Mittwoch, 27. Juli 2011

Alarmknöpfe drücken! War on Terror!

Es hat ganze zwei Tage gedauert, bis die üblichen Forderungen nach mehr Überwachung des Internets und Vorratsdatenspeicherung auftauchten. Die Opfer des Massakers in Norwegen sind noch nicht unter der Erde, da streben die Sicherheitsfanatiker der CSU, ganz vorne mit dabei der Herr Manfred Weber, schon den totalen Überwachungsstaat an. Mit dabei ist auch die Polizeigewerkschaft, die den Internetuser zum Denunzianten machen will: Er soll verdächtige Inhalte sofort melden oder mittels eines "Alarmknopfes" alles totdrücken, was auch nur irgendwie nach Terror riecht.

Na prima, unter dieser Prämisse können dann die Seiten von linken und rechten Gruppierungen sowie sämtliche Blogs religiöser Ausrichtung sowie harmloser Spinner, wie ich einer bin, gleich ganz dicht machen. Denn wenn mir eine Meinung von irgendwem nicht passt, dann drücke ich - schwupps - einfach auf das Knöpfchen im Browser und der unliebsame Blog ist verschwunden auf immer. Übrig bleiben die Bausparer- und die Familienfotoblogs. Das kann doch niemand wirklich wollen?

Die Behauptung geht dahin, dass mit der totalen Überwachung des Internets keine extremistischen Netzwerke möglich seien und z. B. auch Anleitungen zum Bombenbau verschwänden. Es ist nicht nur ärgerlich, dass Leute über das Internet befinden, die offenbar gar keine Ahnung davon haben. Ärgerlich ist außerdem diese Blödheit, zu glauben, dass ohne Internet kein Terror möglich sei.

Sonst vergisst man doch auch nie auf die RAF und andere revolutionäre Zellen und deren Gefährlichkeit hinzuweisen. Die haben ihre Bomben ganz bestimmt nicht nach Bauanleitungen aus dem Internet gebastelt. Wahrscheinlich haben die einfach ein Chemiebuch in der Staatsbibliothek ausgeliehen. Soll man jetzt auch noch die Bibliothekten schließen? Und versammelt haben die sich auch, per Telefon oder mittels kleiner Briefchen oder was weiß ich denn? Terror ist möglich, auch ganz ohne Internet!

Natürlich lassen sich Informationen via Internet viel schneller und umfangreicher recherchieren. Aber nur die wenigsten User setzen das in die Tat um, was andere in ihren Schriften fordern. Vieles ist zudem nur Pose, ein anonymisiertes Ventil zum gefahrlosen, wenn auch oft barschen Meinungsaustausch. In Internetforen und Blogs wird provoziert, gezielt missverstanden und massiv gedroht.

Im Internet geht es nicht friedlich zu, ganz und gar nicht. Allerdings ist das in den meisten Fällen nur heiße Luft. Der Autoverkehr auf bundesdeutschen Straßen ist auch nicht friedlich, dazu aber gefährlich für Leib und Leben! Und dies auf allerhöchstem Niveau. Niemand käme jedoch auf die Idee, einen Alarmknopf am Armaturenbrett oder in den Straßenschuhen zu fordern, mit dem man missliebige Verkehrsteilnehmer melden kann.

Wir kommen der Sache unserer Berufspolitiker und Sicherheitsexperten aber schon näher, wenn wir uns den Begriff "Extremismus" einmal zu Gemüte führen: Extremistisch sind "... jene Teile eines politischen Spektrums [...], von denen aktive Gefährdungen der Grundwerte der zur Zeit herrschenden politischen Ordnung ausgehen, prinzipiell unabhängig von der weltanschaulichen Ausrichtung und den konkreten politischen Zielen der Vertreter „extremer“ Positionen." (siehe: Wikipedia)

Die größte Gefahr für die Grundwerte der herrschenden Ordnung (Demokratie) sind jene Politikerinnen und Politiker selbst. Sie schränken Grundrechte ein und stellen den Bürger unter Generalverdacht. Jeder wird so zum potentiellen Attentäter. Insofern, in dieser unterstellenden und aushöhlenden Form der Machtausübung stehen die um unsere (?) Sicherheit besorgten PolitikerInnen unter Extremismusverdacht. Das sind schon keine extremen Positionen mehr. Bloß: Wer überwacht sie und drückt den Alarmknopf im Bedarfsfall?

Ach so, die Wählerinnen und Wähler! Nun, warum aber soll die wahlberechtigte Bevölkerung jene Personen wählen und ihnen Vertrauen entgegenbringen, die ihr zutiefst misstrauen und sogar Angst vor ihr haben? Und weil der Irrsinn noch nicht vollkommen ist, stellt sich ausgerechnet die gammelige, unglaubwürdige FDP dem Alarmismus der Sicherheitspolitiker entgegen. Verkehrte Welt! Wann darf ich endlich Heim?

Montag, 25. Juli 2011

Duck and cover! Die "Methode Bistum" und der Herr Hundt!

