Donnerstag, 30. Juli 2009

Autos töten Natur und Mensch! Von Alkohol muss man meistens nur kotzen!


Nun hat also das Verwaltungsgericht in Mannheim das Alkoholverbot in der Freiburger Innenstadt gekippt. Geklagt hatte ein Jurastudent, und er hat recht bekommen. Was sonst? Grundsätzlich ist es ja in Frage zu stellen, ob Verbote überhaupt etwas nützen: Gesoffen wird so oder so, dann eben zu Hause oder an nicht gar so öffentlichen Plätzen. Das Problem der Freiburger war denn wohl auch gar keines bezüglich des Suchtverhaltens von Jugendlichen, sondern eines der Sicherheit.

Untereinander gab es offenbar schwere Prügeleien, randaliert wurde sowieso, und auch ansonsten verhielt man sich nicht adäquat an die Regeln beschaulichen Bürgertums. Das fühlte sich mitunter so gestört, dass sich der "anständige" Bürger schon gar nicht mehr in die Innenstadt hinein traute, zumindest abends nicht mehr. Selbst die Stadtsprecherin von Freiburg spricht von ihrer Angst diesbezüglich. Die German Angst vor unordentlichen Verhältnissen, man kennt sie ja.

Nun, wie die Sache mit der Angst funktioniert, sollte ja allen bewusst sein: Da passiert irgendwo, z.B. in einem Stadtpark, irgendetwas. Dieses Erlebnis, was ja immer nur jemand, der jemanden kennt, dem dieses Irgendwas passiert ist, kolportiert, wird dann an phantastische Beinahe-Erlebnisse von irgend jemanden, der jemanden kennt, dem eben beinahe ähnliches passiert sei, wenn nicht der Hund oder der Polizist zugegen gewesen wäre, gereiht. Ächz!

So wird ein verhältnismäßig ruhiger öffentlicher Platz zu einer NoGoArea. Der "anständige" Bürger bleibt ihm fern, der Platz kann jenseits sozialer Kontrolle tatsächlich zum extremen Gefahrenort werden, der nun doppelt gemieden wird. So ist es eben auch mit Innenstädten: Wo das "Normalvolk" sich rar macht, dorthin begeben sich Gruppierungen, die außerhalb der Norm stehen (wollen). Ein Kreislauf, der effektiv nur durchbrochen werden kann, wenn das Mischverhältnis der verschiedensten Gruppen wieder stimmt.

Ob es nun Jugendliche sind, die saufen und randalieren oder Erwachsene, ist in vielerlei Hinsicht unerheblich. Generell ist der unbehelligte Besuch von Flaniermeilen wünschenswert. Mit Verboten kommt man da nicht weit, viel eher werden daseinsberechtigte Lebens- und Ausdrucksformen verdrängt. Da ist die Forstwirtschaft viel weiter: Mischwälder sind en Vogue, da Monokulturen für Krankheiten anfälliger sind und deshalb zur Verödung führen. In Mischwäldern wird auch einmal ein Baum herausgeschlagen, aber niemals steht nur eine Sorte zur Debatte.

Natürlich ist das ein heftiger Vergleich. Doch letzten Endes funktioniert es nur so: Wer auffallend stört, muss damit rechnen, des Platzes verwiesen zu werden. Da muss jeder Fall einzeln und für sich entschieden werden. Man muss den Handlungsbedarf allerdings der Realität anpassen: Auf den Boden spucken oder ein Bierchen trinken sollte allein kein Grund für einen Platzverweis sein dürfen, Gewaltandrohung oder -ausübung hingegen schon. Es gilt das Gebot des Miteinanders und der Toleranz.

Denn in der Freiburger Innenstadt war ja Alkohol keineswegs verboten. Er durfte nur außerhalb der Lokalitäten nicht konsumiert werden. Wenn mir jemand auf die Fresse haut, ist es mir aber egal, ob er volltrunken aus der Kneipe stürzt oder auf der Straße sitzt. Obwohl: Vor dem solventen Kneipengast und seiner bornierten Phantasielosigkeit fürchte ich mich mehr als vor dem bankrotten Straßensäufer!

Und damit sei ein weiteres Problem angesprochen, dass mir selbst nicht ganz unbekannt ist: Wer kein Geld hat, kann eben gerade nicht teuer Geld für Alkohol ausgeben. "Vorgeglüht" habe auch ich mit Freunden, bevor wir uns einen Club aufsuchten. Und im Krankenhaus war ich deswegen auch schon einmal. Das war vor 15 Jahren so und ist auch heute noch Usus bei jungen Menschen. Nur wird der öffentliche Raum seither viel restriktiver gehandhabt. Der Rest der begehbaren Flächen ist privatisiert, was zur Folge hat, dass schon einfaches Herumlungern vor den Geschäften genügt, um verjagt zu werden.

Wo soll man denn bitteschön hin, wenn man jung ist und kein Geld hat? Was soll man anderes tun, als sich die Birne volllaufen zu lassen? Zumal Alkohol ein anerkanntes Suchtmittel einer Gesellschaft darstellt, in der kein Lokalpolitiker Stimmen sammeln kann, ohne ein Bier- oder Weinfass anzustechen? Mit dem Schoppen in der Hand wird dann ein Bevölkerungsteil des maßlosen Alkoholkonsums bezichtigt, während der andere Teil im Bierzelt zustimmend, aber garantiert besoffen, gröhlt.

Ich möchte hier nichts verharmlosen. Wenn aber einige Jugendliche Alkoholprobleme haben, dann ist dies nicht durch Verbote zu lösen. Dazu bedarf es etwas mehr. Wie wäre es mit einer Perspektive oder wenigstens ein bisschen Verständnis für diese endlose Warteschleife so called "Jugend"? Jugend ist ja nichts anderes als das Warten darauf, als erwachsen angesehen zu werden. Dazu braucht es einen Initiationsritus, und Alkoholgenuss ist einer. In einer auf Leistung ausgerichteten Gesellschaft muss es dann halt viel Alkohol sein, denn nur viel ist gut!

Man könnte also auch einmal ein Gesellschaftsbild neu überdenken. Bis dahin will ich mein Bier auch außerhalb von Lokalitäten genießen dürfen, ohne mit einer Strafe belegt zu werden. Denn das ist die Kehrseite der Medaille: Die "friedlichen Trinker" werden ebenfalls ihrer Möglichkeiten beraubt, wenn man (angeblich) zum Schutze der Jugend Alkoholverbote ausspricht. Dies an die Adresse verbotsgeiler Kommunalpolitiker und geldgeiler Kneipenwirte (0,4l Apfelsaftschorle ist übrigens fast überall immer noch teurer als 0,5l Bier!).

Niemand kommt schließlich auf die Idee, beispielsweise den Straßenverkehr lahmzulegen: Dort gab es 2008 bundesweit immerhin über 400.000 Verletze, dazu ca. 4.500 Tote. Demgegenüber stehen 23.000 Jugendliche, die im selben Jahr wegen übermäßigem Alkoholgenuss behandelt werden mussten. Nur eine handvoll starb daran. Beides ist vollkommen unnötig, weil vermeidbar. Nur gilt das eine als Kollateralschaden, das andere aber als endzeitliches, zivilisationsauslöschendes Desaster. Es ist eine seltsame, fremde Welt!

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