit dem Spruch "Hier werden Sie verdroschen" Werbung machen. Gewalt ist ja sowieso schon Kult, gerade Kinder und Jugendliche können sich daran nicht satt sehen. Und manchen kindgebliebenen Erwachsenen geht das ähnlich. Dass jetzt aber auch noch Wirtschaftsunternehmen Werbung damit machen, geht etwas zu weit. Irgendwo muss man ja auch mal Verantwortung zeigen und gewaltfreie Akzente setzen.

Dass Eishockey ein Rempelsport ist, ist bekannt. Das gehört wohl so. Aber schon alleine die Tatsache, dass es so etwas wie Strafminuten gibt, setzt voraus, dass einzelne Handlungen während des Spiels offensichtlich nicht korrekt sind. Wenn aber gerade inkorrektes Handeln positiv sanktioniert wird, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn dieses nachgeahmt wird. Der Nachwuchs orientiert sich nämlich viel mehr an den Erwachsenen als uns lieb sein kann. Alles asoziale Verhalten hat er sich vorher am ausgewachsenen Exemplar der Gattung Mensch abgeschaut.

Soviel zur täglichen Spaßverderberei. Jetzt geht es um Alternativen zur Notwendigkeit katharsischer Momente im Leben von Menschen. Wer gewalttätigen Sport nicht leiden mag, aber trotzdem leidende und zugerichtete Menschen sehen will, der muss nur mal morgens um sieben Uhr mit der Straßenbahn fahren. Das dort Erblickte reicht dann wieder für die nächsten Monate.

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