Wer erinnert sich an Fips Asmussen? Dieser siebtklassige Witzeerzähler schockt die Menschheit noch immer mit Frauen, Homosexuelle und Migranten diskriminierenden Kalauern. Dieser Form der Schwachenschelte und Schadenfreude bedient sich auch ein Stefan Raab, wobei man von ihm wohl noch weitgehend behaupten kann, dass er ein kreativer Mensch, wenn nicht sogar ein Künstler zu sein scheint.
Während Asmussen noch kleinere Festzelte bespielen muss und Raab sein Glück im TV strapaziert, zieht Mario Barth die Massen in die diversen Arenen der Bundesrepublik. Auch er bedient sich allerlei Klischees, um Frohsinn zu evozieren. Bei ihm sind es offenbar extrem verfestigte Rollenbilder von Mann und Frau, die er vorgibt zu parodieren. Als Witzeerzähler nur mäßig originell, erfährt er zurzeit einen Erfolg sondersgleichen. Das ist ja schon rätselhaft genug. Doch neuerdings wirbt er auch für ein Elektronikkaufhaus, und der einzige Unterschied zu seinen Shows ist wohl, dass die Werbung vermutlich gar nicht wirklich komisch sein soll. Der Konzern jedenfalls ist bekannt dafür, billigen Trash gezielt zu Werbezwecken einzusetzen.
Dennoch treibt er dort das gleiche Spiel: Er testet Situationen, indem er sie fälscht und beleuchtet diese vom Standpunkt der Frau bzw. des Mannes aus. Was wunder, dass der Mann in Barths Universum technik-affin ist, während die Frau dem Verkäufer hinterher schmachtet. Männer sind rational, Frauen sind emotional, das ist die Botschaft. Gibt es hier irgendeine weitere Erkenntnis? Nein! Ist das lustig? Nicht unbedingt! Ich bin in der Lage, 30 Minuten Barth zu schauen und dabei gar nichts zu fühlen. Weder lache ich noch weine ich. Und ich kann weinen und lachen, obwohl ich ein Mann bin.
Das Schema ist immer gleich, und es reproduziert sich immer wieder. Indem Barth den Männern dieses und den Frauen jenes Verhalten konstatiert, zementiert er es gleichzeitig für immer und alle Zeiten. Er erzieht sein Publikum nicht, er hält es bei Laune allein durch die Bestätigung ihrer Wirklichkeit. Dass diese Wirklichkeit so ist wie sie ist, ist nicht Mario Barths Schuld. Es ist geradezu traurig, dass die meisten Menschen immer noch in der Vorstellung leben, die Geschlechter seien in ihren Vorlieben und Fähigkeiten grundverschieden.
Dem muss widersprochen werden: Die Menschen sind es, die in ihren Vorlieben und Fähigkeiten verschieden sind! Das Geschlecht spielt da nur eine kleine Rolle. Vielmehr ist es die Erziehung oder die soziale Sanktionierung, welche vorhandene Tendenzen verstärkt respektive abträgt. Es gibt zum Beispiel Männer, die finden tatsächlich Gefallen an der Farbe Rosa. Nur trauen sie sich nicht, eine rosa Mütze zu tragen, aus Angst, sie könnten als schwul gelten. Nicht alle Frauen aber mögen Rosa.
Dafür mögen sie gerne Taschen. Obwohl es in meinem Sortiment auch die Farbe Rosa gibt, bestellt kaum eine Frau eine Tasche in dieser Farbe. Männer hingegen finden - und das haben mir etliche erzählt - Umhängetaschen ganz generell schwul, Rucksäcke hingegen cool. Ich finde Rucksäcke nicht nur nicht cool, sondern unstylish. Deswegen stelle ich ja Umhängetaschen (übrigens die ursprünglichste Form aller Tragetaschen) her. Macht mich das irgendwie schwul, ist das unmännlich?
Das ist mir völlig egal. Ich lasse mir doch nicht ständig vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe. Nur um mich letztendlich zu irgendeiner Gruppe zählen zu dürfen, aus deren Riten und Kodexe es kein Entrinnen mehr gibt. Es ist mir gänzlich unverständlich, wie sich Menschen freiwillig in so eine Form pressen lassen können. Auf der Emotionen- und Fähigkeitenskala zwischen biologischem Mann und biologischer Frau gibt es einen Verlauf voller Farben und Graustufen.
Man zeige mir einmal DEN 100%igen MANN oder DIE 100%ige FRAU. Diese beiden Menschen sind mit aller Wahrscheinlichkeit so saublöd und langweilig, dass man sie am liebsten atomisieren möchte. Trotz all dieser Facetten, welche einen Menschen ausmachen, lässt er sich dennoch ausgerechnet auf die Geschlechterebene reduzieren. Das ist ja so viel einfacher. Und genau so ist der Erfolg eines Mario Barth zu erklären. Der selber übrigens auch nicht gerade ein Beispiel reiner Männlichkeit ist. Er trägt mehrheitlich weibliche Züge, und nur sein Bartversuch lenkt von dieser Tatsache ab.
Vermutlich leidet bzw. litt Mario Barth selbst sehr unter dieser Festschreibung der Geschlechtsrollen von Mann und Frau. Vielleicht ist seine Show eine Art Therapie, um sich künftig über Rollenzuschreibungen hinwegsetzen zu können? Eine Konfrontation mit der eigenen Angst? Oder handelt es sich um eine späte Form der Rache gegenüber dem anderen, ihn verschmähenden und dem eigenen, ihn verhöhnenden Geschlecht. Satire ist das jedenfalls nicht. Dazu fehlt seinem Humor die Intelligenz. Er ist auf seine Weise brachial und denunziatorisch. Fiele Barth nicht unter die Kategorie Künstler, man müsste ihn wegen Geschlechterdiskriminierung verklagen.
Und die zahlreichen ZuschauerInnen, die lösen nicht ihr Korsett, sondern schnüren es immer enger bis ihnen eines Tages die Luft weg bleibt. Sie lacht und zeigt auf ihren Partner: genau so isser! Und er ruft dazwischen: und alle Frauen sind ja sooo! Und jene, welche einmal verletzt wurden, rufen: so sind sie doch alle! Und dann sind sie's endlich zufrieden, noch einmal genau gesagt bekommen zu haben, was sie ohnehin schon zu wissen glauben. Das ist so unendlich traurig, weil ohne jede Perspektive. Es muss sehr schlimm sein, sich niemals niemals niemals aus der eigenen Scheiße erheben zu können.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen