Montag, 31. Mai 2010

Harry Potter ist tot! Unser Bundeshorst ist zurückgetreten!

Ich weiß, das ist eine billige Ranschmeiße, diese Schlagzeile. Aber sonst kriegt es ja mal wieder keiner mit, wenn ich den Tod des genialen Künstlers und Schauspielers Dennis Hopper beklage. Kaum ein Schauspieler stand so sehr für Renitenz und Rebellion wie er. Sogar M. Brando war ein Weichei gegen ihn. Dafür und für ein paar großartige Auftritte in Spielfilmen wie Blue Velvet oder Apocalypse Now, je nun: und die Regiearbeit bei dem unvermeidlichen Easy Rider, muss man dankbar sein. Alles Gute auf die Reise!

Unser Bundeshorst ist zurückgetreten. Hat doch gar nicht weh getan. Vergessen schon seine Attacken gegen fiese und nicht so fiese Gesetze von fiesen und nicht so fiesen Politikern. Aber den Herrn Köhler braucht so richtig niemand, auch wenn er wenigstens einmal die Wahrheit aussprach, aber leider gleichzeitig zur Aufforderung postuliert hat: Man müsse bei Militäreinsätzen auch die ökonomischen Aspekte erwägen, um sie nachgerade zu legitimieren. Ach was? War das denn nicht sowieso schon immer so?

Krieg, wenn überhaupt, dient doch wohl nur ökonomischen oder geostrategischen Interessen. Sogar der Einsatz religiöser Gefühlsduselei ist immer nur Mittel zum Zweck - wenn vernünftige Gründe nicht ausreichen, wird halt irgendein Gott hervorgekramt. Sollten die Kriege der westlichen Allianz tatsächlich ausschließlich humanitär sein, dann würden sie überall dort geführt werden, wo Menschen unterdrückt werden - sei es von Großkonzernen oder anderen Regimes.

Auffälligerweise wird aber nur dort reingefunzt, wo Rohstoffe zu holen sind oder wenigstens ein paar Aufträge für den Wiederaufbau. Das Wohlergehen der umkämpften Bevölkerung ist da nur zweitrangig, ein positiver Nebeneffekt sozusagen! Kriege werden geführt aus Neid, Bedrängnis, drohendem Machtverlust oder gar Hunger bzw. Durst.

In jedem vernünftigen Western ist dies ein zentrales Thema. Und in denen hat Dennis Hopper ja auch ganz gerne mal mitgespielt. Wenn ich die Wahl hätte, wäre Dennis Hopper unser BuPrä, und Horst Köhler... nun ja, ich bin ja nicht der liebe Gott. Wär ich aber gern!

Und ach, wo wir gerade bei Western, Schauspielern und begnadeten Regisseuren sind: Herzlichen Glückwunsch zum 80sten, Herr Eastwood.

Sonntag, 30. Mai 2010

Opfer und Täter! Karstadt und der böse Wolf!

Selbst da, wo man es kaum vermutet, kann ein ganz banaler Einkauf zum Abenteuer werden. Ein solcher Abenteuerspielplatz für Konsumenten ist zum Beispiel der Karstadt am Hermannplatz. Nicht nur, dass er sich ganz wunderbar dafür eignet, den Weg zur Bushaltestelle zu verkürzen, trotz aller Wegelagerer im Innern, die sich selbstredend nur an den verengten Stellen der Verkaufsräume plaudernd aufhalten und nicht etwa an den geräumigeren Orten.

Der Mensch, so ist beaobachtbar, ist tatsächlich ein Opfertier, dass sich freilich äußerst erfolgreich durchgesetzt hat. Wahrscheinlich der Befähigung zur Dialektik geschuldet, welche den Täter zum Opfer macht und das tatsächliche Opfer zum Täter. So sucht der Herdenmensch gerne beengte Durchschlüpfmöglichkeiten (Türrahmen, Gänge, Rolltreppenan- und absätze etc.) zum geselligen Aufenthalt. Von dort aus ist es nicht nur einfach, sich der Gefahr wegen in die weite Steppe der Verkaufsregale zu flüchten. Die Jäger verlieren kostbare Zeit und viel des eleganten Schwungs, um ihrer Beute nachsetzen zu können.

Wozu also in die Universität, um soziologische und psychologische Aspekte menschlichen Verhaltens zu studieren? Ein einziges Warenkaufhaus reicht aus. Wölfe im Schafspelz zum Beispiel sind die Verkäufer/ Berater (ausschließlich männlich) in der Elektronikabteilung. Man winkt sie herbei um diese oder jene Information zu diesem oder jenen Produkt zu erhalten. Aber nicht so voreilig: Zunächst muss noch der Kunde bedient werden, der finanziellen Spielraum zu haben scheint.

Die Eckzähne des Verkäufers blitzen leicht im milden Licht der künstlichen Beleuchtung. Er ist hungrig, schon beinahe irre vor Schwäche, doch bald wird er seine Beute zu Fall gebracht haben. "Ja, wenn man einen Einkauf natürlich nur vom Portemonnaie abhängig macht, dann kann man sich so ziemlich alles kaufen. Bloß keine Qualität. Schauen Sie hier: Sieht zwar einigermaßen aus, ist auch billig, aber hören Sie nur wie das klingt... schrecklich, oder?"

