Es hat ganze zwei Tage gedauert, bis die üblichen Forderungen nach mehr Überwachung des Internets und Vorratsdatenspeicherung auftauchten. Die Opfer des Massakers in Norwegen sind noch nicht unter der Erde, da streben die Sicherheitsfanatiker der CSU, ganz vorne mit dabei der Herr Manfred Weber, schon den totalen Überwachungsstaat an. Mit dabei ist auch die Polizeigewerkschaft, die den Internetuser zum Denunzianten machen will: Er soll verdächtige Inhalte sofort melden oder mittels eines "Alarmknopfes" alles totdrücken, was auch nur irgendwie nach Terror riecht.
Na prima, unter dieser Prämisse können dann die Seiten von linken und rechten Gruppierungen sowie sämtliche Blogs religiöser Ausrichtung sowie harmloser Spinner, wie ich einer bin, gleich ganz dicht machen. Denn wenn mir eine Meinung von irgendwem nicht passt, dann drücke ich - schwupps - einfach auf das Knöpfchen im Browser und der unliebsame Blog ist verschwunden auf immer. Übrig bleiben die Bausparer- und die Familienfotoblogs. Das kann doch niemand wirklich wollen?
Die Behauptung geht dahin, dass mit der totalen Überwachung des Internets keine extremistischen Netzwerke möglich seien und z. B. auch Anleitungen zum Bombenbau verschwänden. Es ist nicht nur ärgerlich, dass Leute über das Internet befinden, die offenbar gar keine Ahnung davon haben. Ärgerlich ist außerdem diese Blödheit, zu glauben, dass ohne Internet kein Terror möglich sei.
Sonst vergisst man doch auch nie auf die RAF und andere revolutionäre Zellen und deren Gefährlichkeit hinzuweisen. Die haben ihre Bomben ganz bestimmt nicht nach Bauanleitungen aus dem Internet gebastelt. Wahrscheinlich haben die einfach ein Chemiebuch in der Staatsbibliothek ausgeliehen. Soll man jetzt auch noch die Bibliothekten schließen? Und versammelt haben die sich auch, per Telefon oder mittels kleiner Briefchen oder was weiß ich denn? Terror ist möglich, auch ganz ohne Internet!
Natürlich lassen sich Informationen via Internet viel schneller und umfangreicher recherchieren. Aber nur die wenigsten User setzen das in die Tat um, was andere in ihren Schriften fordern. Vieles ist zudem nur Pose, ein anonymisiertes Ventil zum gefahrlosen, wenn auch oft barschen Meinungsaustausch. In Internetforen und Blogs wird provoziert, gezielt missverstanden und massiv gedroht.
Im Internet geht es nicht friedlich zu, ganz und gar nicht. Allerdings ist das in den meisten Fällen nur heiße Luft. Der Autoverkehr auf bundesdeutschen Straßen ist auch nicht friedlich, dazu aber gefährlich für Leib und Leben! Und dies auf allerhöchstem Niveau. Niemand käme jedoch auf die Idee, einen Alarmknopf am Armaturenbrett oder in den Straßenschuhen zu fordern, mit dem man missliebige Verkehrsteilnehmer melden kann.
Wir kommen der Sache unserer Berufspolitiker und Sicherheitsexperten aber schon näher, wenn wir uns den Begriff "Extremismus" einmal zu Gemüte führen: Extremistisch sind "... jene Teile eines politischen Spektrums [...], von denen aktive Gefährdungen der Grundwerte der zur Zeit herrschenden politischen Ordnung ausgehen, prinzipiell unabhängig von der weltanschaulichen Ausrichtung und den konkreten politischen Zielen der Vertreter „extremer“ Positionen." (siehe: Wikipedia)
Die größte Gefahr für die Grundwerte der herrschenden Ordnung (Demokratie) sind jene Politikerinnen und Politiker selbst. Sie schränken Grundrechte ein und stellen den Bürger unter Generalverdacht. Jeder wird so zum potentiellen Attentäter. Insofern, in dieser unterstellenden und aushöhlenden Form der Machtausübung stehen die um unsere (?) Sicherheit besorgten PolitikerInnen unter Extremismusverdacht. Das sind schon keine extremen Positionen mehr. Bloß: Wer überwacht sie und drückt den Alarmknopf im Bedarfsfall?
Ach so, die Wählerinnen und Wähler! Nun, warum aber soll die wahlberechtigte Bevölkerung jene Personen wählen und ihnen Vertrauen entgegenbringen, die ihr zutiefst misstrauen und sogar Angst vor ihr haben? Und weil der Irrsinn noch nicht vollkommen ist, stellt sich ausgerechnet die gammelige, unglaubwürdige FDP dem Alarmismus der Sicherheitspolitiker entgegen. Verkehrte Welt! Wann darf ich endlich Heim?
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