Sonntag, 21. Juni 2009

Stante pede, subito, instantly! Wo Frisöre mit Kamm und Schere abstürzen!


Mir träumte einmal, ich bekäme eine Glatze. Schlimm daran war gar nicht der Gedanke, zukünftig kahlköpfig zu sein, sondern der, die ganze Zeit schon lichtes Haar gehabt zu haben, ohne dieses zu bemerken. Hinterhältig war das und gemein, peinlich ohnehin. Denn die naturgeborene Tonsur entstand im Zentrum meines Scheitelbeins, wo man sie ohne Spiegel selber gar nicht erkennen kann. Im Traum allerdings entdeckte meine liebe Frau C. die große Schande.

Nun, in Wirklichkeit könnte mir das nie passieren! Ich selber untersuche meinen Körper ständig auf Makel, aus reiner Eitelkeit selbstredend. Und man glaube mir: Fände ich auch nur eine Leerstelle auf (nicht in) meinem ohnehin schon feinen Haupthaar, ich rasierte mir aber sowas von sofort eine Vin-Diesel-Frisur, noch sofortiger ginge es nicht mehr. Denn es gibt kaum Peinlicheres zu unternehmen als den Versuch, eine unbehaarte Kopfhaut mittels umliegendem Resthaar zu kaschieren.

Jedermann ist gut beraten, sich sofort des restlichen Haupthaars zu entledigen. Weniger eitle Menschen brauchen selbstverständlich ein ehrliches Umfeld, welches ihm unmissverständlich über den Sachverhalt aufklärt. Dann muss aber sofort der Kurzhaarschneider her, der sonst zum Scheren des Pudels herhalten muss. Stante pede, subito, instantly! Doch was ist, wenn das Umfeld versagt? Man wird zum Opfer falsch verstandener Freundschaft!

Neulich im Vienna gab es ein Trio von Maschinenbaustudenten zu observieren. Woher ich weiß, dass es sich um Maschinenbaustudenten handelte? Nun: Sie waren Mitte zwanzig und hatten allesamt NichtFrisuren. Sie sahen dabei aus, als würden ihre Eltern immer noch ihre Kleidungsstücke zusammenstellen, und sie spielten ein Gesellschaftsspiel, dessen Regelwerk erst noch akribisch erforscht werden musste. Mit einer bei Technikern üblichen Stoik verplemperten sie ihre Freizeit. Sie sahen nicht aus wie Menschen, die sich um ihr Äußeres scheren.

Sie sahen aus wie: Maschinenbaustudenten! Und der Student, welcher mit dem Rücken zu mir am Tische saß und fortwährend seine Spielsteine sortierte, hatte trotz seines Alters bereits ein besonders lichtes Fleckchen dort, wo weniger begabte Frisöre mit Kamm und Schere abstürzen und sich am Ende eines Kopfes wähnen! Doch oh Schande: Weder sein Freund mit dem aus dem roten Sweatshirt hervorlugenden ButtonDownKragen noch sein Kumpel mit dem RegattaPoloshirt und den Bundfaltenhosen schienen ihn energisch genug auf seinen beklagenswerten Zustand hingewiesen zu haben.

Also oblag es meiner Wenigkeit, den Armen auf den Zustand seines Hinterkopfes hinzuweisen. Mit etwas Freundlichkeit und Raffinesse würde es mir schon gelingen, diese delikate Aufgabe zu lösen. Dem Maschinenbaustudenten sollte die Peinlichkeit, welche mir in meinem Traum widerfuhr, erspart bleiben. Um mir Mut zu machen, orderte ich ein Bier, und dann noch eines und darauf einen Schnaps. Und wie ich da so saß, mit schwummerigen und geäderten Augen, da erkannte ich plötzlich die Schönheit des filigran umflorten Hinterkopfes und die Ästhetik der freigelegten Haarwurzel. Ich weinte eine Freudenträne!

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