Der Verkäufer betont noch, dass er vom Fach komme, eigentlich sei er sogar in der Entwicklung von Lautsprechersystemen tätig gewesen. Der solvente Käufer oder jener, der bereit ist, noch was drauf zu legen für den guten Namen eines Produktes, der aber auf keinen Fall den Eindruck erwecken möchte, er könne sich lumpige 100 Euro mehr nicht leisten, nickt leicht abschätzig. "Klingt ja wirklich schrecklich!" Dann doch lieber die hochpreisigen Modelle herzeigen. Kaufen. Einpacken.

Ich werde offenbar als schwieriger Kunde betrachtet. Obschon ich zwar rein äußerlich, wenn auch fälschlicher Weise, eher den Eindruck vermittle, ich hätte irgendwelches Geld: Irgendwie sieht man mir auch an, dass ich nie viel Geld für technisches Gelump ausgeben würde. In der Buchabteilung kann man mir vielleicht alles aufschwatzen, aber nicht bei Elektroartikeln. Ich schaue unglaublich gebildet aus, muss man sagen. Und ich schaue auch aus, als sei ich unglaublich selbstironisch. Deshalb übersieht man mich in der Elektroabteilung geflissentlich. Ich bin dort ein absolutes NoGo.

Trotzdem brauchte ich kürzlich einen Rat: Für eine künstlerische Arbeit benötigte ich drei autarke Boxensysteme. Die sollten einigermaßen nach was klingen, eine ausreichende Lautstärke haben, gut aussehen und natürlich nicht viel kosten. Von meinen künstlerische Arbeiten erwarte ich zwar und schließlich keine Rentabilität, aber verschulden möchte ich mich deshalb noch lange nicht. Ich nannte dem Verkäufer die Preisspanne, woraufhin der leicht die Augen verdrehte: Ich habe es genau gesehen.

Der Verkäufer zeigte mir widerwillig "billige" Soundsysteme, nur um darüber verächtlich zu rapportieren. Mein Hinweis, ich hätte zu Hause ein vollkommen ausreichendes Exemplar der Marke so und so, dass einigen Wumms hätte und nur ca. 30 Euro gekostet hätte, wurde milde belächelt: "Da irren Sie sich bestimmt. Das kann gar nicht sein." Der Verkäufer betont noch, dass er vom Fach komme, eigentlich sei er sogar in der Entwicklung von Lautsprechersystemen tätig gewesen.

Nun, es gab kein Weiterkommen. Tatsächlich klangen die Soundsysteme wie Arsch und Friedrich. Nun war ich aber nicht bereit, dermaßen viel Geld für benötigte Geräte auszugeben, wie man es mir Vorschlug. Dazu hätte ich denn auch noch MP3-Player gebraucht. Unnötig zu erwähnen, dass die von mir ausgesuchten Modelle zu nichts taugten. Ich verließ die Elektroabteilung ohne Einkauf und irgendwie ratlos.

Zuhause recherchierte ich im Internet und fand alles was ich brauchte innerhalb weniger Minuten. Alles wurde geliefert, funktionierte tadellos und evozierte den gewünschten Effekt. Die künstlerische Arbeit wurde zu einem Erfolg, wenn sich das auch nicht pekuniär ausgewirkt hatte. Alle Geräte taugten was, sahen gut aus und waren günstig. Was will man mehr?

Das eigentliche Abenteuer im Karstadt hatte ich aber erst gestern: Ich wollte einfach nur einen DVD-Player (günstig und hübsch) kaufen, der die eine oder andere Funktion hatte. Um nicht aufzufallen, versteckte ich mich sicherheitshalber vor dem Fachpersonal. Der Wolf nahm Witterung auf, doch er konnte mich nicht finden. Ich schlich um die Geräte herum, verglich selber und hätte nun doch einen Rat gebraucht. Ich hielt mich jedoch vornehm zurück: Sollte etwas nicht funktionieren, gibt es ja noch den Umtausch auf Kulanz. Ich schnappte mir ein Gerät und brachte es so dermaßen unauffällig zur Kasse, ich hätte es problemlos stehlen können.

Nun steht Karstadt schon lange zum Verkauf. Ein neuer Interessent hat den Tag der Veräußerung um eine Woche verschoben. Am 7. Juni soll es so weit sein. Was wird mit dem Kaufhaus am Hermannplatz geschehen? Muss man zukünftig um ihn herumlaufen, wenn man zum Bus will? Werden Soziologie- und Psychologiestudenten zukünftig an der Universität studieren müssen? Blecken Wölfe nun in den engen Gassen Neuköllns ihre Zähne, wo sich das Opfervolk bereit zur Flucht aufhält? Werde ich mich weiter vor meiner Steuererklärung drücken, indem ich hier einen Blog nach dem nächsten abdrücke? Fragen über Fragen, und keine befriedigende Antwort!

Samstag, 29. Mai 2010

Der Zahlmeister der EU! Sogar der Grand Prix de Eurovision will unser Bestes!

