Sonntag, 2. November 2008

Do hoscht! Die Monnemer Tort'!

Da steht man nun im Café Mohrenköpfle in der Neckarstadt und ist bereits ganz dizzy von der sich viel zu schnell drehenden Torten-Scheibe, und dann soll man die am Auge vorbeihuschenden Torten noch benennen können. Wie soll das gehen? Vor allem, wenn ein ganz fieser Druck von Millionen hintanstehender KundInnen auf einem lastet? Dann kann nur noch ein S.A.U. passieren: Der schlimmstanzunehmende Unfall!

Ganz unwillkürlich zeige ich auf eine liebgewonnene Torte, die nette Bedienung auf der anderen Seite kann nur ahnen, welche ich meine und verlangt nach dem Namen der süßen Kreation. Daraufhin verfalle ich, hunderte weiterer KundInnen sind meine Zeugen, ganz unwillkürlich in den Mannheimer Dialekt und sage: "Wuher sollichen des wisse, wie die Tort do häse duud? Isch meen die mit de Schokolad do vornne, zwää Stigg biddeeeh!", von der Sorte, die ja kurz darauf schon wieder "dohinner" ist und mich einen Sekundenbruchteil später wieder "do vornne" anlacht.

Die Zeit steht still, ist tiefgefroren. Für einen Moment hört die Torten-Scheibe sich auf zu drehen und eine herunterfallende Kuchengabel bleibt in der Luft stehen. Währenddessen schießt mir so einiges durch den Kopf, mitunter der Gedanke, mir sofort auf die Zunge zu beißen, was ich auch tun würde, stünde die Zeit nicht still. Was ist da gerade passiert? Und wieso mir?

Habe ich mich nicht immer lustig gemacht über diesen merkürdigen Dialekt, den man hier spricht? Habe ich pöbelnde Monnemer nicht dadurch verbal ausgeknockt, in dem ich ihnen stets entgegen rief: "Es tut mir leid, ich kann Sie nicht verstehen. Sprechen Sie bitte deutsch!"? Habe ich mich nie irritiert darüber gezeigt, dass sich Mannheim als Stadt der Sprache präsentiert, obwohl es eher so aussieht, dass die Sprache ihre Flucht aus Mannheim vorbereitet? Oder längst schon vollzogen hat?

War es nicht immer besonders nervig gewesen, einen Taxifahrer in die Kliggnett-Stroß' bestellen zu müssen, weil man hier offenbar nicht weiß, wie man französische Namen auspricht, überhaupt sogar einfach nicht zu erkennen vermag? "Bitte kommen Sie zur Clignet-Straße". "Häh? Ach, Sie määnen die Kliggnett-Stroß?". Klar, Napoleon kam ja nur bis zur linken Rheinseite, und die widerständige Mannheimer Natur weigerte sich, auch nur ein Deut Frankophonie anzunehmen.

Aber auch die Bedeutung von Doppelkonsonanten ist hier weitgehend unbekannt. Und wenn das E noch dazu phonetisch kaum vom I zu unterscheiden ist, wird aus der Egellstraße schnell die Igel-Stroß'. Dann kommt die bestellte Pizza halt nicht, was soll's? Immer schon tat ich mir damit schwer, und zwischendurch hatte ich sogar allergrößtes Verständnis für Friedrich Schiller, dass er aus dieser Stadt floh. Wer kann es ihm verdenken?

Aber leider bin ich sehr empfänglich für Fremdsprachen, schnappe hier was auf und auch dort. Und so kam die Monnemerisierung meines Sprachverhaltens schleichend. Ganz tückisch kam sie, dabei verdammt hinterhältig. Ich selber sollte ihr spätes und widerständigstes Opfer sein. Und noch dazu gab es Zeugen! Insbesondere hoffe ich nun, dass niemand meinen kleinen Ausrutscher aufgezeichnet hat und ihn bei YouTube! einstellt, mit einer bei GoogleMaps herauskopierten Bilddatei.

Das alles denke ich, als die Zeit im Café Mohrenköpfle kurz stehen bleibt. Dann folgt ein Schmerz auf der Zunge. Aha, die Zeit! Wieder da! Der Kuchen dreht sich, endlos, und ich bekomme anstandslos meine zwei Stück Torte verpackt, die ich in die Heimstätte dieser gedankenverlorenen Zeilen verbringe, sie gleich auf hübsche Kuchenteller auflade und meiner wartenden, lieben Frau C. kredenze. Ich sage: "Do hoscht!", und sie sagt: "Donge!"

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