Erinnert sich eigentlich noch jemand an die Zeit, bevor Mobilfunktelefone die Herrschaft über unser Leben übernommen haben? Heute ist es doch kaum mehr denkbar, ohne ein ordentliches Handy auszukommen. Ich erinnere mich nur daran, weil ich heute einen Film aus dem Jahr 1990 gesehen habe, in dem sich die Leute zum Telefonieren verabredeten.
Damals hat man sich tatsächlich noch persönlich getroffen, und wenn man miteinander nochmal telefonieren wollte, hat man extra einen Termin dafür ausgemacht: "Also bei mir geht es donnerstag Abend und freitag Vormittag gar nicht, aber sonst jederzeit! Außerdem habe ich ja einen AB!"
Mit dem Handy ist man aber für jedermann jederzeit erreichbar, kann zur Freude unseres Innenministers Dr. Seltsam durch GPS überall geortet werden und zur Not direkt von ferngelenkten Missiles angesteuert werden. Und sogar unser lieber Arbeitgeber forscht uns nach unserer Mobilfunknummer aus. Denn man weiss ja nie, ob es nicht irgendwann mal dringend sein könnte!
In Staatsanwaltkreisen handelt es sich neuerdings sogar um ein "konspiratives Treffen", wenn man sein Handy mal nicht dabei hat und sich mit Menschen trifft, die dummerweise unter Beobachtung durch den Staatsschutz stehen (hier...). Aber nun zu den angenehm praktischen Aspekten der Mobilfunktelefonie:
Freunde könnten uns ohne Handy nicht mehr mitteilen, dass sie ihren Aufenthaltsort spontan gewechselt haben oder wegen eines wichtigen Termins gar nicht kommen können: "Ich melde mich später nochmal, muss jetzt aber... also dann!" Beliebt ist auch: "Es wird ungefähr 5 Minuten später..."
Wichtigster Inhalt mobil geführter Gespräche ist laut meiner eigenen Statistik: "Wo bist Du gerade?", dicht gefolgt von: "Welchen Weichspüler meintest Du soll ich mitbringen?" Oder aber man begnügt sich gleich mit der Versendung digitaler Textfragmente, die aufgrund ihres dürftigen Inhalt dennoch telefonisch erörtert werden müssen. Man versuche mal einen Termin durch "simsen" zu vereinbaren. Ich drehe da regelmäßig durch!
Seit Jahren beobachte ich die mentale Abgeschiedenheit meiner Mitmenschen, die verträumt auf der Tastatur ihres Mobilfunktelefons herumhacken oder einfach nur darauf starren. Andere ohne jetztzeitigen Funkkontakt suchen nach dem richtigen Klingelton oder sie spielen lustige Spiele. Sie sind verloren für das direkte Gespräch. Irgendwo habe ich aufgeschnappt, dass manche Frauen gerne so tun als telefonierten sie, damit sie in der U-Bahn nicht angesprochen werden. Verdammte Dinger... (die Handies, nicht die Frauen).
Okay, okay, ich habe auch so ein Ding: Modell Vorkriegszeit mit ausfahrbarer Antenne, so wie man es von den alten Filmen kennt, wenn der General Soundso letzte Befehle in sein babygroßes Feldfunkgerät hinein brüllt. Man kann damit aber auch "simsen", was aber aufgrund motorischer Ungeübtheit meinerseits viel länger dauert, als einen Brief zu schreiben und ihn mit der Post zu verschicken.
Ich weigerte mich jedoch lange, mir ein Handy anzuschaffen: Zu groß die Kosten der Vertragsbindung, zu groß die Kosten der Minuten im Prepaid- Tarif. Irgendwann aber, ich war des öfteren unterwegs für eine Theatergruppe, musste ich mir doch so ein Ding anschaffen. Es war die Zeit, als die öffentlichen Telefone nur noch nackte Säulen im Lärm sein sollten und die Münzschlitze zu Kartenlesegeräten wurden.
Praktisch über Nacht begannen Freunde und Bekannte, mir kurzfristig abzusagen, wo sie sich vorher noch wegen meiner Unerreichbarkeit große Schande eingehandelt hätten, wären sie nicht gekommen. Auch der spontane Ortswechsel wurde vollzogen, wo vorher noch geduldig auf mich gewartet werden musste, weil "der arme Hund doch kein Handy hat!"
Jetzt heißt es nur noch: "Ach Du bist schon in München? Tut mir leid, wir sind gerade unterwegs nach Rostock! Da ist noch 'ne andere Party, München war so öd! Komm doch nach, wird bestimmt lustig!" Wobei man hoffentlich auch heute noch in München auf mich warten würde, weil "der arme Hund doch kein Auto hat!"
Kann sich eigentlich jemand an die Zeit erinnern, als noch nicht jeder ein Auto hatte? Heute ist es kaum mehr denkbar, ohne ein Auto sein Leben fristen zu müssen. Selbst Arbeitgeber verlangen seit einiger Zeit von ihren Angestellten, einen eigenen PKW zu haben, weil man ja nie weiß, ob es nicht irgendwann mal dringend sein könnte. So weit kommt's noch!
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