Vom unternehmerischen Standpunkt betrachtet sind Einnahmen immer dann vorhanden, wenn nichts ausgegeben wird. Geld, das der Unternehmer nicht ausgibt, ist also immer auch eingenommenes Geld. Das widerspricht eklatant dem fiskalischen Gedanken, der davon ausgeht, dass nicht ausgegebenes Geld im Prinzip überflüssiges Geld sei und von daher dem Staat überantwortet werden müsste. Ist es bei dieser Unvereinbarkeit beider Prinzipien nicht verständlich, wenn sich Unternehmer winden, um etwaigen Zahlungen zu entgehen? Sind Fiskus und Unternehmer nicht jeweils Teil einer destruktiven Beziehungsform? Wer von beiden muss deswegen zur Therapie?

Da hat sich der Staat geleistet, dem hoch verschuldeten Griechenland 22 Milliarden Euro zu leihen. Unternehmer, Adelige und Leserreporter laufen Sturm. Das Geld bekomme man nicht mehr zurück, damit hätte man Besseres anfangen können. Steuererleichterungen für die einen, und höhere Löhne für das Prekariat. Selten so gelacht! Seit wann wird Geld direkt an die Bevölkerung ausgeschüttet? Der Staat hat ja nie das Geld für Bildung, Infrastruktur und soziale Gerechtigkeit. Wenn Banken ihr Geld in den Sand setzen, dann gibt es dann doch noch irgendwo lumpige 400 Milliarden Euro. Wenn es aber um verliehenes Geld geht, dass wir nie wieder sehen, dann ist das für Griechenland nur ein Peanut gegen das für UNSERE Finanzmärkte. 

Zumal diese Milliarden ja auch nur dazu dienen, damit die Griechen ihre Schulden bei deutschen Banken zurückzahlen bzw. neue Kredite aufzunehmen können. Es fließt also alles wieder zurück. Zwar nicht an den Staat, der wir ja irgendwie auch alle sind. L'État c'est moi, sagen da unsere Politiker. Sie haben das demokratische Prinzip missverstanden. Und schon befinden wir uns in einer Dreiecksbeziehung, in der keiner glücklich werden kann. Der ungeeigneste Therapeut ist die Fußball-WM. Auch der GPI heute Abend mit Lena Schleyer-Landshut wird die Bundesrepublik nicht einen.

Die BRD, der Zahlmeister der EU: Er vergisst, wie sehr er selbst davon profitiert. Das meiste Geld fließt zurück. Schon mal überlegt, warum die Lebensmittel so günstig sind? Wo Ihr Arbeitgeber seine Projekte her hat? Wie unsere Bauern überleben können bei den Milchpreisen? Wohin die BRD so kostengünstig exportiert? Ich fand es bei meinem kürzlichen Besuch in Griechenland jedenfalls interessant, dass Milchprodukte, Softgetränke und Konfitüren fast ausschließlich in der BRD hergestellt wurden. Griechenland ist kein Exportweltmeister. Dass die Griechen ihre Ware nicht loswerden, liegt nicht an der ihnen unterstellten Faulheit: Ganz Europa schimpft mittlerweile auf die deutsche Exportpolitik und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft der Mitgliedsstaaten. Fast nirgendwo in Europa wird so billig hergestellt wie in der BRD. Da können andere Länder nicht mithalten. 

Zusammengerechnet also 422 Miliarden Euro für deutsche Banken sind beim Zahlmeister der EU trotzdem noch locker drin. Das ist eine ganze Menge Geld. Leider kam bisher keiner auf die Idee, dass man es auch für schöne Sachen ausgeben könnte. Mit dieser Summe könnte man zum Beispiel jedem Bundesbürger ein Jahr lang 500 Euro monatlich auszahlen. Und da sind noch nicht einmal jene Transfergelder drin, die die BRD ohnehin schon augibt. Man hätte endlich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen anfangen können. Das hätte die Konjunktur wieder zum Laufen gebracht. Phantasielose Menschen aber finden es richtiger, dieses Geld unseriösen Geschäftsleuten in den Rachen zu stopfen und der Allgemeinheit weitere Zumutungen zu prognostizieren.

Besonders schön sind die Ideen aus dem Hause FDP. Dort versucht man ja ohnehin den leisesten Ansatz gerechter Geldverteilung zurückzuschneiden. Genau betrachtet ist nämlich Harz IV ein Grundeinkommen, wenn auch nicht bedingungslos. Und eben diese FDP will nun den Langzeitarbeitslosen, quasi unser Ambivalent zu den Griechen, eine Wohnkostenpauschale aufdrücken. Harz IV- Empfänger tanzen bekanntlich den ganzen Tag und sind fröhlich, sie schlemmen Luxuslebensmittel und machen sich über die hart arbeitenden Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Republik lustig. Die bundesdeutsche Logik besagt nämlich folgendes: Wenn es arbeitenden Menschen schlechter geht als nicht arbeitenden, dann muss es Letzteren eben schlechter gehen. Keinesfalls kommt man aber auf die Idee, dass es lediglich den arbeitenden Menschen besser gehen müsste.

