Die Inflation, sie ist längst da! Das ist so gewollt, man hat es eben gerne größer und immer größer. In den Medien spricht man vom "immer mehr..." der Arbeitslosen, der Staatsverschuldung, der kriminellen Jugendlichen usw. und so fort. Mir gefiele es "immer mehr", spräche man vom "immer weniger", man sich also eher im Dienste einer Deflation begriffen sähe.
"Immer mehr" Dicke gäbe es in 'tschland, und dies sei überwiegend ein Problem bildungsferner Schichten. So heißt es jedenfalls. Mir gefällt der Gedanke, weil dadurch auch "immer mehr" PolitikerInnen der Bildungsferne bezichtigt werden können. Ein Großteil der Mannheimer Männer allerding auch. Und auf bedenkliche Weise gleiche ich mich an. Längst habe ich dem BMI abgeschworen und rechne wieder auf alte Weise, denn da komme ich viel besser weg: Körpergewicht ist gleich Körpergröße minus 100cm. Ich finde den Gedanken jedoch beunruhigend, dass mein Bildungsstand abhängig ist von der Art, wie ich mein Gewicht berechne.
Die Unzufriedenheit mit sich selbst und den Umständen, in denen man sich befindet, ist ein Relikt aus der Entstehungszeit der Menschheit. Das ständige Streben nach Verbesserung der persönlichen und der sippenhaften Lage sei der Motor der Zivilisation gewesen, so wird gemunkelt. Hatte Zomba, der hünenhafte Wurzelflechter, nur 3 Mammutkeulen, so eiferte er dem zottigen Ulagh nach, der derer 4 hatte. Da er dafür aber nichts jagen wollte, klaute er es dem nächsten Deppen, der ihm über den Weg lief.
Irgendwann hatte jeder mehr Mammutkeulen, als er essen konnte. Dumm nur, dass die Mammuts darüber ausgestorben waren, und die Keulen damit wertlos wurden in dem Maße wie sie verdarben. Wenig später erfand man Geld, aber besser geworden ist deswegen nichts. Die Menschheit, sie ist noch ganz am Anfang, so könnte man meinen. Alles wird teurer, und man bekommt noch dazu weniger dafür.
Selbst die Obdachlosen und die meist jugendlichen Schnorrer geben sich nicht mehr mit 50cent zufrieden, sondern fragen gleich nach 2 bis 3 Euro. Dies liegt nur etwas unterhalb des Stundenlohns einer Backwarenverkäuferin und ist auf die Stunde gerechnet einträglicher als die Beschäftigung bei einem die ArbeitnehmerInnen ausbeutenden Unternehmungen. Aber wer hat schon 2 bis 3 Euro übrig für Schnorrer, wenn doch alles so inflationär teuer geworden ist?
Die Backwarenverkäuferin in Ludwigshafen befindet, dass ihr billigere Brötchen angesichts ihres lausigen Lohns auch lieber wären. Während Familie G. in ihrer Bonzenvilla säße, müsste sie nämlich Tag und Nacht schuften, nur um einigermaßen über die Runden zu kommen. Ich hatte lediglich die kreative Preisgestaltung verhöhnt, weil man neuerdings gerne Backwaren für beispielsweise 57cent verkauft. Dies solle dem Kunden wohl suggerieren, hier würde knallhart ihm zugunsten kalkuliert, so dass Familie G. oder Herr K. beinahe aus ihren Villen ausziehen müsste?
Es geht aber auch anders: Auf dem Weg ins Kino trafen meine liebe Frau C. und ich auf einen offenbar türkischstämmigen Mann, der uns auf offener Straße einen Kleinbild- TV verkaufen wollte. So ein Gerät besitzen wir aber selber, interessiert hätte uns also eher "ein- vom- LKW- gefallener- Plasma- Flachbild- TV- Gerät", oder wie die Dinger heutzutage heißen. Mit steigendem Alter verliert sich der Überblick über technische Errungenschaften in ebensolchen Maße, wie das Bedürfnis nach ebenjener Technik steigt.
Anders ausgedrückt: "Immer mehr" älter werdende Menschen stehen in sogenannten Medienkaufhäusern vor immer weniger motivierten und damit nur sogenannten Fachverkäufern und wollen Dinge erstehen, von denen sie den genauen Namen nicht kennen. Ungeduldig hört man dem Kunden zu, widerwillig grenzt man den Kundenwunsch ein.
So geschehen, als ich vor einigen Jahren eine "DSL- Box" erstehen wollte und einen der motivationstrainierten Angestellten danach fragte. Man hätte keine Ahnung, was ich denn meine, erklärte der sichtlich angewidert. Nach einiger Zeit stöhnte der Fachverkäufer auf: "Ach, Sie meinen ein DSL- Modem? Oder etwa einen DSL- Router?" Damit hatte ich nicht gerechnet. Da ich mich nicht mehr getraute zu erfragen, welche Bewandtnis es mit dem einen oder anderen Geräts hat, zog ich voller Scham von dannen.
Bei den Frisören ist es übrigens ähnlich: Wenn ich mich mit deren Fachjargon auskennen würde, so könnte ich ja meinen Wunsch auch genauestens benennen und wäre dann aber wohl in der Lage, mich selber zu frisieren, bräuchte also gar keinen Frisör mehr. Dem ist aber nicht so, deswegen lasse ich mir die Haare von meiner lieben Frau C. schneiden. Ich schäme mich zu sehr über meinen Mangel an fremdberuflichem Fachsprech. "Immer weniger" Frisöre profitieren wegen ihrer offensichtlichen Arroganz von meiner Haarpracht, die sich übrigens ganz wunderbar frisieren lässt.
Dies hat aber zur Folge, dass "immer weniger" Frisöre ausreichend Geld verdienen. Sie bezahlen ihrem Personal deswegen Hungerlöhne. Im Gegenzug werden die Preise erhöht, damit "immer weniger" KundInnen das gleiche Einkommen einbringen. Leute wie ich sind Schuld, dass die Wirtschaft den Bach heruntergeht. Soll sie doch...
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