Sonntag, 27. April 2014

Locked in Friedrichshain #2: And now to something completely different!

Ja, lustig geht es zu in Friedrichshain. Mein letzter Ausfall war sehr grantig. Aber relativer Reichtum scheint einher zu gehen mit sozialer Verrohung und Bullying. Die schönsten Wörter, die ich dazu (im Editorial der JungleWorld) las: Ganzkörperellbogen und Vorfahrtabonnenten. Ich füge Soziallegastheniker, Spätmuttis und Rollkofferrüpel hinzu.

Es wird noch mehr zu berichten sein, doch heute möchte ich mich den Europawahlen widmen. Ja, genau: Politik! Wer bei diesen Wörtern generell gähnen muss und hernach ins Wachkoma fällt, dem ist es bereits passiert und kann nicht mehr geholfen werden. Wer aber noch bei mir ist bekommt folgendes zu lesen:

Die Plakate sind durchweg großer Mist, und die darauf formulierten Agenden sind zumindest bei den Koalitionsparteien auf Wachstum ausgelegt: Wachstum hier und Wachstum da, besser als Stillstand sei es, das Wachstum, Berlin sei auch besser als Stillstand, weswegen man besser Berlin wähle und nicht so Gutmenschen, die für Spekulanten nix übrig haben. Und so weiter und so fort. Die Linke fällt dabei wohltuend aus dem Rahmen.

War da nicht mal was? Bankenkrise? Finanzkrise? Später umbenannt in Staatsschuldenkrise, damit besser verdeutlicht werden kann, wer die hochriskanten Geldgeschäfte der Banken zahlen muss? Hätte es dann aber nicht gleich Staatsbürgerkrise heißen sollen? Wir sind Bank!

Irgendwie hatte ich noch in Erinnerung, dass beinahe alle Parteien dem Wachstumsgedanken urplötzlich ihr Misstrauen aussprachen. Das ging sogar so weit, dass sich die FDP (wer sich noch erinnert: die Partei von Westerwelle, Göbbels und Hussein) eigens wieder für das Wachstum aussprechen musste, um wieder so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal zu haben.

Und nun? Alle (berechtigte) Kritik beiseite geräumt. Wachstum ist wieder wer. Als habe man die Bevölkerung demagogisch auf einen wirtschaftlichen Wachstumsstillstand vorbereiten wollen, indem man ihr sagt: Och jo, dat mit dem Wachstum. Das wird sowas von überbewertet, brauchen wir gar nicht. Ist ganz dolle böse, pfui, weg damit!

Kaum glaubt man die Krise überwunden, holt man das einzige Rezept aus der Schublade, das man kennt und schwupps: Wachstum ist King! Wachtum Wachstum Wachstum. Man hatte ja schon gezweifelt: Sollten unsere PolitikerInnen einen ganz kurzen, lichten Moment gehabt haben? Sollten sie eine 10tel Sekunde lang begriffen haben, dass sie nicht den Märkten, sondern allein der Bevölkerung gegenüber verantwortlich sind?

Wachstum, liebe Leute, ist nicht anderes als Raubbau an den Ressourcen unserer Welt. Das durch Wachstum entstandene Geld ist eine Anleihe auf die Zukunft, dass noch keinen sachlichen Gegenwert hat und ist daher nur fiktives, also gar nicht vorhandenes Geld. Gäbe es dieses Geld heute schon, befänden wir uns in einer schlimmen Inflation. Würde der sachliche Gegenwert in der Zukunft nicht hergestellt werden, würde das meiner Meinung nach nur für jene schlimm sein, die in die Zukunft investiert haben.

Für solche Hungerkünstler wie mich wäre das nicht weiter von Belang, womöglich würde ich sogar davon profitieren. Vom Wachstumsgedanken profitiere ich aber auf keinen Fall, und so ist mir Stillstand allemal lieber als der fortgesetzte Wahnsinn. Die Gleichung für mich lautet: Wachstum verhält sich zu böse wie Stillstand zu gut! Also muss wirtschaftliches Wachstum abgeschafft werden.

Um das zu vermeiden, soll ein Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) in Kraft treten. Damit soll es Konzernen aus aller Welt möglich sein, gegen so'n Quatsch wie Umweltschutzbestimmungen oder Arbeitnehmerrechte in Europa zu klagen. Nicht vor einem Gericht, sondern durch Schiedsgerichte, die keiner demokratischen Kontrolle unterworfen wären. Versteht sich von selbst, dass dieses Abkommen auch auf völlig undemokratischem Weg zustande kommen wird.