Und da schließt sich der Kreis: Der Staat hat mehr Einnahmen durch weniger Ausgaben erzielt. Diese eingesparten Gelder werden für den Schuldenabbau genutzt. Raten Sie mal, bei wem der Staat Schulden hat? Und deswegen tue ich mir gerade sehr schwer, meine Steuererklärung für das Jahr 2009 fertigzustellen. Denn ich weiß, dass ich dieses Mal nichts zurückbekomme, sondern Steuer zahlen muss. Der Staat bekommt also seinen Anteil an meinem Verdienst und zahlt damit wiederum seine Schulden. Mir aber scheint es um so viel einfacher zu sein, wenn das Geld gleich auf meinem Konto bliebe. Eine unschöne Zeitverschwendung: Arbeiten, um zu zahlen! Die FDP wird auch dieses System zu perfektionieren wissen.

Dienstag, 25. Mai 2010

Der Berufsjugendliche Roland Koch geht! Er wächst bestimmt nach!

Schönes Wetter ist schon wieder passè, Großstadtparanoia und Tötungsphantasien sind erstmal beseitigt. Denkt denn hier irgend jemand auch mal an mich? Dacht' ich's mir doch! Der Prophet gilt im eigenen Lande nichts. Hitler musste ja auch erst nach Deutschland kommen, bis er es ordentlich rummsen lassen konnte. Doch wo soll ich hin?

Nein, mich selbst mit Adolf Hitler vergleichen zu wollen, verharmlost ja dann wohl doch die gar nicht allzu lang her gewesene Zeit deutsch-totalitärer Strukturen. Und damit meine ich nicht die Täterääh! Auch wäre es geschichtsvergessen, mich mit einem Herrn Goebbels zu vergleichen (nicht dem Heiner), wie es kürzlich ein Kommentator hier versuchte. Ich bin eigentlich ganz nett, nur manchmal bin ich furchtbar BÖSE!

Vergessen wir Hitler und Goebbels und wenden uns dem Herrn Koch zu, der angekündigt hat, sämtliche (?) politische Ämter zum Ende des Jahres abzugeben. Nach dem beruflichen Abtreten von Bischof Mixa DIE Nachricht des Monats. Wenn nicht sogar des Jahres. Wäre ich CDU- Wähler und Parteimitglied, ich müsste ganz arg weinen vor Kummer. Bin ich aber nicht, meine Tränen sind die der Freude.

Der CDU- Wähler und das Parteimitglied, aber auch der kleine Hitler in mir: Sie alle schätzen den Herrn Koch als Landesvater mit politischem Fingerspitzengefühl und der rechten Gesinnung, welche aus Deutschland das Boot macht, in das nicht mehr alle hinein passen können. Es ist das Gegenboot sozusagen, der Frontexkahn, dessen nachgelassener Wellengang die Boote der Flüchtlinge im Mittelmeer zum kentern bringt.

Herr Koch hat großes Verständnis für jene, die nicht gekentert sind und auch für deren Nachkommenschaft. Denen baute er Paläste aus Stacheldraht, Käfige aus Nirostastahl mit integrierten Essensbonautomaten, auf dass diese Menschen wenigstens bis zu ihrer Abschiebung hin in den Genuss landestypischer Kost kommen können. Ungeachtet ihrer religiösen Essensvorschriften natürlich. Ein bisschen Christianisierung muss halt sein!

Seine freundschaftliche Nähe zum Dalai Lama hat sicher Kochs Faible für die Jugend noch befördert. Koch ist, Bilder beweisen es, Berufsjugendlicher! Aber wer nicht spuren will, muss auf Spur gebracht werden. Da hat auch der Lama bestimmt nichts gegen einzuwenden, steht der doch traditionell bedingt ebenfalls auf autoritären Füßen. Wenn also junge Menschen, noch dazu nichtdeutsche, nicht den Pfad der Erleuchtung finden können im optimal ausgestatteten Bildungssystem des Bundeslandes Hessen, dann werden sie gewiss in anderen Anstalten geläutert.

Schade, dass man jugendliche, deutsche Kriminelle nicht abschieben kann. Bauen wir auch ihnen Paläste aus Stacheldraht und lassen sie die Freuden erzwungenem, homosexuellen Geschlechtsverkehrs erfahren. Wozu aber Knäste, Herr Koch, wenn es doch auch katholische Pfarrer gibt? Was hätte man da Geld einsparen können, gerade in Zeiten klammer Kassen? Zumindest zu Bischof Dybas Zeiten hätten im hessischen Nachkriegs-KZ Fulda wahre Wunder geschehen können, rein erziehungstechnisch. Die Kinder hätten die Dialektik von offen zur Schau getragener Homophobie und homoerotischen Machtphantasien der Würdenträger bewundern können. Bildung, fast für umsonst!

Und da hat es der Herr Koch lieber bewerkstelligt, dass MigrantInnen endlich einmal Farbe bekennen mussten und der ganze Quatsch mit der doppelten Staatsbürgerschaft gerade noch abgewendet werden konnte. Wo gibt's denn sowas? Der Papst, nun ja, der darf das. Wenn wir DEM die deutsche Staatsbürgerschaft aberkennten, weil er ja nun im Vatikan lebt, dann wären WIR ja nicht mehr Papst. Wozu haben wir denn das C im Parteilogo?