Jetzt mal im Ernst: In einem Europa...
...das auf dem Mittelmeer herum schippert, um Flüchtlinge abzufangen
...in dem Rechtspopulisten ihre Hasstiraden veröffentlichen dürfen und heimlichen bzw. unheimlichen Beifall ernten
...in dem stets zwischen "nützlichen" und "schädlichen" Migranten unterschieden wird
...in dessen Sprachgebrauch die Worte "Rasse" und "Art" fest verankert sind
...in dem der (Sozial-) Neid nach allen Seiten gefördert und der Ellbogen als ein die Karriere förderndes Mittel anbetrachtet wird
...in dem sich Kluften auftun und Bildung als Herzstück der industriellen Verwertung des Individuums, nicht aber als Reifezeugnis des Einzelnen gilt
...kurzum, in einem solchen Europa, mit seinen Regierungen, die sämtlichen rechten, christlichen und anderen ressentimentgeladenen Strömungen folgen oder sie sogar anführen, muss man sich eher wundern, dass christliche Fundamentalisten nicht viel öfter ein Massaker, wie kürzlich in Norwegen, anrichten. Sie werden schließlich dazu ermutigt.

Andererseits: Alle anderen, die sich nicht zu etwaigen Anschlägen hingerissen fühlen, sind brave Bürgerinnen und Bürger im Sinne des Staatswesens und haben sich gefälligst alles bieten zu lassen. Es scheint, dass der Druck des gesellschaftlichen Lebens auf den Einzelnen mittlerweile so groß ist, dass es ein verstecktes Ventil braucht, um Luft abzulassen.

Wer einzig ein auf seine Funktion innerhalb eines Verwertungssystems reduziert wird, das sogar Fortpflanzung noch in seine Logik stellt, muss ja zwangsläufig irgendwann einmal ausbrechen. Die wenigsten stellen Kunst her. Die meisten setzen sich in ein Auto und leben ihre Herrschaftsphantasien über Leben und Tod aus. Doch welchen Spielraum zur Zerstreuung bieten die westlichen Gesellschaften außerhalb der kapitalistischen Wertschöpfung?

Zumal man auch innerhalb seiner Arbeitstätigkeit die Klappe zu halten hat. Missstände anprangern, dies bitte nur innerbetrieblich, da gehen wir ganz konform mit der Kirche. Und sollte sich trotz der Beschwerde, ganz im Sinne der Qualitätssicherung, nichts ändern, dann hat man doch wohl sein Bestes getan, oder? Und man kann sich sicher sein, dass dem Unternehmen nichts anderes übrig blieb, dass es aber sein Bestes tut, um angeprangerte Missstände zu beseitigen. Aber es muss alles im Rahmen der Wirtschaftlichkeit bleiben.

So kann man, muss man sogar, pflegebedürftige Alte, die ja selbst gar nichts mehr zum Erhalt der Gesellschaft beitragen, sondern sie nur belasten, auch nur im Rahmen der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens behandeln. Ist doch klar. Und wenn gespart werden muss, dann muss eben gespart werden, auch wenn dadurch die Würde der Alten mit den Füßen getreten wird. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten dafür besonderes Verständnis haben. Auf die Idee allerdings, dass eine Institution obsolet ist, die ihren Auftrag nicht wirtschaftlich untermauern kann, kommt hingegen niemand.

Aber der Herr Hundt, unser aller liebster Arbeitgeberpräsident, kommt auf die Idee, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurecht gekündigt werden, wenn sie ihrerseits ihrem Arbeitgeber gegenüber Strafanzeige wegen Missständen stellen. Das entspricht nämlich nicht dem Verhalten eines bundesdeutschen Arbeitnehmers.

Dass es in Altenheimen hoch hergeht und selten ausreichend Personal für Pflege, Verabreichung von Medikamenten und individuelle Betreuung da ist, müsste nun auch mehreren Angestellten aufgefallen sein. Doch die haben vorbildlich den Mund gehalten und sich höchstens auf der Ebene der Qualitätssicherung beschwert.

Beschwerdemanagement nennt man das: Eine sichere Art, festzustellen, wessen Vertrag demnächst ausläuft. Nun hat es also eine Arbeitnehmerin gewagt, aus guten Gründen wahrscheinlich, ihren Arbeitgeber anzuzeigen. Woraufhin der sie selbstverständlich entlassen hat. Das ging dann so hin und her, bis irgendwann der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dran war:
Die Straßburger Richter hatten entschieden, dass die fristlose Kündigung einer Arbeitnehmerin wegen der Veröffentlichung von Missständen bei ihrem Arbeitgeber gegen die Menschenrechtskonvention verstößt. (aus: newsticker sueddeutsche)
Hundt ist ja nun Vertreter der bundesdeutschen Arbeitgeber und muss alles tun, um Ungemach, z.B. Menschenrechte, von ihnen zu abzulenken. Das ist sein Job. Ungemach ist natürlich auch, wenn ein Arbeitgeber angezeigt wird. Nun ist es nach meinem Wissen aber so, dass man nur eine Strafanzeige stellen kann, wenn eine Straftat vorliegt oder man meint, es läge eine vor. Insofern wäre es ebenfalls eine Straftat, dies nicht anzuzeigen.

