Alles war gut gegangen, und meine Eltern haben ihr Haus halt noch einmal bezahlt. Aber ich selbst war von da an für jegliches Eigentum versaut: Mit Autos z.B. stand ich eh und je auf Kriegsfuß, und das diese Dinger gepflegt, betankt und gewartet werden mussten, war mir stets zuviel des Guten. Die Scheibenwischer z.B. mussten sehr sehr lange die Frontscheibe verschmieren, ehe ich es mir erlaubte, neue zu besorgen und zu montieren.
Besitz belastet mich in der Tat enorm, und somit sei der Vorwurf des Neides hinfort gewischt wie Blütenstaub mit verbrauchten Scheibenwischern. Einmal um die Weihnachtszeit, es muss im letzten Jahrtausend noch gewesen sein, bekam ich Post von der Polizei, man hätte mein Auto vor ca. zwei Wochen gefunden. Diebe hatten es offenbar zur Spritztour missbraucht - weit waren sie nicht gekommen: Die Tankfüllung reichte nur für ungefähr 30km Spassfahrt.
Ich hatte jedoch den Diebstahl gar nicht bemerkt, weil ich mein Auto erstens: immer an verschiedenen Plätzen geparkt hatte und zweitens: ich dieses Ding sowieso die letzten Wochen gar nicht gebraucht hatte. Da ich nun aber mein Auto auch in den nächsten Wochen nicht brauchen würde, ließ ich es noch zwei weitere Wochen bei der Polizei und war dann recht überrascht, dass ich für einen vollen Monat Standgebühr entrichten musste. Und dann folgte die Reparatur...
Wer etwas hat, der muss sich um etwas kümmern. Wer nichts hat, muss sich auch um nichts kümmern. Dieses Credo ist viel zu einfach um falsch zu sein. Trotzdem gibt es Dinge, die mir lieb sind: Ich hatte bis vor kurzem einen Pflegefall, um den ich mich bis zum Ende liebevoll und mit Geduld kümmerte: Mein lieber Sony 5 Disc CD- Changer, den ich mir zwischen 1988 und 1990 als ersten und einzigen CD- Player gekauft hatte. Seit 2006 hatte er die kleine Macke gehabt, sehr spät "anzuspringen", und tatsächlich brauchte er zuletzt beinahe 15 Minuten, bis er einsatzbereit war.
Zudem verweigerte er zusehends die Nahrung. Am Ende spielte er nur noch gebrannte CDs, die Originale verschmähte er stets. Zu meiner Freude schien er in hohem Alter noch ein konsumkritisches Verhalten zu entwickeln und zeigte zivilen Ungehorsam. So manches Mal zwinkerte er mir kurz mit dem Display zu, um so seine Renitenz unter Beweis zu stellen. Mein lieber "alter Sony" hat mir bis zum März dieses Jahres gute Dienste geleistet, immerhin begleitete er mich über 20 Jahre als kompetenter Verwalter musikalischer Angelegenheiten. Dann erlosch das verschmitzt zwinkernde Display auf ewig...
Ihn nun reparieren zu lassen wäre genauso grausam wie einen Rentner arbeitstauglich zu operieren. Er wäre dann ein anderer, nicht mehr mein "alter", sondern mein "reparierter Sony". Mein "alter Sony" hat sich seinen Ruhestand verdient. Ihm kondoliert auszugsweise folgende (manchmal etwas peinliche) Playlist:
Cassandra Complex, Skinny Puppie, Philip Boa and the Voodooclub, Einstürzende Neubauten, Abwärts, Alien Sex Fiend, Flowerpornoes, Public Enemy, Pop will eat itself, Yo la Tengo, The Shamen, Baby Ford, Bernd Begemann, F.S.K., Momus, Sonic Youth, Wire, Stereolab, Laila France, Jah Wobble, Tortoise, So, F.M. Blumm, Burger, Scott Horsecroft, Antonelli Electronics, Jan Jelinek uvm.Jetzt besitze ich einen DVD-Player zum Abspielen meiner CDs. Einen Fernseher habe ich allerdings nicht, will ich auch nicht. Das Haus meiner Eltern werde ich irgendwann einmal erben. Was soll ich damit nur machen? Meine Zukunft ist etwas weniger rosig ohne meinen "alten Sony".
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen