Mittwoch, 28. Juli 2010

Putzerfische zu den Waffen! Kapern ist ein Verb und keine eingelegten Blütenknospen!

Putzerfische führen ein ganz okayes Leben. Für patriarchal geprägte Zeitgenossen mag es verlockend klingen, dass die männlichen Exemplare einen eigenen Betrieb (Putzerstation) führen und sich einen Harem halten. Für Einkommen und Kopulationsmöglichkeiten ist allemal gesorgt. Größere Fische machen Station und lassen sich mal so ordentlich von innen und außen durch- und abschrubben. Putzerfische ernähren sich von Parasiten und abgestorbener Haut. Haben die beflossten "Kunden" genug, verlassen sie die Putzstation.

So kann Dienstleistung also aussehen: Völlig friedfertig finden sich Kunden ein, unter ihnen auch gewichtige Verbrecher, lassen sich verwöhnen und zahlen mit Naturalien, die sie selbst nicht brauchen können. Der Dienstleister indes ist es zufrieden und geniesst ansonsten sein Leben. Inwieweit Fische ihr Leben geniessen, mag einmal dahin gestellt sein. Inwieweit menschliche Dienstleister ihrem Leben etwas Freude abringen können, allerdings auch. Doch die Vorzeichen sind anders: Die großen Fische unter den Menschen (um im maritimen Bild zu bleiben) lassen die kleinen Fische zu sich kommen, und sie halten sie kurz.

Bei Hamburg findet derzeit eine von der Arbeitagentur finanzierte Qualifizierungsmaßnahme statt, in der Hartz IV Empfänger zu Servicekräften auf Luxusjachten qualifiziert (nicht ausgebildet!) werden. Das bedeutet: Zimmer putzen, Cocktails reichen, Deck schrubben, Nacken massieren - und das rund um die Uhr. Ein Privatleben dürfte bei solch einem Job eher Nebensache sein. Man könnte sich womöglich genausogut kastrieren lassen und als Eunuch einen Harem bewachen, statt ihn wie ganz ordinäre Putzerfische selbst zu unterhalten.

Also muss es ja das zu verdienende Geld sein, das einen Menschen zu solch einer Qualifizierung antreibt? Weit gefehlt: Mit knapp 2500 Euro brutto (für 9to5- Jobber klingt das verlockend) ist das Gehalt keine Entschädigung für ein ausschließlich den Superreichen gewidmetes Leben. Das ist in der Tat erniedrigend: Ein geringes Einkommen und den ganzen Tag schuften für einen halbdankbaren Blick des Arbeitgebers, wenn sein Drink ausnahmsweise einmal korrekt kredenzt wird. Den Stundenlohn jedoch möchte man sich erst gar nicht ausrechnen.

Anerkennung ist also der Lohn des Arbeitnehmers, nicht sein Gehalt. Dementsprechend wird der Wert der Arbeit von den Arbeitgebern festgesetzt: Er ist niedrig und wird zudem nach unten, und nicht nach oben, verhandelt. Arbeit wird tendenziell als eine vom Arbeitnehmer freudig erbrachte Dienstleistung betrachtet, einzig und allein dazu da, die Reichen noch reicher zu machen. Solange die NichtSoReichen und die FastArmen für ihre Distinktion und nicht für ein angemessenes Gehalt arbeiten, wird sich daran nichts ändern.

Kein Wunder, dass jene Reichen ihren Besitz als gottgegeben und sich selbst als Leistungsträger betrachten. Keiner von ihnen käme je auf die Idee, das sein Reichtum auf der schlechtbezahlten Arbeit seiner Angestellten gründet. Käme er darauf, müsste er sie ja an "seinem" Umsatz gleichberechtigt beteiligen - falls denn ein auf Ethik begründetes Verantwortungsgefühl vorhanden wäre. Dann aber wäre es essig mit der Jacht. Der Pöbel auf seine Plätze, mir zu wohlgefallen!

In schöneren Zeiten würde sich derselbe Pöbel erheben, die Piratenflagge hissen, den "Eigentümer" über die Planken springen lassen und einfach kapern, was er (sich!) mittels eigener Arbeitskraft erarbeitet hat und was ihm eigentlich auch gehören sollte. Klaus Störtebeker, seines Zeichens Likedeeler (Gleichteiler) und Todfeind der Hanse, gilt als volkstümlicher Held. Warum sollte man ihm nicht nacheifern? Wer aber würde uns dann jene so erflehte Anerkennung schenken? Der Arbeitgeber ist nun der Makler unseres Selbstwertgefühls... Traurig, dass selbst Fische da irgendwie weiter sind.

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