Der Herr Hundt möchte aber, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erst das Gespräch mit dem Chef suchen und die Probleme intern lösen. Das ist die "Methode Bistum" und rechtlich nicht haltbar. Trotzdem fordert er die Bundesregierung auf, gegen das Straßburger Urteil vorzugehen. "Das würde den Pflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme innerhalb eines Betriebes eindeutig widersprechen."

Zur gegenseitigen Rücksichtnahme gehört es also, Straftaten zu decken. Anders hat es sich einst angehört, als eine Kassiererin übrig gebliebene Pfandbons eingelöst hatte und deswegen gekündigt wurde. Diebstahl ist auch eine Straftat. Ich finde, der Arbeitgeber hätte das Problem auch intern lösen können, ohne das drastische Mittel der Kündigung einzusetzen und die Dame auch noch anzuzeigen. Da werden also Menschenrechte gegen wirtschaftliche Interessen ausgespielt. Und stößt der Herr Hundt bei dieser Bundesregierung auf offene Ohren? Mal sehen! Der Herr Hundt sollte jedoch erst einmal seine internen Probleme lösen, die in seinem Kopf ganz offenbar herumspuken.

RonJustice, bitte übernehmen Sie!

Dienstag, 19. Juli 2011

Demokratieverdrossene Politiker und the Rise of the Bierdeckelanarchie! Das Eichhörnchen ist der Antichrist im Sozialismus!

So, liebe Kinder, jetzt gibt es etwas Staatsbürgerkunde. Ich weiß, meistens nutzt das gar nichts, wie wir an unseren älteren Brüderinnen und Brüder aus den neuen Bundesländern immer wieder sehen können. Denn schließlich mussten die alle in der Schule ihren Marx lesen und hätten erkennen müssen, dass der real existierende Sozialismus überhaupt nichts oder nur ganz wenig mit dessen Gesellschaftsvision zu tun hatte. Hatten sie aber nicht!

Ich war sehr traurig, als die Jubeldeutschen aus dem Osten nach der sogenannten friedlichen Revolution die Marxstatuen niederrissen. Der olle Marx konnte doch nichts dafür, was die Staatslenker der DDR aus seiner Idee gemacht hatten. Das ist ja so, als würde man alle Platten seines Lieblingsmusikers verbrennen, bloß weil irgendein Dummbeutel eine schlechte Coverversion aus einem sonst tollen Lied gemacht hat.

Der Kommunismus ist jedenfalls eine tolle Idee, und den Sozialismus hat schon Jesus von Nazareth erfunden. Oder so ähnlich. Der Sozialismus setzt, ähnlich wie die Nächstenliebe, eine besondere Reife im Menschen voraus. Im Grunde ist das Eichhörnchen als hortender Einzelgänger der Antichrist im Sozialismus. Gefragt ist hingegen der gemeinschaftliche Broterwerb bei Unterlassung jedweder Egotrips. Dass macht den Sozialismus auf jeden Fall besser als den Kapitalismus, der ja auch schon streng riecht und immer mal wieder ohnmächtig wird.

Nun, jetzt wird es etwas knifflig, weil ich zwei grundverschiedene Wirtschaftsformen mit diversen Staatsformen vergleichen möchte, was aber eigentlich nicht erlaubt ist. Das ist sozusagen der sogenannte Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Ich versuche es trotzdem, weil: Die DDR hätte durchaus, trotz Sozialismus, demokratisch, also so richtig, nicht nur halb, sein können. Auch eine Diktatur oder eine Kleptokratie kann kapitalistisch sein. Griechenland hat innerhalb von 50 Jahren beides bewiesen.

Die Bundesrepublik Deutschland, nun kommen wir zum Staatskundeunterricht, hat die Staatsform der parlamentarischen Demokratie inklusive Kapitalismus-Verdikt. Das bedeutet, dass die Bürgerinnen und Bürger des betreffenden Staates ihre parteilosen oder parteigebundenen Vertreter in der Kommune, im Bundesland und in der Republik wählen. Diese gewählten Personen nennen sich Politikerinnen und Politiker und haben meistens nichts anderes gelernt als zu reden und die anderen Politikerinnen und Politiker zu beschimpfen und der Lüge zu bezichtigen.

Wie der Islam gilt die parlamentarische Demokratie als ein zu exportierendes Kulturgut. Zumindest war das früher einmal so. Bei der Anerkennung einer Nation stand eine demokratische Verfassung, zumindest aus bundesdeutscher Sicht, stets im Vordergrund des Interesses. Nun aber regiert uns die CDU mit einer Kanzlerin, die früher Staatsratsvorsitzende in der pseudodemokratischen DDR war.

Seitdem wird keine Demokratie mehr exportiert, sondern nur noch Rüstungsgut oder andere Sachen, die die Welt nicht wirklich braucht, in Länder, die eigentlich auch niemand braucht. Dorthin wird trotzdem zu unschlagbar günstigen Preisen, (made in Germany!) verkauft. Die Wirtschaftsform hat die Staatsform verdrängt. Und da die jeweilige Politik immer auch absolut alternativlos ist, kann man gut und gerne sagen, dass sich die Demokratie hierzulande abschafft. Denn die Demokratie lebt von der Alternative. Ohne sie ist sie unbrauchbar.

