Immer noch werde ich von FreundInnen gefragt: "Nun, MetroBoy, wie geht es Dir denn so in Mannheim? Alles fit im Schritt?". Meist antworte ich: "Oooch, is' ganz okay hier, man müsste hie und da noch etwas nachbessern, aber ansonsten..." Ich verschweige gerne, dass ich mangels adäquater Kneipen weniger weg und dank üppiger Mahlzeiten mehr in die Breite gehe. Sei's drum! Es ist ein Zeichen tiefer Einsicht, nicht mehr jeder Party hinterherrennen zu müssen und dabei fett zu werden.
Manchmal aber schäme ich mich auch für Mannheim. Insbesondere der Hang der MannheimerInnen, das Herz auf der Zunge, dieses also nicht immer am rechten Fleck zu haben, beschwert meine Unbekümmertheit. Neulich zum Beispiel war mein guter Freund RonJustice zu Besuch, und wir gingen zusammen mit BionicWoman in den hochgelobten Film "No Country for Old Men". Was soll ich zu diesem Film sagen? Er hat ein paar Oscars gewonnen, aber wen interessiert das wirklich? Außer vielleicht das Publikum des Cinemaxx, das möglicherweise fehl am Platze war. Nicht jeder Oscar- Gewinner ist massenkompatibel.
Ich habe ähnliches tatsächlich noch nie zuvor erlebt: Während der Vorstellung klingelten ungefähr dreißig Mobilfunktelefone verschiedener BesitzerInnen, einer ging sogar ran, und das Pärchen neben mir schien jede Einstellung des Films raunend kommentieren zu müssen. Sie, vom Typ kleines Mäuschen sucht zärtlichen Teddy, der ihr die Welt erklärt, verstand den Film nicht, und er, vom Typ zärtlicher Teddy, der kleinen Mäuschen die Welt erklärt, tat sein Bestes, das Gesehene zu erläutern.
Da ich weiss, dass pure Blödheit immer obsiegt, und man deshalb eher das Gegenteil von Ruhe bekommt, wenn man sie einfordert, verhielt ich mich still und grollte dennoch. BionicWoman hingegen verwies die StörerInnen leider erst gegen Ende des Filmes, was trotzdem Wirkung zeigte. Wow! Hätte ich das geahnt! Doch der Flow war beinahe dahin, und es war schwer, die Handlung der bewegten Bilder ungetrübt einzufangen.
Als dann der doch sehr überraschend einsetzende Abspann über die Leinwand rollte, stand ein mittelaltes Pärchen vom Typ Zuchthausverwandschaft und zugehöriger Alkoholszene polternd auf, und das Weib brüllte durch den Raum: "Jetz geht mer noch zwanzisch Johr ehmol widder ins Kino, und dann kummt so ein Scheiß". Da ich den schönen Brauch pflege, einen Film über den Abspann hinaus zu goutieren und ihn innerlich noch einmal zusammenfassen, fühlte ich mich sehr gestört, und deswegen kann ich zu dem Film aber auch gar nichts sagen. Es ist so als hätte ich ihn nicht gesehen oder das Gesehene wäre irgendwie unrein.
Und ich schämte mich meiner Fettheit wegen und sämtlicher Menschen, mit denen ich die Stadt teilen muss. Ich schämte mich wegen RonJustice, der eigens aus seiner Kleinstadt in der Pfalz zu Besuch war und trotzdem so viel mehr Stil hat. Und ich bekam die Angst des Paranoikers, sich langsam in das zu verwandeln, was man am meisten ablehnt. Und was wäre dann? Würde ich meine gute Erziehung vergessen? Würde ich mir übergroße Autos kaufen wollen und den Gürtel noch drei Löcher weiter schnallen müssen? Würden sich Freunde von mir abwenden deswegen? Sie würden!
Denn es trifft mich große Schuld! Ich habe schlecht gegoogelt. Filme wie diesen, von den wunderbaren Coen- Brüdern produziert, darf man sich eben nicht in dem Vollprollkino Cinemaxx ansehen. Hätte ich die Trefferliste noch weiter durchsucht, wäre ich nämlich darauf gestoßen, dass dieser Film auch im Atlantis läuft. Die Gleichung lautet: Besseres Kino = besseres Filmpublikum = besserer Filmgenuss = weniger Scham und Paranoia! Denn nur wenige der MannheimerInnen sind wirklich so beknackt, die meisten gehen nämlich voll okay!
2 Kommentare:
Aber mal ehrlich, die Multiplexe dieser Republik sind doch alle mit gleichem Publikum besiedelt. Ob jetzt am Potsdamer Platz oder in den Quadraten. Am besten unter der Woche gehen, dann gibts weniger Leute = weniger Idioten :)
right, das stimmt! idiotie ist längst nicht mehr ein regionales problem. und unter der woche wäre es sicher besser gewesen.
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