Sonntag, 10. August 2008

Ein Päckchen Papiertücher für Herrn Karst! Ein Knigge-Seminar in der Abendakademie!

In der Abendakademie in Raum 2.04 findet das Seminar Knigge und so - Teil 1 statt, geleitet vom Referenten Holger E. Karst. Ungefähr 15 junge Leute sitzen im Raum, einige spielen gelangweilt mit ihren Bleistiftspitzern herum oder basteln Origami-Schwäne. Dann hat Herr Karst mal wieder eine ganz toll anschauliche Veranschaulichung:

Herr Karst: "Auch auf die Gefahr hin, etwas etepetete zu wirken, liebe SchülerInnen, möchte ich an dieser Stelle ein hier zu Orten oft beobachtetes Verhalten anprangern: Es ist dies die Sorglosigkeit im Umgang mit anderen Menschen, die mich treibt, schallende Knigge-Ohrfeigen zu verteilen. Denn es ist einfach nicht schön, zu erleben, wie wenig respektvoll der Umgang untereinander vonstatten geht.
Doch der Reihe nach: Möglicherweise bin ich etwas empfindlich, da mich jetzo eine mittelschwere Erkältung plagt und jedes Wort und Getue möglicherweise eine unangemessene Bedeutung erhält. Doch wie bitte soll man es auch verstehen, wenn man mit triefender Nase in der Straßenbahn sitzt und ein paar junge Chicks den nicht von ihnen verursachten Müll von ihren Plätzen auf den Boden neben jemand anderem, in diesem Falle mir, bugsieren? Sehe ich eine Meldung? Ah, da hinten, Ulrike, bitteschön!"
Ulrike: "Na, das ist doch vollkommen egal, man weiß ja sonst nicht, wohin mit dem vielen Müll in der StraBa, da kann man doch schon mal was rüberschieben finde ich... stört doch keinen!"
Herr Karst: "Vielen Dank für die Wortmeldung, liebe Ulrike, das mögen sich die Chicks auch in etwa so gedacht haben. Gibt es noch andere Einlassungen? Bitte, Orhan?"
Orhan: "Yo, also ich finde, das nicht okay, weil das ist doch voll respektlos und so. Man bewirft doch keine fremden Leute mit Müll..."
Herr Karst: "Naja, Orhan, beworfen hat man mich ja nicht gerade, eher beschoben. Trotzdem scheint es auch mir etwas achtlos, einfach ein erachtetes Problem beiseite zu schieben und jemand anderem aufzuhalsen. Wenden wir uns aber mal den Alternativen zu. Was hätten die Chicks denn anders machen können? Gerd?"
Gerd: "Ja, Herr Karst. Man hätte den Müll ja aufsammeln können und an der nächsten Resteverwertungsstelle abgeben können. Das machen ja jetzt alle so!"
Herr Karst: "Danke Gerd, aber aus eigener Erfahrung weiß ich, wie lästig es ist, stundenlang Müll durch die Straßen zu tragen. Und dann auch noch den Müll anderer Leute, ich weiß nicht... Gabi?"
Gabi: "Ich weiß nicht, was die Aufregung soll. Bei Ihnen war wenigstens noch Platz, und da kann man sich schon noch behelfen, indem man den Müll halt dahin schiebt. Das tut doch niemandem weh außer Ihrem Ego vielleicht. Außerdem weiß ich gar nicht, was ich in diesem Seminar überhaupt soll. Ich sollte eigentlich ein paar Bewerbungen schreiben und den Finanzminister hinterher erschießen."
Elke: "Ja, aber die Chicks hätten den Herrn Karst ja wenigstens fragen können, ob er den Müll gerne beherbergen möchte, der hätte dann ja bestimmt nix dagegen gehabt. Welchen Finanzminister soll denn die Gabi erschießen? Den vom Bund oder den vom Land?"
Herr Karst: "Ich glaube, Elke, das ist im Seminar Finanzminister erschießen - aber richtig! nicht so wichtig. Gabi, Dein Seminar findet übrigens in Raum 3.01 statt. Kannst aber gerne noch etwas bleiben. Was sagen denn die anderen zu Elkes Vorschlag?"
Die Anderen artig im Chor: "Der Vorschlag der ist super, der Vorschlag der ist gut! Wir sind ja sooo froh, dass wir den Herrn Karst haben, der hat immer so toll anschauliche Themen zur Knigge und all dem. Dank Ihnen bekommen wir sicher alle eine Lehrstelle, oder eine - hihi - Leerstelle im System. Danke Herr Karst! Aber wie haben Sie denn eigentlich auf den Müll reagiert? Haben Sie es den Chicks mal so richtig gezeigt, Herr Karst?"
Herr Karst: "Nun ja: Ich habe mich zunächst einmal ganz artig und brav bedankt. Ich finde, man sollte sich immer für alles bedanken, auch für ganz doofe und repektlose Sachen. Daraufhin wurde der Müll zwar unter Murren wieder entfernt, aber die ganze Fahrt wurde ich den Verdacht nicht los, dass man sich über mich lustig machte. Weil ich wohl eben doch etwas etepetete war. Ich war ja so hilflos, und außerdem auch ein wenig erkältet..."
Alle, im Chor: "Ooooch je, der arme Herr Karst!"

Während Herr Karst schluchzend am Pult steht, sammeln seine SchülerInnen etwas Kleingeld für ein Päckchen Papiertaschentücher, das sie ihm nach der nächsten Pause feierlich überreichen wollen. Da wird der Herr Karst aber Augen machen!

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