Wenn also selbst die Politikerinnen und Politiker demokratieverdrossen sind und alles tun, um demokratische Prozesse zu umgehen, und die Wählerinnen und Wähler großteils nicht mehr zur Wahl gehen, dann sollte man einmal, leise wenigstens, die Systemfrage stellen. Wo wollen wir also hin?

Zurück zu charismatischen Führerfiguren, die immer auch Blender sind (z. B. KT von Guttenberg, Hitler u. dgl.) wollen wohl einige, doch gottlob nicht die Mehrheit. Die Vertreter der Industrie und Arbeitgeberverbände sehnen sich nach einer Rückkehr zum Feudalismus, haben aber zu großen Respekt durch Anschauungsmaterial aus Nordafrika, Griechenland oder Spanien bekommen, um noch unverschämter werden zu können, als sie ohnehin schon sind. Der Sozialismus ist leider auf ewig verseucht, man findet wirklich kaum noch jemanden, der die Gleichung DDR resp. UDSSR  = Sozialismus resp. Kommunismus aufzulösen in der Lage ist.

Dann bleibt ja nur noch die gute, alte Anarchie. Nicht die Bierdeckelanarchie der Dorfpunks, die lediglich den Berufsstand des Polizisten verdrängen möchte. Nein, die klassische, die altgriechische Variante, die vom Menschen die allergrößte Reife verlangt, die man sich nur vorstellen kann: herrschaftsfrei zu walten und nicht trotzdem, sondern deswegen, Chaos und Ungerechtigkeit zu vermeiden. Aus sich heraus wirken, nach dem Motto: Was Du nicht willst was man Dir tue, das füg' auch keinem ander'n zu! Eine Gesellschaft gegenseitigen Einverständnisses.

Jaja, jetzt hör' ich manche wieder unken: Das klappt doch nie, dafür ist der Mensch nämlich gar nicht gemacht! Er ist viel eher ungut, korrupt und ein Biest, das lieber mordet als teilt! Dann sage ich: Man soll nicht immer von sich ausgehen, wenn man andere beurteilen will. Man muss zudem auch an das Gute glauben, um Gutes tun zu können. Außerdem ist eine Idee oder eine Vision zu haben immer noch besser, als vor lauter Alternativlosigkeit den Kopf in den Sand zu stecken! Das lasst Euch mal gesagt sein!

P.S. Es ist wie's ist und wie es war, deswegen bleibt's so immerdar!

Dienstag, 12. Juli 2011

Hannelores Nacktheit! Resignation später!

Hannelore wollte sich eben einfach einmal ausziehen und nackig auf dem Rasen sitzen. Offenbar reichte es nur für einen gemeinsamen Ausflug mit Herrn Unwichtig zum Wildenbruchplatz. Vielleicht wäre sie lieber zum Müggelsee gefahren, aber auch Herr Unwichtig macht nicht wirklich den Eindruck, als verfügte er über die Mittel für solch eine Reise. Am Müggelsee jedoch könnte man nicht nur nackt herumliegen, sondern auch ins Wasser springen. Dies ist vielleicht eine schöne Jugenderinnerung von Hannelore.

Nun baut sich Hannelore ihre Realität selbst zusammen. Sie ist alt, ganz offensichtlich alkoholisiert und möglicherweise auch dement. Sie wähnt sich am Nacktstrand und trägt kein Höschen. Herr Unwichtig liegt daneben und scheint zu schlafen, auch er hat gewohnheitsmäßig einen im Tee. Ihn habe ich schon oft derart im Park gesehen, und auch die Bierflaschen neben seinem Handtuch sprechen Bände.

Hübsch anzuschauen ist Hannelore nicht. Sie streckt dem Publikum auf allen Vieren ihren faltigen Hintern, ihre ergraute Scham und baumelnde, schlaffe, graue Brüste entgegen. Ich bin froh, als sie sich setzt. Und ich nicht mehr in eine andere Richtung schauen muss. Hannelores Nacktheit ist schwer zu ertragen. Ich machen mir Gedanken darüber, ob Hannelores Nacktheit zumutbar ist. Oder ob man etwas dagegen tun müsse.

Da wird Herr Unwichtig, plötzlich erwacht, auch schon aktiv. Mensch Hannelore, so kannst Du doch nicht hier herumlaufen. Du bist ja ganz nackt. Zieh Dir was an! Na und? fragt Hannelore. Trotzig wie ein vierjähriges Kind verschränkt sie die Arme vor ihrer Hängebrust. Hannelore wird sich in hundert Jahren kein Höschen anziehen. So! Herr Unwichtig legt ihr die Sachen über die Schultern und vor die Scham. So bleibt sie dann lange sitzen, bis der Schatten weitergewandert ist. Dann krabbelt sie ihm auf allen Vieren nach. Herr Unwichtig hat sich unterdessen wieder hingelegt.

Wir wären ja nicht in Bayern oder Baden-Württemberg, wenn sich nicht mindestens eine etwas, sagen wir einmal, konventionelle, Mutter mit Südstaaten-Mami-Frisur über Hannelores Nacktheit aufregen würde. Ach nein, wir sind ja mitten in Berlin-Neukölln. Die junge Frau weckt Herrn Unwichtig und fordert ihn mit leicht schwäbischen Akzent auf, sich doch darum zu kümmern, dass sich Hannelore wieder was anzieht. Ich verstehe nicht alles. Dazu bin ich zu weit weg. Einzelne Wortfetzen dominieren das Areal, und Herr Unwichtig nickt und versucht Hannelore dazu zu bewegen, sich was anzuziehen. Die junge Frau geht weg.

