Freitag, 8. Mai 2009

Im straßenverkehrstechnischen Abseits: Kavaliere der Straße!

Ein Leser hat mich kürzlich korrigiert, weil ich einmal behauptet hatte, Mannheim sei eine Stadt voller mißgünstiger Verwaltungsfachangestellter. Er hat natürlich recht, wenn er sagt, die Stadt sei eher voller grantiger Arbeiter. So oder so gönnt der Eine dem Anderen die Butter auf dem Brot nicht. Deswegen scheint es vergebliche Liebesmüh' zu sein, die MannheimerInnen und die Bewohner des Umlands zu "Kavalieren der Straße" zu machen: Man gibt sich eher stur im Straßenverkehr!

Und das, obwohl die Initiatoren, nämlich die "Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tageszeitungen" [link] nun die Begrifflichkeit "Kavalier" am untersten Spektrum der Selbstverständlichkeiten ansetzt: Man fährt eben nicht am Unfall "vorbei", sondern "hält" auch an und "hilft". Dafür werden im Jahr soundsoviele "Kavaliere" gekürt und geehrt.

Nun bedeutet "ein Kavalier sein" ja in erster Linie, dass sie sich Damen gegenüber als zuvorkommend erweisen und ihnen z.B. die Türe aufhalten. Das Elitäre steckt schon im Begriff "Damen" drin: Wer entscheidet denn in Zeiten, in denen jeder "was werden" kann, wer "was ist"? Und schon erkennt man ebenjener Frau, welche ins Kaufhaus hinein möchte, den Damenstatus ab, weil sie vielleicht nicht so nett dreinschaut, und schon fliegt ihr die Tür in die Fresse.

Das Verhaltensrepertoire des Kavaliers sollte allerdings nicht nur allen(!) Frauen gelten, sondern überhaupt allen Menschen(!!). Das ist ja der Sinn der Sache! Ein Kavalier sollte jedem Menschen gegenüber zuvorkommend freundlich sein und ihm selbstverständlich den Vortritt lassen, und auch da helfend zur Tat schreitet, wenn die Hilfe nicht unbedingt nötig scheint. Eine Agenda der Nettigkeit.

Kavalier zu sein heißt demnach auch, jemanden NICHT töten zu oder absichtlich ins straßenverkehrstechnische Abseits drängen zu wollen, bloß weil man der Ansicht ist, im Recht zu sein! Das ist bööööse! So musste oben genannte Initiative extra darauf hinweisen, dass im Innenstadtbereich manche Einbahnstraßen für Radfahrer freigegeben seien und man dies doch bitte zur Kenntnis nehmen sollte, so als KFZ- und LKW- FührerIn.

Dies ist natürlich eine schöne Neuerung. Der Haken an der Sache ist allerdings, dass es tatsächlich zu Aggressionen kommt, weil irgendeines der hiesigen Landeier es entweder als Zumutung empfindet, neu angebrachte Schilder zu lesen und daher zu Vigilantismus gegenüber den schwächeren VerkehrsteilnehmerInnen neigen, sollten diese ihre heiligen Wege kreuzen. Da gibt man gerne nochmal so richtig extra Vollgas. Doch Einschüchterungsversuche haben gar nichts mit vorauseilender Freundlichkeit zu tun. Eher mit Dummheit, und in diesem Fall sogar mit doppelter Dummheit, weil ja der Radfahrer im Recht ist. Und hoffentlich noch am Leben.

Doch was will man von den Menschen einer Arbeiterstadt auch anderes erwarten? Marx hat das Potenzial des Proletariats leider vollkommen falsch eingeschätzt. Mal ehrlich: Wer möchte von einer Horde Arbeiter regiert werden? Wenn die sich doch lieber gegenseitig das Leben schwer machen, überhaupt nicht solidarisch miteinander sind, sogar eher noch zur Seite oder nach unten boxen, aber noch oben stets buckeln? Nein, mit Arbeitern kann man keinen Blumentopf gewinnen! Und es macht auch keinen Spaß, sich mit ihnen zu streiten.