Und die Parteispendenaffäre, da muss ich Ihnen ja mal sagen, da war der Herr Koch auch ganz geschickt. Hat sich aus allen Vorwürfen heraus laviert und brutalstmögliche Aufklärung versprochen. Dann alles ausgesessen. Aufgeklärt ist nichts. Ein paar ehemalige Granden der CDU wurden der Justiz ausgeliefert, das war's dann. Ein Schurkenstück, das hatte fast schon Strauß'chen Charakter. Da zwinkern wir doch lieber geheimnistuerisch mit den Augen als dass wir klagen.

Wer lügt nicht gern, wenn er nicht dafür bestraft wird? Noch nicht einmal vom Wähler? Die denken: Die paar Millionen. Ein Wahlkampf führt sich nicht für lau. Der Gauner, der (hihi)! Da brauchen wir doch das Geld der toten Juden. Und dem lebenden, dem Herrn Friedmann, spendieren wir noch einen Nazi-Begleitschutz. Ein bisschen Spaß muss schließlich sein.

Nun geht er halt, der Herr Koch. Der Nachfolger scheint Volker Bouffier zu sein. Ebenfalls ein großer Spaßmacher der Partei und berühmt für seine herzliche Art, all das auszusprechen, was sich sonst keiner traut. Die Weicheier. Fatal ist nur, dass offenbar genug WählerInnen dieses polarisierende Geschwätz richtig und mutig finden. Wer schaut gern in mein Herz hinein? Es ist das liebe Nazischwein!

Sonntag, 23. Mai 2010

Entspannt Euch, Ihr Stadtspinat! Pull Trigger: Click Kill Kill Kill!

Ach ist es nicht schön? Reinstes Frühlingswetter treibt uns hinaus, lässt uns irren in der Wahl der Kleidung (doch noch zu leicht, mein Rock und meine Bluse, ich friere, und die Härchen an meinen Armen stellen sich leicht auf). Wir erfreuen uns auch an der tendenziell steigenden guten Laune anderer Menschen. Mit nichts an als mit einem guten Buch setzt man sich also an ein sonnenbeschienenes Ufer oder auf eine Parkbank und lässt gut Ding lange Weile sein. Betrachtungen sind des Königs neue Kleider, und sie stehen ihm so gut, dass der König keine Ohrstöppsel braucht, um sich Gesehenes oder Gehörtes wegzudröhnen.

Derweil dieses hier geschrieben wird, sitze ich natürlich an keinem Ufer und auf keiner Parkbank, und selbstredend höre ich Musik, in diesem Falle die "Kolossale Jugend", altehrwürdige Band aus Hamburg, lange schon tot, aber mit jeder Silbe und jedem Ton die Wahrheit sprechend. Gestern Erlebtes will sich hier in die Zeilen drängen und schlägt mir zum Behufe desselben  eins in die Fresse, fingert mir ins Gesicht, Aufmerksamkeit erheischend: schreib schreib schreib, schreib Du Stadtspinat! Dieser Text ist keine Party!

Gestern (noch kein Krieg): Da sitze ich also alleine auf einer der großteils abgeschraubten Parkbänke am Paul-Linke-Ufer, diese Angeberpromenade mit all seinen satten Stinos und den achsokreativen, LUSTIGEN (weil bunten) jungen Austauschstudenten. Ich lächle zufrieden wie ein Buddha auf Drogen und bin recht froh. Wo soll ich sonst hin, wie sonst soll ich sein? Im restlichen Kreuzberg, Treptow und Neukölln ist der Kanal zugesperrt, die Mauer kommt zurück: Jetzt handelt es sich noch um einen Bauzaun, aber wartet nur...

Versonnen betrachte ich all die jungen und alten, auf alle Fälle aber ängstlichen, Muttis, wie sie ihre Kinderwägen schieben und sich alle paar Meter lang darüberbeugen, um nach dem Rechten zu schauen. Womöglich hat das Kind in den letzten Sekunden nun doch einen Sonnenbrand bekommen, oder es ist ihm plötzlich kalt, oder nicht vielleicht zu warm? Sind ihm möglicherweise Flügel gewachsen und es will der Mutter fliehen? Schnell, Schere heraus und zippzapp, Flügel ab. Frauen proben schon einmal die Rolle der Übermutter, um diese perfekt mimen zu können. Für den Fall, das Kind sollte doch einmal größer werden und einen eigenen Willen entwickeln. Deinen eigenen Willen sollst Du haben, mein Kind, solange es nur auch mein Wille ist!

Ja, da wachsen sie heran, die neuen Menschen: Sie brauchen später keinen Therapeuten, weil man versucht hat sie zu disziplinieren, weil man sie geschlagen oder nicht geliebt hat. Sie gehen zu Therapeuten, weil sie zu sehr geliebt wurden, so dass ihnen die Brust engt, wenn sie nur einmal selber ein- und ausatmen wollen. Sonst pressen ihnen die Eltern mit ihren starken Fangarmen ja die Luft heraus. Wie soll das denn überhaupt gehen, selber Atmen? Mami, wirf die Decke über mein Körperchen! Mami, setze das Helmchen auf mein Köpfchen. Mache mir Creme in mein Gesicht. Fahr mich, wohin Du willst mit Deinem Sicherheitspanzer und ummäntele mich mit Deinem Behüteponcho! Die Welt wird kalt genug sein, wenn Du stirbst dereinst.