Schon allein deshalb sollte man sich an der Europawahl beteiligen. Dieses mal aber mal ausnahmsweise nicht SPD, CDU oder AfD wählen, sondern partiell mal das linke Spektrum in Betracht ziehen. Parallel kann bei campact.de gegen das Abkommen unterzeichnet werden (hier...). Bitte vorher selbst informieren! Hinterher bin ich wieder schuld, wenn Ihr was falsch macht!

Montag, 21. April 2014

Locked in Friedrichshain Part 1: Behave, Bullys!

Behave! Distinguiertheit ist hier Überlebensstrategie. In Neukölln leben ein paar grantige Altdeutsche, viel mehr aber Menschen mit Migrationshintergrund und Neuberliner mit Hund. Hier pendelt die dreiarmige Waage zugunsten von niemand aus und verharrt in der Mitte wie ein Frisbee im Vakuum und in Schwerelosigkeit.

In Friedrichshain jedoch sind alle mehr oder weniger angekommen. Die von konservativen PolitikerInnen so gefürchtete Gleichheit ist hier Normalität. Hier herrscht keine Wohnungsnot, hier herrscht Parkplatznot! Wer wohnen will und kein Geld hat, muss sowieso hier raus. Okay, im Nordkiez gibt es noch Bastionen linken Widerstandes, doch die Investoren bauen sich fort.

Man muss die Unterschiede im Kleinen und Feinen suchen: Es gibt die alten Friedrichshainer (oder indigenen Berliner) und es gibt die neuen Friedrichshainer. Erstere haben alle einen Hund und Berliner Schnauze. Die neuen Berliner eifern dem nach und rotzen und pöbeln wie die alten. Und doch ist etwas anders: Es ist nicht die Berliner Schnauze die hier spricht, sondern pure Ignoranz und Arschlochigkeit.

Ich bin vor etwas mehr als 14 Jahren nach Berlin gezogen, weil ich vor den Dorfprolls in dem, was man wohl Heimat nennt, flüchten wollte. In Berlin wurde ich nie gefragt, was ich denn so mache. Und man hat eher skeptisch meine Bestrebungen nach Berufstätigkeit betrachtet und sich gewundert, warum ich keine Kunst mache und warum ich nicht so schäbig gekleidet bin wie die meisten der ebenfalls Geflüchteten.

Nun habe ich eher den Eindruck, nach Berlin zieht es vorwiegend jene Vollpfosten, die man glaubte daheim gelassen zu haben. Dürfen sie dort ihre seltsamen Rituale und Bosheiten nicht mehr ausleben und gehen jetzt dahin, wo sie sich sicher glauben, ihre Borniert- und Beschränktheit voll ausleben zu dürfen? Hat die Vernunft in der Provinz derart zugenommen, dass die Bullys mit ihrem Deppentum nicht mehr wohlgelitten sind?

Schön für die Provinz, schlecht für alle Fahnenflüchtigen! Denn nun bekommen wir es mit Leuten zu tun, die zu denken scheinen: Hey, in Berlin, da ist doch so die lockere Schnauze, da darf man Arschloch sein und bleiben, fällt gar nicht auf.

Doch, liebe Bullys aus dem Hinterland, es fällt auf: Berliner Schnauze ist zwar auch leicht ignorant, hat aber immer noch Herz und Hirn! Hat rein gar nichts mit Arschloch zu tun. Ein Tipp: Man sollte generell nie so tun, als wäre man jemand, der man nicht sein kann. Das geht immer in die Hose. Daher probiere ich es erst gar nicht aus und sehe leicht deplaziert aus. Aber besser mit Stil deplaziert als stillose Anbiederung und Habits, die Ihr gar nicht versteht.

Mist, war jetzt doch nix mit Distinguiertheit und Behave. Denn: Ich selber bin der Proll, vor dem ich geflüchtet bin, und nun holt er mich wieder ein. Man kann dem nicht entkommen, was man ist! Alte CIA-Weisheit!

Montag, 14. April 2014

Back in Rollkoffertown! Out of Neukölln!