Mensch Hannelore, mach doch nicht so einen Ärger und zieh Dir endlich was an. Du, die rufen sonst den Krankenwagen. Los, mach schon! Nein, ich will nicht, die knappe Antwort. Jetzt mach es doch nicht noch schlimmer als es schon ist. Die rufen den Krankenwagen. Na und? Hannelores Antwort. Hast Du wieder heimlich Schnaps gesoffen? Hannelore? Doch sie sitzt trotzig schweigend auf dem Rasen, mitten in der prallen Sonne. Ich beginne allmählich große Sympathie für Hannelore zu entwickeln. Warum soll sie nicht nackt herumkriechen dürfen? Das durch die spießige Südstaatenmutti entstandene Bohei stört so viel mehr als eine nackte alte Frau. Nur das mit der Sonne finde ich gefährlich.

Wer weiß schon etwas über Hannelores Leben, die Entbehrungen, die sie hinter sich hat. Vielleicht ist es ein Leben voller Arbeit und verschütt gegangener Hoffnungen und Träume. Resignation später und die Flucht in den Alkohol, in das Vergessen hinein, in die Demenz. Das Heraufbeschwören schönerer Zeiten, als Herr Unwichtig noch nicht in ihr Leben getreten war und sie noch Glück empfinden konnte. Denn allmählich wird klar, wie sehr Hannelore von ihm bevormundet wird. Er beschimpft sie. Das käme nur vom vielen Saufen. Das sagt der Richtige. Sie wolle nie was außer Schnaps und Bier. Sie wolle sich nicht anziehen, sie wolle nicht in den Schatten. Nie wolle sie etwas!

Doch, Hannelore will nackt sein. Sie hat sich nun einmal dazu entschieden. Und sie will in der Sonne sitzen. Im Gras. Niemand außer ihr möchte, dass sie das tut. Deshalb kommt die junge Mutter wieder, dieses Mal mit dem Handy in der Hand. Herr Unwichtig versucht weiterhin, Hannelore zur Ankleide zu überzeugen. Er ist zum Scheitern verurteilt. Die junge Mutter ruft irgendwo an. Ich hasse sie dafür, weil sie den Wunsch der um Einiges älteren, vielleicht sogar verdienteren, Hannelore nicht respektiert. Warum kommen all diese Leute nach Berlin und importieren ihre Überzeugungen, ihre Prüderie, ihre Kleinbürgerlichkeit? Das ist reinster Kolonialismus.

Badeseen, an denen man vor wenigen Jahren noch ungeniert nackt baden konnte, werden heute von verklemmten Badeanzugträgerinnen und ihren zweijährigen, Bikini tragenden Kindern belagert. Mittlerweile erntet man böse Blicke, wenn man sich einfach nur umzieht, ohne ein Handtuch vorzuhalten. Nacktheit ist nicht immer schön. Aber sie ist natürlich. Vielleicht das Natürlichste auf der Welt verbliebene. Wer sich, andere und vor allem und immer wieder die Kinder vor der Nacktheit anderer bewahren möchte, ist einfach nur unfassbar prüde, vielleicht auch ein bisschen gestört. Alles hat seinen Platz, auch die Nacktheit. Und das sind nun mal Badeseen. Und das Zuhause. Im BibleBelt der Bundesrepublik gilt das nicht.

Das hast Du nun davon, Hannelore. Jetzt kommt der Krankenwagen und holt Dich ab. Weil Du so stur bist. Na und? Ist mir doch egal. Und dann kommt sie tatsächlich, die Polizei, und amüsieren sich halb und ärgern sich halb, dass sie wegen einer nackten, alkoholisierten alten Frau, die niemanden wirklich stört, vorbeischauen müssen. Nach einigem Hin und Her schaffen sie es, Hannelore in den Schatten zu führen und dazu zu bringen, sich etwas anzuziehen. Die PolizistInnen ziehen dann ab. Ein kurzes Gespräch mit ihnen ist möglich.

Und tatsächlich hat die junge Mutter die Polizei angerufen und nicht etwa einen Krankenwagen. Sie fühlte sich gestört durch die bloße Nacktheit. Weil das im Park nun mal verboten sei. Und überhaupt, die Kinder, die müssen sowas auch nicht sehen. Ich sage, nun ja, das Leben, das Erwachsen werden, sei eine einzig lange Ansammlung von Traumata, das schade das Trauma, eine nackte alte Frau gesehen zu haben, gewiss nicht. Die Polizistin grinst. Die anderen beiden zucken mit der Schulter. Und ich habe auf einmal angst davor, alt zu werden. Angst davor, alt zu sein in einer Welt, in der man sich nicht einmal nackt ins Gras setzen darf. Hunde dürfen derweil überall hinscheißen.