Ich selbst habe in meinen Tölpeljahren ein Handwerk erlernt und danach auch ein paar Jahre im Beruf gearbeitet. Obwohl mir die Ausübung meines Berufs Spaß gemacht hatte, kündigte ich bald: Erst fand man es im Betrieb nämlich komisch, dass ich in der Pause BÜCHER las. Nur ich fand es hingegen seltsam, dass alle anderen dieses widerwärtige Boulevardblatt lasen, ließ aber kein Wort darüber verlauten. Dann riss ich eines Tages ein Plakat von der Werkstattwand, auf dem ein "Vaterunser für Patrioten" zu lesen war: faschistoide Hirnwichse und Hetze gegen Asylbewerber!

Das Handwerk lehrte mich nicht nur, antifaschistisch zu denken und zu handeln, es führte mich auch in den zweiten Bildungsweg ein. Denn bald kündigte ich meinen Job und machte mein Abi nach. Zumal ich nach jener Aktion gemobbt wurde. Seitdem habe ich mit Arbeitern nichts mehr am Hut. Der Betrieb indes war gar kein kleiner Naziladen, sondern ein ganz großer: Meine Werkstatt befand sich in den Weiten der BASF AG.

Was es darinnen gibt, gibt es natürlich auch draußen. Und man kümmert sich recht wenig darum! Stadtregierungen sollten den Nazis ja ebenfalls die Stirn bieten. Doch ist dies meist anstrengend und kostet viel Geld. Lieber spricht man ein Alkoholverbot auf dem Berliner Platz aus, als dass man die in Ludwigshafen leider dauernd anzutreffenden Nazischmierereien entfernt. Ludwigshafen ist ja auch so eine Arbeiterstadt!

Warum aber sollen Hakenkreuze überhaupt entfernt werden? Ist doch nur so ein doofes Zeichen, welches doofe Menschen hinkritzeln, möglicherweise nur um zu "provozieren" oder einfach nur als "Gag"? Ich möchte so auf diese Frage antworten: Stellen Sie sich vor, auf offener Straße liefe Ihnen ein Mensch mit geballter, schwingender Faust entgegen. Sie wären wahrscheinlich beunruhigt, oder? Wenn dieser Mensch dann vor Ihnen stehen bleibt und mit der Faust ausholt, dann bekommen Sie möglicherweise Panik. Und selbst wenn seine Faust kurz vor Ihrem Gesicht stehen bleibt, fühlen Sie sich vielleicht trotzdem etwas flau?

Für Angehörige von Minderheiten ist jedes aufgemalte Hakenkreuz eine Faust, welche kurz vor ihrem Gesicht stehen bleibt. Sie sagt: "Du hast aber sowas von nichts hier zu suchen, und wenn Du eines Tages wirklich auf's Maul bekommst, dann bist Du selber schuld! Geh' nach Hause, Du Kaffer, Schwuchtel oder Studentenbrille!" Ein Hakenkreuz ist eine ständige Morddrohung an den Wänden der Republik. Für einen Staat, der Bürgerrechte für die Sicherheit der Bürger veräußert, ist dies ganz erbärmlich: Er schützt nur jene, die so "richtig dazu gehören".

Wie wäre es mit der Initiative "Städte als Kavaliere"? Man gewönne einen Preis dafür, dass man tut, was ohnehin selbstverständlich ist: Nazischmiereien sofort zu entfernen, gehört schonmal dazu. Ebenfalls für Freundlichkeit und Rücksicht unter den BürgerInnen zu werben. Im Juni sind schließlich Wahlen. Doch leider gibt es einen solchen Preis nicht und so kümmert man sich um das, was wirklich wichtig ist: den Wirtschaftsstandort Ludwigshafen. Erstmal Gähn! Und hinterher das böse Erwachen: Ich prognostiziere dem omnipräsenten legalen Arm der Nazis ein fabelhaftes Ergebnis in LU!

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