Da beneide ich die Unterschichtenkinder! Keinen Zugang zu Bildung, aber auch keinen zur Verbildung. Einbildung. Ihnen läuft die Nase und mit ihnen andere verrotzte Kinder. Ihr Spielzeug ist die Straße. Ihre Eltern vernachlässigen sie. Ihre Eltern geben ihnen Freiheit. Ihre Eltern schenken ihnen ihre Nichtbeachtung. Ihre Eltern sind keine Eltern. Deswegen sind es vielleicht gute Eltern. Die Kinder sind lebendig. Sie haben keine Chance. Die Kinder der Bildungselite haben eine Chance. Man stopft sie jedoch zurück in den Mutterleib. Darinnen begraben, füttern die Mütter ihre Kinder durch den Spalt zwischen ihren Beinen.

Etwas später (Krieg): Welche Kinder werden zu amoklaufenden Jugendlichen oder Erwachsenen? Warum klingen die kleinsten Vögel hier draußen plötzlich alle nach den allergierigsten Rabentieren. Und warum ist das ehemals zarte Grün der Bäume mit einem Mal giftig, warum hat das Wasser im Kanal ein kaltes Herz? Heaven is a place where nothing ever happens. Der Himmel ist die Hölle. Mein MP3Player wird zur Waffe, im Magazin ist ausreichend Munition, um die Menschheit auszurotten. Setze Kopfhörer auf zwecks Schallschutz. Ich erchieße alle um mich herum mit Noten und Worten. Am Ende erschieße ich mich selbst, so wird es sein.

Das tumbe Pack kommt näher, ich ziele bereits darauf, ich befreie das Kind im Wagen, ich befreie auch das Kind im Bauch von seinen Bremsern und Verstümmlern. Sie sind so dumm, so instinktlos, und setzen sich direkt zu mir. Sie okkupieren mein Land und drängen mich hinaus, fremd auf der eigenen Bank. Sie scheinen nicht verwundbar zu sein durch meine Musik. Die Mutter zappelt zwar im Kugelhagel, doch sie weicht den Gechossen nur aus. Ihr Gefuchtel macht mich wahnsinnig, ihr retardiertes, vollbeschäftigtes Muttergehabe. Und der Vater ist ein Vollpfosten mit Verantwortung, wo ist denn der strafende Gott der Christen, wenn man ihn nur braucht?

Da will ich die letzte Waffe zur Verteidigung ergreifen, will den Familienklumpen mit einer Zigarette niederstrecken. Leider habe ich keine Zigaretten dabei. Ich verzweifele zunehmend, während ich immer weiter ins Abseits gedrängt werde von diesen kalten Kriegern mit ihren Geiseln in Leib und Kinderwagen. Kollateralschäden, Guerillakrieg, Strategiewechsel. Ich schieße Blickeraketen ab, sie verfehlen ihr Ziel. Da tauchen Verbündete auf. Es werden immer mehr. Sie riechen bereits die Kadaver der Gefallenen und wollen nun deren Besitz fleddern. Sie schneiden mir den Weg zu meinen Truppen ab. Versorgungsengpass. Belagerung. Hunger auf Perspektive. Dann diktieren sie die Bedingungen meiner Kapitulation.

Geschlagen, gedemütigt, erobert. Ich willige ein und gehe. Wohin? Heimatlos. Meine Tasche aber lasse ich wie unabsichtlich liegen. Kaum habe ich den Ort, verlassen, höre ich die Explosion, spüre die Druckwelle. Rieche verbranntes Fleisch. Die Unterdrückten jubeln, sind wie durch ein Wunder verschont geblieben. Sie tanzen um die abgetrennten Körperteile ihrer einstigen Unterdrücker herum und gründen eine neue Republik. In ihr wird alles anders werden. Ich lächle und nenne dies Entspannungspolitik. Ich habe noch viele Taschen und Koffer. Im Supermarkt gegenüber gibt's Sprenggürtel im Sonderangebot.

Mittwoch, 12. Mai 2010

Situation. Malerei / akustische Installation.

Holger Endres / Holger E. Karst


15.05.2010 / 19Uhr
ca. 2 Stunden
H7/15 Mannheim

Holger Endres: Ich gebe eine Fläche von 210 x 150 cm auf einer Wand vor. Angefangen an der oberen linken Kante
male ich eine schwarze Linie senkrecht zur unteren Ecke der Fläche. Enganliegend führe ich weitere
Linien fort. Nach ca. 90 Minuten ist die Malerei an der rechten unteren Ecke der Fläche beendet.

H. E. Karst: Mit der akustischen Installation erforsche ich die
Wechselseitigkeit von Raum, Akustik und Individuum. In einem Raum
befinden sich drei autarke Soundsysteme, welche 66 verschiedene
akustische Texturen und Pausen im Shuffle-Modus übereinander schichten.
Es entstehen dissonante Tongebirge, aber auch harmonische
Geräuschelandschaften. Der Zuhörer bewegt sich im Raum und setzt dabei
eigene Akzente beim Hören. Er wird selbst zu einem Teil der
Installation, zu einem vierten "Soundsystem". In dieser Anhäufung
generierter Zufälle entstehen spezifische, nicht wiederholbare
Situationen.

