Heute wollen wir mal die ganze Angelegenheit (darauf komme ich noch) von juristischer Seite betrachten. Natürlich habe ich keinen blassen Schimmer von der Juristerei, gehe aber davon aus, dass Gesetze auf Grundlage von Interessensabwägungen innerhalb einer Gesellschaft enstanden sind, ergo immer auch verhandelt sind und verhandelbar bleiben.
Das Grundgesetz garantiert jedem Menschen innerhalb der bundesdeutschen Grenze die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Dieses Grundrecht gilt eingeschränkt, sollte durch das freie Handeln die verfassungsmäßige Ordnung oder gar das Sittengesetz gestört werden. Schlussendlich dürfen durch die Entfaltung meiner Persönlichkeit auch nicht die Rechte anderer verletzt werden. Das impliziert natürlich Konflikte innerhalb der Gemeinschaft, gerade da wo auch gegensätzliche Auffassungen von der Art der freien Entfaltung einer Persönlichkeit herrschen.
Für Mieter A ist es beispielsweise die ausgelassene Art des Tobens, des Musizierens und des Pflegens außergewöhnlich geräusch- und schwingungsintensiven Gangarten auf der vierten Etage, die das grundsätzliche Verständnis dieses Rechtes darstellt.
Für Mieter B, eine Etage darunter, ist Wohnen möglicherweise mit Rückzug und dem Bedürfnis nach Ruhe verbunden. Nun lässt sich beides nicht miteinander vereinbaren. Deshalb geht Mieter B, seiner Möglichkeit auf freier Entfaltung seiner Persönlichkeit beraubt nach oben, um einen Kompromis zu erzielen.
Mieter B liegt insofern richtig, dass er sein Recht nicht über die Rechte anderer stellt und die Bedürfnisse anderer respektiert. Wahrscheinlich hat er in seiner Miethistorie auch selber mal kräftig daneben gelegen und so manchen Ärger verursacht und schon früher Kompromisse herbeigeführt. Trotzdem begibt sich Mieter B höchst ungern in die vierte Etage, weil das auch irgendwie spießig ist. Aber er kann unter diesen Umständen auf keinen Fall lesen, schon gar nicht schreiben und in die Malerei schleicht sich ein unerwünscht dunkler Ton ein.
Leider sagt Mieter A, dass es nun mal laut hergehe, wenn man ein Kind hat und dass man da nichts machen könne. Den Einwand, dass das Kind wohl am allerwenigsten störe, nimmt er nicht zur Kenntnis. Er ist auch nicht bereit, sein Schlagzeug mit Dämmmaterial zu unterlegen, weil sich in seiner alten Wohnung ja auch nie jemand beschwert habe. Schließlich habe er das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Er fühle sich nun regelrecht eingechränkt aufgrund des impertinenten Versuchs der Verhandlung gegensätzlicher Interessen.
Nachdem Mieter B, der selbst schon 25 Jahre zur Miete lebt (Jubiläum!), der bislang noch nie Grund zur Klage hatte und sich ohnehin etwas schämt, vor der Tür des Nachbarn zu stehen und wie ein alter Mann um etwas Ruhe zu bitten und sein Recht auf ... (Sie wissen schon) einzufordern, plötzlich vor einer verschlossenen Tür steht, steigt in ihm ein Zorn hoch. Der Zorn steigert sich während der nächsten drei Male (also nur da, wo es absolut notwendig gewesen sein mag), bei denen er um Rücksicht bittet, ja bettelt. Selbstredend wird dieser Zorn in Freundlichkeit gepackt, wir sind ja schließlich zivilisiert. Trotzdem nagt schon Hass die Seele an.
Beim nächsten Mal möchte ich an dieser Stelle auf das Recht auf Leben und die körperliche Unversehrtheit des Individuums eingehen und dessen Verhandelbarkeit überprüfen.
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