Freitag, 7. September 2012

Anno, 'ef, i kong eude eih bihchen bäter! Krankheit ist der Lackmustest für die moderne Dienstleistungsgesellschaft!

Ich bin ein furchtbar schlechter Patient. Nicht, dass ich vor Schmerzen schreie oder wehklagend im Bette liege. Nein, es ist viel schlimmer: Ich kann mich nur schlecht mit einer Krankheit abfinden und bin dann extrem missgelaunt. Es gäbe so viele Dinge, die ich tun könnte. Stattdessen liege ich unproduktiv im Bett herum und alle Dinge, die mir Spaß machen, sind so fern. Krankheit stellt eine persönliche Beleidigung für mich dar. Krankheit ist Knast im eigenen Körper!

Wenn ich krank bin, möchte ich besonders gerne auf saftigen Wiesen herumspringen und am liebsten alles vögeln, was bei drei nicht auf den Bäumen ist. Die größten Kunstwerke kämen zustande, wäre ich nur im Vollbesitz meiner Gesundheit. Es ist keine Freude, mit mir im Krankheitsfalle zu tun zu haben. Wer sich um mich kümmern möchte, wird angeranzt, weil ich nicht bemuttert werden will. Wer es lässt, wird angeranzt, weil er mich ganz arg hängen lässt und mich ruhig etwas bemuttern könnte. Aber eben auf die richtige Art!

Was wird nur, wenn die Krankheiten im Alter beginnen, chronisch zu werden? Werde ich mich nur wegen einer Atemwegserkrankung erschießen müssen? Wird mich jemand aus meiner Umgebung erschießen oder vergiften, weil er/sie mein Genöle nicht mehr aushält? Derzeit höre ich mich an, als suche man mit dem Strohhalm auf dem Grund eines Cocktailglases nach Resten von Alkohol. Darth Vader klingt dagegen wie der Quell des Lebens.

Ich habe von einem Mitarbeiter eine Kinderkrankheit abbekommen: Keuchhusten! Er geht jetzt schon in die vierte Woche. Laut Wikipedia ist der Husten unproduktiv. Man hustet also völlig sinnlos herum. Nichts kommt dabei raus. Und da die Krankheit mit Antibiotika behandelt wurde, ist sie nicht einmal mehr ansteckend. Allein die Bakterien haben in meinem Körper haufenweise Toxine abgelegt, die ich nun, meist unproduktiv, abhuste. Der Schleim bleibt drin. Je nach Verlauf geht das bis zu einem halben Jahr so weiter.

Es ist absurd: Jeden Tag fahren Tausende von Arbeitnehmern krank zur Arbeit. Sie husten, sie schwitzen, sie schneuzen saftig in Taschentücher und sprechen mit rauher und verschnupfter Stimme in ihre Smartphones: "Anno, 'ef, i konn eude eih bihchen bäter!" Früher hätte man gesagt, solche Leute, das sind die wahren Helden der Arbeit: Sie sind unverzichtbar, sie werden dringend auf Arbeit gebraucht. Doch ich weiß es mittlerweile besser!

Wer unverzichtbar ist, der kann es sich erlauben, zu Hause zu bleiben, wenn er krank ist. Da wartet der Chef doch gerne, und die Kollegen auch. Denn man hofft: Hoffentlich ist der Kollege bald gesund. Ohne ihn packen sie es nicht. Er ist einfach unverzichtbar! Wer also trotz Krankheit arbeiten geht, der hat bloß Angst, dass der Chef entdecken könnte, dass es auch gut ohne einen geht. Vielleicht sogar besser, wer weiß. Deshalb schleppt man seine Bakterien und Viren zum Arbeitsplatz, um möglichst viele potentielle Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Gleichzeitig verkündet man:

Seht her, Ihr Weicheier! Ich opfere mich auf, während Ihr mopsfidel an Euren Tischchen sitzt und Gemüsesaft zu Eurem Mittagessen kürt. Ich komme krank zur Arbeit, deshalb huldigt mir und meiner Haltung. Steckt Euch an und tuet Buße. Rotzt den Schreibtisch voll, genau so wie ich. Doch solchen, die eine läppische Lungenentzündung für zwei lauschige Tage im Bett missbrauchen sage ich: Man wird schnell merken, wie wenig man Euch im Grunde braucht! Krankheit ist der Lackmustest für die moderne Dienstleistungsgesellschaft!