3 Stk. MP3 Player / Shuffle Repeat Mode
3 Stk. Multimedia Speaker / moderate Lautstärke
66 Loops / [un]cut / ca. 300 Minuten

Donnerstag, 6. Mai 2010

Saufen, tanzen, streiken! Der Griechen Schuld am Untergang des Abendlandes!

Ja, so sind sie, die Griechen: Faulenzen den lieben langen Tag, und in der Nacht tanzen sie und trinken. Dabei verjubeln sie nicht etwa ihr eigenes Geld, nein, sie verjubeln das Geld der Ütschen. Die Ütschen finden das nicht toll, sie ärgern sich. Denn so sind sie, die Bewohner der BRD: Arbeiten den ganzen Tag und feiern nie, es sei denn, die ütsche Nationalmannschaft gewinnt einmal ein Spiel gegen so eine LoserNation.

Sollte die vorherrschende Meinung über die Griechen zutreffen, so sollten sich die Bürger der BRD hier mal ein Scheibchen abschneiden, statt ihnen griesgrämig jenen Spaß zu verbieten, den sie sich selber nicht gönnen. Wer ganz Europa vorschreiben möchte, wie es wirtschaften soll, der braucht dringend etwas Entspannung. Aber nein, richtig: Entspannung ist ganz schlecht für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Genauso übrigens wie jeder Streik.

Der Deutsche findet es unmöglich, dass in Griechenland derzeit gestreikt wird, sich sogar im Generalstreik befindet. Wenn es dem Staat doch schlecht geht, dann muss man auch mal was tun für den Staat und nicht motzen gegen den Staat oder sich sogar wehren gegen den Staat. Motzen ginge ja noch, sagt der Bundesdeutsche, macht er ja selber gerne mal, aber damit soll sich's haben im bundesdeutschen Land. Motzen schadet dem Wirtschaftsstandort jedenfalls nicht. So motzt der Deutsche und reckt danach den Hals wie ein stolzer Puter: Hui, jetzt hat er's denen da oben aber mal sowas von wieder gegeben!

Man blickt heuer nach Griechenland, bald nach Portugal und nach Spanien, alles Länder, in denen mehr getanzt und gefeiert wird als in Ütschland, und deswegen geht es denen auch so schlecht. Würden die so brav arbeiten wie es der bundesdeutsche Arbeitnehmer tut, dann ginge es betreffenden Ländern viel besser. Wie man gemeinhin weiß, führt Arbeit um der Arbeit willen zu mehr Wohlstand. Na gut, zunächst einmal nicht für die Arbeitnehmer. Aber irgendwann einmal auch für ihn, bestimmt! Jetzt warten die Ütschen bald dreissig Jahre seit Helmut Kohls rundem Tisch, dass alles besser wird, lange kann es also nicht mehr dauern.

Dass die Ütschen noch nicht profitiert haben vom ganzen Wohlstand, liegt aber auch immer an den blöden Zwischenfällen in der Welt und Zuständen intern: Dann machen mal die Banken schlapp, dann bekommen die Langzeitarbeitslosen Zucker in den Arsch geblasen. Irgendwas ist immer, warum es mit dem Wohlstand nicht klappt, und jetzt die Sache mit den Griechen...

Seltsamerweise werden immer nur Griechen herangezogen, die verhältnismäßig viel Geld verdienen, um zu verdeutlichen, wie gut es den Griechen geht. 90 Prozent von letzten Gehalt als Rente, da träumt freilich auch der Deutsche davon. Der Deutsche kriegt ja selber nicht den Hals voll. Er weiß aber auch, dass das nicht geht, von wegen Wirtschaftsstandort und so. Man nimmt selber nur zu gerne und kritisiert andere dafür. Mal sind's die griechischen, mal unsere Beamten. Beamte dürfen bei uns z. B. nicht streiken, haben ja auch gar keinen Grund dazu. Beamte verdienen überall auf der Welt das gleiche Geld, wie man weiß. Warum gehen dann die griechischen Beamten auf die Staße? Weil sie, genau wie jeder Deutsche, ihre Pfründe nicht verlieren wollen.

M., eine griechische Lehrerin, bekam monatlich netto 750 Euro heraus. Eine Wohnung in Athen konnte sie sich nicht leisten. Glücklicherweise hatte ihre Mutter noch ein Haus, in dem gerade noch ein Stockwerk für sie und ihren Bruder frei war. Die jungen Griechen verdienen weniger als Deutsche bei vergleichsweise höheren Lebenskosten. Sie zehren das Vermögen ihrer Eltern auf, wenn noch welches da ist. Bei vielen jedoch ist es mittlerweile so zerteilt, dass sie sich ernsthafte Sorgen um ihre Zukunft machen müssen. Ist es ihre Schuld, dass Griechenland so hoch verschuldet ist?

