Montag, 25. Juli 2011

Duck and cover! Die "Methode Bistum" und der Herr Hundt!

Jetzt mal im Ernst: In einem Europa...
...das auf dem Mittelmeer herum schippert, um Flüchtlinge abzufangen
...in dem Rechtspopulisten ihre Hasstiraden veröffentlichen dürfen und heimlichen bzw. unheimlichen Beifall ernten
...in dem stets zwischen "nützlichen" und "schädlichen" Migranten unterschieden wird
...in dessen Sprachgebrauch die Worte "Rasse" und "Art" fest verankert sind
...in dem der (Sozial-) Neid nach allen Seiten gefördert und der Ellbogen als ein die Karriere förderndes Mittel anbetrachtet wird
...in dem sich Kluften auftun und Bildung als Herzstück der industriellen Verwertung des Individuums, nicht aber als Reifezeugnis des Einzelnen gilt
...kurzum, in einem solchen Europa, mit seinen Regierungen, die sämtlichen rechten, christlichen und anderen ressentimentgeladenen Strömungen folgen oder sie sogar anführen, muss man sich eher wundern, dass christliche Fundamentalisten nicht viel öfter ein Massaker, wie kürzlich in Norwegen, anrichten. Sie werden schließlich dazu ermutigt.

Andererseits: Alle anderen, die sich nicht zu etwaigen Anschlägen hingerissen fühlen, sind brave Bürgerinnen und Bürger im Sinne des Staatswesens und haben sich gefälligst alles bieten zu lassen. Es scheint, dass der Druck des gesellschaftlichen Lebens auf den Einzelnen mittlerweile so groß ist, dass es ein verstecktes Ventil braucht, um Luft abzulassen.

Wer einzig ein auf seine Funktion innerhalb eines Verwertungssystems reduziert wird, das sogar Fortpflanzung noch in seine Logik stellt, muss ja zwangsläufig irgendwann einmal ausbrechen. Die wenigsten stellen Kunst her. Die meisten setzen sich in ein Auto und leben ihre Herrschaftsphantasien über Leben und Tod aus. Doch welchen Spielraum zur Zerstreuung bieten die westlichen Gesellschaften außerhalb der kapitalistischen Wertschöpfung?

Zumal man auch innerhalb seiner Arbeitstätigkeit die Klappe zu halten hat. Missstände anprangern, dies bitte nur innerbetrieblich, da gehen wir ganz konform mit der Kirche. Und sollte sich trotz der Beschwerde, ganz im Sinne der Qualitätssicherung, nichts ändern, dann hat man doch wohl sein Bestes getan, oder? Und man kann sich sicher sein, dass dem Unternehmen nichts anderes übrig blieb, dass es aber sein Bestes tut, um angeprangerte Missstände zu beseitigen. Aber es muss alles im Rahmen der Wirtschaftlichkeit bleiben.

So kann man, muss man sogar, pflegebedürftige Alte, die ja selbst gar nichts mehr zum Erhalt der Gesellschaft beitragen, sondern sie nur belasten, auch nur im Rahmen der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens behandeln. Ist doch klar. Und wenn gespart werden muss, dann muss eben gespart werden, auch wenn dadurch die Würde der Alten mit den Füßen getreten wird. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten dafür besonderes Verständnis haben. Auf die Idee allerdings, dass eine Institution obsolet ist, die ihren Auftrag nicht wirtschaftlich untermauern kann, kommt hingegen niemand.

Aber der Herr Hundt, unser aller liebster Arbeitgeberpräsident, kommt auf die Idee, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurecht gekündigt werden, wenn sie ihrerseits ihrem Arbeitgeber gegenüber Strafanzeige wegen Missständen stellen. Das entspricht nämlich nicht dem Verhalten eines bundesdeutschen Arbeitnehmers.

Dass es in Altenheimen hoch hergeht und selten ausreichend Personal für Pflege, Verabreichung von Medikamenten und individuelle Betreuung da ist, müsste nun auch mehreren Angestellten aufgefallen sein. Doch die haben vorbildlich den Mund gehalten und sich höchstens auf der Ebene der Qualitätssicherung beschwert.

Beschwerdemanagement nennt man das: Eine sichere Art, festzustellen, wessen Vertrag demnächst ausläuft. Nun hat es also eine Arbeitnehmerin gewagt, aus guten Gründen wahrscheinlich, ihren Arbeitgeber anzuzeigen. Woraufhin der sie selbstverständlich entlassen hat. Das ging dann so hin und her, bis irgendwann der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dran war:
Die Straßburger Richter hatten entschieden, dass die fristlose Kündigung einer Arbeitnehmerin wegen der Veröffentlichung von Missständen bei ihrem Arbeitgeber gegen die Menschenrechtskonvention verstößt. (aus: newsticker sueddeutsche)
Hundt ist ja nun Vertreter der bundesdeutschen Arbeitgeber und muss alles tun, um Ungemach, z.B. Menschenrechte, von ihnen zu abzulenken. Das ist sein Job. Ungemach ist natürlich auch, wenn ein Arbeitgeber angezeigt wird. Nun ist es nach meinem Wissen aber so, dass man nur eine Strafanzeige stellen kann, wenn eine Straftat vorliegt oder man meint, es läge eine vor. Insofern wäre es ebenfalls eine Straftat, dies nicht anzuzeigen.

Der Herr Hundt möchte aber, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erst das Gespräch mit dem Chef suchen und die Probleme intern lösen. Das ist die "Methode Bistum" und rechtlich nicht haltbar. Trotzdem fordert er die Bundesregierung auf, gegen das Straßburger Urteil vorzugehen. "Das würde den Pflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme innerhalb eines Betriebes eindeutig widersprechen."

Zur gegenseitigen Rücksichtnahme gehört es also, Straftaten zu decken. Anders hat es sich einst angehört, als eine Kassiererin übrig gebliebene Pfandbons eingelöst hatte und deswegen gekündigt wurde. Diebstahl ist auch eine Straftat. Ich finde, der Arbeitgeber hätte das Problem auch intern lösen können, ohne das drastische Mittel der Kündigung einzusetzen und die Dame auch noch anzuzeigen. Da werden also Menschenrechte gegen wirtschaftliche Interessen ausgespielt. Und stößt der Herr Hundt bei dieser Bundesregierung auf offene Ohren? Mal sehen! Der Herr Hundt sollte jedoch erst einmal seine internen Probleme lösen, die in seinem Kopf ganz offenbar herumspuken.

RonJustice, bitte übernehmen Sie!

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