Ich gehe zum Café gegenüber und bringe Hannelore einen Becher Leitungswasser. Hannelore sagt danke. Herr Unwichtig fragt mich nach meinem Namen, stellt Hannelore vor und sagt ihr, sie solle sich bei mir bedanken. Hab' ich doch gesagt. Ich hab' danke gesagt! Als er den Becher gebracht hat. Ich bestätige das und frage ihn aus Höflichkeit auch nach seinem Namen, doch er winkt nur ab und sagt: unwichtig.

Samstag, 9. Juli 2011

Panzer Panzer! Panzer Panzer!

Man könnte den Leopard 2 PSO/2a7+ auch ganz wunderbar nach Griechenland verkaufen, damit die Regierung es leichter hat, die sozialen Proteste niederzuschlagen. Der Panzer eignet sich ganz wunderbar für Einsätze im Ortskampf und verfügt unter anderem auch über ein Räumschild. Doch offenbar hat die griechische Regierung nicht ausreichend Finanzmittel. Man könnte sie dennoch dazu nötigen, im Gegenzug zu den Krediten einige davon anzuschaffen. Geht aber nicht: Noch ist Griechenland viel zu demokratisch, um mit effektiven Waffen ausgerüstet zu werden.

Mit Gaddafi hat man es sich nun grundlegend verschissen, und sogar unsere Regierung schreckt davor zurück, ihn mit den Panzern zu beliefern. Ist irgendwie so ein heißes Eisen, schlecht für die Wahlen. Die Kunden gehen allmählich aus für die deutsche Rüstungsindustrie. Zumindest ist unsere Regierung nun etwas transparenter im Deal mit den Waffen. In den Irak hat man ja lediglich umrüstbare Zivilfahrzeuge geliefert. 

Saudi-Arabien bietet sich an, "ehrliche" Waffen dorthin zu verkaufen: Dort gibt es noch eine richtigen Königsfamilie, die Sauds, die alle Macht in ihren Händen halten und es mit der Demokratie nicht nur nicht allzu genau nehmen, sondern sie grundweg ablehnen. Frauen dürfen kein Auto fahren, und auch sonst hat die Bevölkerung nicht viel zu melden, auch wenn sie verhältnismäßig wohlhabend ist. Eine Meinung darf sie trotzdem nicht haben.

Weil aber die Bevölkerung gerade nicht revoltiert, helfen die Saudis auch schon einmal den Nachbarstaaten, zum Beispiel Bahrain, um Aufstände niederzuschlagen. Mit ein paar bundesdeutschen Panzern ginge das noch viel effektiver. Das ist natürlich gar nicht der Grund für die Lieferungen. Es geht nur um Geld und vielleicht auch um geostrategische Interessen. Und wenn Saudi-Arabien sein Geld für "unsere" Panzer ausgibt, hat es vielleicht auch nicht mehr soviel, um islamistische Brigaden zu unterstützen. Wer weiß schon, was in den Hirnen unserer Politiker so vor sich geht.

Geht man einmal davon aus, dass auch den Saudis demnächst, so in den nächsten 20 Jahren, das Öl ausgeht, dann brauchen sie halt andere Möglichkeiten zur Einflussnahme innerhalb der arabischen Welt. Außer Wüste ist ja dann nicht mehr viel da. Und welcher Pauschaltourist möchte schon gerne Urlaub in einem Land machen, in dem die Frauen ohne Begleitung nicht auf die Straße dürfen? Tourismus scheidet zumindest im größeren Rahmen wahrscheinlich aus.

In der Geschichte hat es sich oft gezeigt, dass jene, die aufgerüstet werden, sich später auch gegen jene wenden können, die ihnen die Waffen verkauft haben. Die letzten Beispiele, Irak und Afghanistan, geben aufschlussreiche Kunde davon. Aber wenn es um den Profit geht, scheinen alle Bedenken ausgesetzt. Selbst Helmut Kohl hat den Saudis die Lieferung von Panzern verweigert. Mit Merkel und Co aber wird jeder Ethik und Moral die Narrenkappe aufgesetzt.

Im Radio habe ich heute einen Politiker sagen hören, dass die Panzer ja erst in vier Jahren geliefert werden. Da bräuchte man sich keine Sorgen machen, dass der arabischen Revolution der Garaus gemacht würde. Außerdem eigneten sich die Leos gar nicht zur Niederschlagung von Aufständen. Beides ist falsch: Es wurden bereits über 40 Panzer geliefert, die restlichen folgen in den nächsten vier Jahren. Da kann man schon mal anfangen mit dem Aufräumen. Und der Leopard zwei ist, wie bereits erwähnt, explizit für den Kampfeinsatz innerhalb von Orten konzipiert.

Dass uns diese Regierung für dumm verkaufen will, ist kein Geheimnis. Noch dazu legt sie die moralische Messlatte so tief, dass die nächste Regierungskoalition beinahe alles darf, ohne diese noch unterbieten zu müssen. Man sollte, die nötige, gewalttätige Phantasie vorausgesetzt, den Leopard 2 dazu benutzen, den Bundestag zu räumen und die Werkshallen der Rüstungsindustrie in Schutt und Asche zu legen.