Ich fange heute mit dem Bonus an. Ort: Supermarkt, Wurst-Käsetheke. Eine Frau, sichtlich erregt, debattiert mit der Dame hinter der Theke: "Ei, eine Mettwurscht halt! Do, do liegtse ja. Des is a Mettwurscht. So heißt des bei uns!" Völlig korrekte, aber wurschtige Antwort der Verkäuferin: "Na, wie das bei Ihnen heißt, ist mir ja egal. Wenn Sie etwas bestellen möchten, müssen Sie mir schon den hier üblichen Namen nennen!"

Liebe Freund_innen des veganen Rahabarberkuchens, eigentlich will ich aber was ganz anderes sagen: Unter beinahe unglaublichen Anstrengungen und Entbehrungen bin ich nun umgezogen und wohne, völlig eingerichtet und körperlich zugerichtet, bei C. und ihrer Tochter L. Ich bin Back in Friedrichshain! Hier wird es enden, dort, wo alles begann. Der Showdown naht! Ich spüre es. Das Feeling, das Eletrisierende des gedanklichen Vakuums, in dem ich mich so gerne suhle, als Gast wie auch als Gastgeber.

Ich habe sogar ein eigenes Zimmer und fürchte nun, dass ich auch Miete zahlen muss. In Friedrichshain! Das muss man sich jetzt mal vorstellen! Ich dachte nun, es sei wichtig und richtig, Euch darüber informieren, wohin Geschenke nun gesendet werden müssen und wie Ihr das vorher mit mir per Kommentarfeld vereinbaren könnt. Ich bitte den ungelenken Text zu entschuldigen: Ich habe Rückenschmerzen und der Wein schmeckt in Friedrichshain leider genauso gut wie in Neukölln.

Wer uns besuchen möchte, ist gerne eingeladen. Ja, auch Du, lieber Anonym, der zur Utopie unfähig ist und sich gerne mit allem abfinden möchte. Oder andere, die mir die Fähigkeit zum Erträumen einer besseren Welt neiden. Für Euch ist Platz in meinem Herzen, und ich bekehre Euch gerne! Denn im Grunde kann mein Zimmer nun als Gästezimmer fungieren. Staubsauger, Feudel und Wischmob stehen direkt neben meinem Zimmer in der Kammer, kann aber gegen kleines Entgelt vorher etwas etablierter platziert werden. Es ist mir wichtig darauf hinzuweisen, dass eine Endreinigung nicht zwingend vorgesehen ist!

Zum Ort: Die Friedrichshainer sind zahm und bisweilen sogar niedlich. Und sehr reinlich, auch wenn sie keine Ahnung von Kindererziehung haben. Die Touristen sind gesettelte Schwaben und Österreicher sowie punkaffine Spanier und Franzosen, wobei das Prädikat "Punk" stark missinterpretiert wird. Dies wollte ich noch gesagt haben, vor allem für jene, die Angst davor haben, von Rollkoffern, kinderwagenschiebewütigen Spätmuttis und aufmerksamkeitsdefizitären Schulklassen aus aller Welt überrollt zu werden.

Es gibt hier sehr wohl Verkehrsregeln, und sie werden bisweilen genutzt, jedoch ist die Binnenschifffahrt stark unterentwickelt ob mangelnder Beschiffungsmöglichkeit aufgrund Gewässermangels in der Region. Dementsprechend fehlen auch die das Ufer säumenden Trauerweiden. Dafür gibt es anderen Kokolores, den Ihr bitte selber erkundet, ich bin doch hier nicht Euer Erkundungsfurunkel!

Hoffentlich wird die Mauer nicht wieder aufgebaut zum Behufe endloser Pass- und Kofferraumkontrollen seitens kontrollierwütiger Kontrolleure. Der Ostberliner kontrolliert beinahe so gerne wie der Westberliner, insofern gibt es kaum Unterschiede. In Bussen wird neuerdings übrigens hüben wie drüben kontrolliert. Es gibt viel Bio, dafür wenige bis gar keine türkischen Supermärkte, die ich so sehr liebe, weil sie z.B. Klopapier zur Unerschwinglichkeit adeln.

Doch man kann nicht alles haben! Scheiss auf die Ufer, Trauerweiden und Normcore-Hipster! Wir wohnen in Muttiland, der Kanzlerin zu Ehren und Wohlgedenken. Doch was ist ein Hain ohne Wald, der noch dazu auf den Namen Friedrich hört? Ich schäme mich! Ich freue mich! Ich will einer von uns sein! Und so schließe ich mit Harald Juhnkes Worten auf die Frage, was er sich unter höchstem Glück vorstellt: Einen sitzen und keine Termine!