Kann man ihnen vorwerfen, wenn sie sich gegen den aufgezwungenen Sparkurs wehren? Wenn von ihnen verlangt wird, den Gürtel noch enger zu schnallen, damit es ihnen irgendwann einmal besser geht. Da glauben doch selbst die Deutschen nicht dran. Und deshalb streiken sie, gehen auf die Straße und kämpfen. Viele mit friedlichen Mitteln, manche mit militanten. Dann sterben mitunter ein paar Menschen, und jeder ist zuviel, ich will nicht zynisch sein. Aber deshalb eine ganze Bewegung zu denunzieren wegen ein paar Idioten, genau das finde ich wiederum zynisch. Ich wünsche mir hier griechische Verhältnisse her.

Auf die Straße zu gehen ist eine urdemokratische Sache. In Deutschland wird nur marschiert, wenn es auch erlaubt ist. Zum 1. Mai z. B. Da dürfen die Ütschen Hand in Hand für eine gerechtere Arbeitswelt gehen. Natürlich nur, solange es dem Wirtschaftsstandort nicht schadet. Wenn sie wenigstens feiern könnten, die Deutschen. Aber auch dafür sind sie viel zu doof. Und ich lebe mittenmang unter ihnen und bin sogar einer davon. Manchmal schäme ich mich zu Tode.

Samstag, 1. Mai 2010

Mein ConvenienceAlkoven ist bewohnt! Aus dem System, gegen das System zum 1. Mai!

"Wenn Du zuhause bleibst, wegen den ganzen Bullen und den ganzen Absperrungen und so, dann haben DIE erreicht, was sie erreichen wollten: Die Demonstranten sind isoliert und können leichter angegriffen werden..." 

Na und? Das ganze Jahr tut man mehr oder weniger das, was man gesagt bekommt. Will meinen: Wir tun mehr Dinge, die man von uns verlangt als Dinge, die wir für uns, wegen uns tun. Wir gehen arbeiten, wir zahlen Miete, wir streiken nicht, um den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht zu gefährden, wir kaufen Sachen zum Anziehen und zum Essen. Wir stehlen nicht, wir vergewaltigen nicht, wir morden nicht - auch wenn uns danach ist.

Und dann soll ich ausgerechnet zum ersten Mai, dem "Tag der Arbeit", meine Faust erheben und gegen das "Schweinesystem" protestieren? Weil andere das von mir verlangen? Machen wir uns doch nichts vor: Wir sind doch alle Teil dieser Wertegesellschaft! Die allermeisten Demonstranten wollen auch nichts weiter, als einen Job bekommen oder ihn zu behalten. Mehr Geld, das auch. Oder auch keinen. Selbst der allerpolitischte Alg2- Empfänger ist ein Rädchen im Getriebe. Erste Tradition des 1. Mai: Es geht um Arbeit oder Nichtarbeit!

Das habe ich das ganze Jahr über, und ich kann mich auch das ganze Jahr über zur Wehr setzen. Dafür muss ich nicht auf die Straße. Arbeit ist, wenn man es so will, der Zwang, die Notwendigkeit, etwas zu tun, um die Existenz zu sichern. Genau genommen ist der Ruf der Straße nichts anderes als ein Ordnungsruf eines anderen Arbeit- oder Sinngebers, eine Verpflichtung sozusagen, unbezahlte Überstunden zu leisten. Das erinnert mich zu sehr an viele der Beschäftigungsverhältnisse, die auch gerne am 1. Mai kritisiert, ja sogar "angeprangert" werden.

Warum sollte ich da mitmischen wollen? Oder gar Krieg führen gegen die Vertreter, die Arschkriecher des Schweinesystems, die "Bullenschweine"? Da war man hierzulande aber schon weiter und hat jene erschossen oder geautobombt, die wirklich die Verantwortung tragen für so manche Ungerechtigkeit und Sauerei. Vielleicht nicht immer die Richtigen, aber man hat es wenigstens probiert. Heute kippt man die Autos armer Leute in Kreuzberg um oder zündet jene von vermeintlichen Yuppies an.

Okay, nichts gegen Autozerstörung, durchaus sympathisch, und ich gebe zu, dass ich dazu viel zu feige bin. Damit sympathiere ich, geht es mir hier aber mehr um die Zerstörung eines Fetischs als um "Stadtteilpolitik". Soll jeder wohnen, wo er will. Yuppies können nichts dafür, dass die Mieten dort steigen, wo sie leben. Sie zahlen halt jeden Preis. Die Vermieter sind's, Eigentümer allesamt, die glauben, für eine Wohnung sei ein Preis zu entrichten. Okay: Manchmal sind Vermieter und Yuppie dieselbe Person. Trotzdem möchte ich in keinem Stadtteil leben, in dem nur pseudolinke Wursthaarspießer mit Revieransprüchen leben.

Angesichts dessen sitze ich doch lieber in meinem ConvenienceAlkoven und schreib' mir die Finger spitz und blutig. Sollen die anderen ihre gewaltlosen Festchen feiern oder für mehr Arbeit demonstrieren, auf die beknackten Nazis einschlagen oder sich mit Polizisten messen, sich die ach-so-linken Bands anhören und den Gewerkschaften folgen: Am Montag führen sie ihr Leben so weiter wie zuvor! Ich auch!