Was ist das nur für eine niederträchtige Bagage: Den Aufständigen in Nordafrika jede noch so kleine Hilfe verweigern und ihnen mit dem Verkauf von Waffen an ein islamistisches Regime auch noch in den Rücken fallen. Früher hat man sich hierzulande wenigstens noch den Anschein gegeben, als wolle man Demokratie exportieren. Heute verhindert man sie ungeniert und mit voller Absicht, des Profites zu Willen. Diese Form der politischen und ökonomischen Transparenz ist abstoßend. Ich schäme mich geradezu dafür, in jener Bundesrepublik damals geboren zu sein und in dieser nun zu leben.

Mittwoch, 6. Juli 2011

Der kleine blöde Prinz auf dem Exerzierplatz! Mit Humor das Patriarchat ertragen!

Das Jugendamt ist eine gute Einrichtung. Das Wohl des Kindes steht im Vordergrund, und man achtet in den meisten Fällen darauf, dass Kinder nicht misshandelt werden und erteilt Erziehungstipps. Was aber, wenn die Familie eigentlich ganz okay ist, aber eines der Kinder so ein dummes kleines Arschloch ist? Aus meiner Sicht müsste es auch eine Anlaufstelle für Erwachsene geben, die in Fällen größerer Arschlochhaftigkeit des Nachwuchses eine Notunterkunft und rechtlichen Beistand finden. Ein Erwachsenenamt, dass die gestressten Eltern in den Vordergrund stellt!

In meiner Nachbarschaft wohnt nämlich ein richtiges kleines Arschloch. Es tut alle seine Bedürfnisse grundsätzlich durch eintöniges, herrisches Herumkreischen kund, und alle um in herum müssen seine Wünsche erfüllen, die ihn im Laufe eines Tages so anheim fallen. Und die Tage im Sommer sind lang, deswegen sind es der Wünsche viele. Ich bin derzeit froh um die Regentage in Berlin, die den kleinen, dummen Prinzen und seine bemitleidenswerte Sippe in der Wohnung gefangenhalten.

Seine Gefolgschaft ist ausschließlich weiblich. Um ihn herum tummeln sich eine alte und eine junge Frau sowie zwei Mädchen im Alter zwischen acht und zwölf Jahren. Der kleine Oberarsch ist etwa fünf Jahre alt, ich kann das schwer einschätzen. Aber ich kann das Geschehen gut von meinem Zimmer oder meinem Balkon beobachten, dass sich im Hinterhof des Nachbarhauses abspielt, obwohl eine Holzwand die Grundstücke voneinander trennt.

Eigentlich haben sie es sich hübsch gemacht dort unten. Unter alten, ehrwürdigen Birken halten sie sich im Schatten auf. Sie haben einen Tisch und genügend Stühle aufgestellt. Die erwachsenen Frauen sitzen dort und trinken Tee oder essen Gebäck. Die Mädchen müssen mit dem ekligen kleinen Prinzen spielen, der sich nur im lauten Befehlston mit ihnen zu unterhalten scheint. Passt ihm irgendetwas nicht, kreischt er sofort laut auf. Ihm passt oft etwas nicht. Er weint dabei nicht etwa, sondern er kreischt laut auf.

Einmal konnte ich beobachten, wie das kleine Arschloch das Kleinere der beiden Mädchen hinterrücks schubste, so dass es hinfiel und sich dabei wohl so erschrocken hat und sich vielleicht auch weh tat und schluchzte. Dies war der einzige Moment an diesem Tag, in dem der fiese kleine Depp nicht wütend geschrien, sondern erfreut, beinahe triumphierend gelacht hat. Während sich das größere Mädchen um das kleinere gekümmert hat, wurde der kleine von den älteren Frauen lediglich ermahnt. Er bekam dann einen Keks.

Ein anderes Mal sah ich, wie eines der Mädchen dem Jungen von hinten die Hose hochzog. Sie hatte Freude dabei. Doch der Junge fing sofort an, sich lautstark zu beschweren und zu schreien. Er weint nicht wirklich. Er schreit eher so ein kinderraues "Eeeeyyyh" oder "Heeeeeee" bzw. "Aaarrrh" und krakeelt dann noch was auf türkisch hinterher. Als befände er sich innerhalb einer Kaserne und müsse seine Armee befehligen. Alles im Imperativ, wie auf dem Exerzierplatz klingt das.

Das Mädchen bekam natürlich einen Mordsärger, und zum Trost durfte der kleine blöde Prinz das Mädchen ein paar mal gegen das Schienbein treten, was ihm offensichtlich so viel Freude bereitete, dass er mit einem Mal wieder hässlich lachen konnte. Er erfüllt damit so ziemlich alle Klischees, die mit einem türkischen Jungen verbunden sind, dass ich mich fast schäme, sie alle hier aufzuzählen. Er ist nun aber einmal ein kalter, herzloser Pascha, der andere nur herumkommandieren kann und selber zu gar nicht beiträgt außer Unruhe zu stiften.

Ich weiß nicht, warum die junge und die alte Frau, wahrscheinlich Mutter und Oma, sich das bieten lassen. Sie reproduzieren ja geradezu jenes Patriarchat, von dem sie doch eigentlich genug haben müssten, indem sie sich so geduldig mit dem kleinen, dummen Arsch zeigen und ihm alles durchgehen lassen. Die Mädchen haben das offensichtlich erkannt und setzen sich außerhalb des mütterlichen und großmütterlichen Einflussbereiches ihm gegenüber durch.

