Sich biegen, bis die Balken lügen! |
Eigentlich sind parlamentarische Debatten die Grundlage der Demokratie. Und die sollen die Bevölkerung eigentlich mit auf die Reise nehmen. Leider geht die eine der Reisen in die parlamentarische Unmündigkeit. Schließlich sollen die Euroländer unter bestimmten Bedingungen ihre fiskalische Unabhängigkeit einbüßen können. Und bis auf ein paar klagewütige Bürger- und Politiker_innen scheint das kaum jemand zu interessieren. Der Herr Gauck will nun seine Schäfchen darüber aufgeklärt wissen, was da so passieren soll in nächster Zeit. Aber ändern wird das an der Sache selbst nichts: Demokratie heutzutage ist, wenn man vor mehr oder weniger gut erklärte Tatsachen gestellt wird, ohne selbst in den Entscheidungsprozess eingebunden zu sein.
Genau so springt man mit Kindern um: Denen muss man auch oft genau erklären, warum sie dies und jenes nicht dürfen und warum die Eltern so oder so handeln müssen. Es ändert sich zwar nichts für das Kind, aber immerhin wird ihm so klar gemacht, WARUM alles so ist, wie es ist. Kinder haben dafür zwar kein Verständnis, akzpektieren aber angelegentlich das Gesagte schulterzuckend. Und manchmal auch schniefend und schluchzend. Der freiheitsliebende Herr Gauck erklärt uns Kinderlein, wie frei man in der Unmündigkeit sein kann. Das ist ein sehr christlicher Gedanke: Glaube Du nur fein an das Unwahrscheinlichste, und Du bist frei! Solange wir Dir sagen, woran Du glauben sollst, wird alles gut. Und wenn Du vorher schon weißt, was man Dir zumuten wird, dann kannst Du es umso klagloser ertragen.
Mein Glaube ist nun dermaßen erlahmt, dass ich wohl einen spirituellen Einlauf brauche. Da kommt folgende, mir zugetragene Botschaft gerade richtig: Ein Servicetechniker für Kopiergeräte habe behauptet, dass der häufigste, irreparable Schadensfall am Kopiergerät wohl dem Drang einzelner Menschen zu verdanken ist, sich auf den Kopierer zu setzen und ihren Allerwertesten zu blitzdingsen. Die ein oder andere Scanfläche sei darauf physisch, vielleicht auch psychisch geknickt.
Und Schwupps, ich glaube wieder! Denn ich halte das für höchst plausibel: Man muss sich einfach vorstellen, welches Personal unter welchen Umtänden in Großraumbüros und Verwaltungen arbeitet. Es geht morgens rein und geht abends wieder raus, ohne irgendjemandem erklären zu können (am wenigsten wohl sich selbst), was man eigentlich den ganzen lieben langen Tag so getrieben hat. "Ich habe dann Formvorlage A dreimal kopiert, gestempelt und unterschrieben, dann wieder rausgeschickt, um den Rücklauf besser bewerten zu können." "Aha, Schatz, komm lass uns essen gehen. Dann kannst Du mir mehr darüber erzählen." Es sind dies Vorgänge von allerhöchster Abstraktion. Der Angestellte säht nicht, er erntet nicht, aber er ernährt sich doch.
Sich hingegen auf einen Kopierer zu setzen, den blanken Hintern dreimal zu kopieren, das Ausgedruckte hernach zu stempeln, zu unterschreiben und herumzuschicken, um den Rücklauf besser bewerten zu können, ist dagegen ein äußerst greifbarer Vorgang, der zwar nicht unbedingt die eigentliche Arbeitstätigkeit korrekt umschreibt, aber beim Zuhörer immerhin eine Ahnung von ihrer Absurdität aufkommen lässt. Es ist dem Menschen auf jeden Fall bestimmt, ab und an der Tristheit des Alltags zu entkommen und wenigstens im Kleinen abzuweichen. Im Büro gibt es dafür nur wenige Möglichkeiten.Gut, man könnte auch Aktenordner vögeln. Aber will man sich wirklich an demnächst zu schreddernden Amtsvorgängen vergehen?
Eine frühere meiner diversen Arbeitsstellen ist einer Stadtverwaltung angegliedert. Meine Kolleg_innen hielten gerne vornehm Abstand, aber zur Weihnachtfeier musste eine Delegation abkommandiert werden. Ich zog das kleinere Streichhölzchen und bekam dafür einen zusätzlichen Tag frei. Die Weihnachtsfeier war recht lustig. Es war interessant zu beobachten, wie in einer Verwaltung tätige Menschen ihr Korsett für einen Tag im Jahr ablegen und buchstäblich auf den Tischen tanzen. Mir war die sexualisierte Atmosphäre jedoch etwas zu aggressiv, so dass ich mich spätestens dann zurückzog, als eine Mitarbeiterin unter frenetischem Gejohle seitens ihrer Kollegen einen Teil- Striptease hinlegte, dann zu mir kam und mir mit ihren Brüsten links und rechts Ohrfeigen zu geben drohte.
Ich floh und verzichtete auf eine Anzeige wegen sexueller Belästigung, so dass ich davon ausgehe, dass betreffende Person immer noch in jener Stadtverwaltung arbeitet. Ebenso gehe ich davon aus, dass der ein oder andere Kopierer Risse auf der Scanoberfläche hat und dass einmaliges Abweichen von der Norm keine besonderen Konsequenzen nach sich zieht. Ganz im Gegensatz zu den für den Beschäftigten unbewußt ablaufenden, weil automatisierten Vorgängen in Verwaltungen, die ganz bestimmt große Folgen für die Betroffenen nach sich ziehen. Man könnte sich freilich bemühen, ihnen in weniger bürokratischem Ton zu erklären, warum dies oder jenes notwendig ist. Aber ändern würde es wohl nichts: Es wäre lediglich eine Verlautbarung des Unvermeidlichen. Es wäre ein Fall für den BuPrä!
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