Mit Freude konnte ich einmal beobachten, wie der kleine, blöde Prinz von ihnen auf der Straße so lange gepiesackt wurde, bis ihm die laute, nervige Stimme versagte. Diese kleine Genugtuung werden sich die Mädchen so lange gönnen können, bis sich der kleine Drecksack später einmal zum Aufpasser über die Familienehre aufschwingt. Was aber Hoffnung macht: Die Mädchen lachen im Stillen über die machohafte Dummdreistigkeit der existierenden und angehenden Patriarchen. Mit Humor lässt sich eben fast alles ertragen, auch die Unterdrückung.

Samstag, 2. Juli 2011

Devote Fremdenführer und schlunzige Eltern! Mondäne Orte sind Spielplätze nicht!

sicher bald gentrifiziert
Ja es ist wahr: Sie gehen auf die Nerven! Touristen richten ihren Blick auf alles, was der Eingeborene verachtet: Sehenswürdigkeiten und andere Grässlichkeiten wie in Tourismuszonen verwandelte Straßenzüge und Boutiquen, in denen man angebliche Reste der Berliner Mauer in Tüten abgepackt zu kaufen bekommt.

Weil sie aber so egalitär auf den Alltagsverkehr reagieren, der ihnen vor lauter Aaahs und Ooohs sowieso nicht vorkommt, sind Zusammenstöße unvermeidbar. Vor allem im Pulk auftretende Touristenhorden trotten wie eine Herde Schafe dem Leithammel hinterher und sehen nüscht außer: den Ausblick von der hundertsten Berliner Brücke, auf den 500sten Straßenmusiker und in den 1000sten H&M, der vielleicht doch nicht ein und dasselbe verkauft wie der in Hinterwaldbach-Überdingen, so wie immer behauptet wird.

Man möchte den in identischen T-Shirts auftretenden Horden gerne zurufen: Wir sind hier nicht in der Schwäbischen Alp und auch nicht im Pfälzer Wald, wo man Glück haben muss, will man anderen Menschen auf dem Weg begegnen. Berlin ist eine gefährliche Stadt voll mit Leuten darinnen, mitunter aggressiv, und die möchten nicht umgemöbelt werden von Rollkoffer hinter sich herziehenden Massentouristen, und ihr Bier will auch nicht von sich abrupt umdrehenden Rucksackträgern vom Tisch gefegt werden.

Nachhaltiger Tourismus wäre die Lösung: Es wäre schön, würden die Fremdenführer nicht nur von der schnoddrigen Berliner Schnauze erzählen, sondern auch von den pöbelnden Unmenschen hier, die gerne mal was auf's Maul geben, wenn geführte Radlergruppen zu fünft nebeneinander in 20 Reihen, mit dem Fahrbier in der Hand, die stark frequentierte Straße entlang schleichen. In jedem Dschungel wird man vom Fremdenführer gewarnt: Don't go alone! Don't talk loud! Be careful with the Tiger! Hier in Berlin lässt man sie ins Unglück stürzen.

Die Fremdenführer in Berlin sind einfach zu devot: Es könnte ja ein Tourist beleidigt sein und zurück in seinem Dorf Schlechtes über die Stadt berichten. Diese Angst ist unbegründet: Meistens finden die Leute Berlin gaaanz toll! Die Jungen wollen eh nur Ballermann in der Hauptstadt, und die Älteren und die Alten wollen ausschließlich Kultur und billig essen. Sie finden die Armut und die Alkoholiker zwar ganz schlimm, doch klingt auch stets die Faszination für das gesehene Elend durch.

Die Touristen sind nicht für die Gentrifizierung der Berliner Stadtbezirke verantwortlich. Sie bringen Geld in die Stadt, die ja nur den Tourismus hat und keine nennenswerte Industrie. Sicher werden vermehrt Ferienwohnungen angeboten, was den Wohnraum für die Einwohner verteuern mag. Und man traut sich als Neuköllner kaum noch etwas zu fotografieren, weil man sonst für das gehalten wird, was man selbst bemitleidet: Für einen Touristen, der es sämtliche Schaufenster und jede Straßenlaterne für wert befindet, in das Mobilfunktelefon hinein geknipst zu werden.

Schlimmer als die Touristen sind nämlich die, die keine mehr sind, weil sie sich dazu entschieden haben, in die hippen Bezirke Berlins zu ziehen. Sie bezahlen viel zu viel Miete, weil sie nicht so sehr auf's Geld achten müssen und kriegen dann ökologisch gezeugte Kinder, die sie zuhause auf's Podest stellen und sie tagein, tagaus frühfördern, bis denen die Empathie aus dem Gesicht fällt und sich psychopathische Grundmuster in ihren Gemütern ausbilden.

Wer nun aber Kinder hat und auch Arbeit, muss morgens früh raus aus den Federn. Und damit ist eben Schluss mit dem hippen Abgefeiere im Kiez. Man hat ja nichts gegen Parties und Kneipen und all das, aber um 22Uhr ist bitte Ruhe da draußen, jaaa?

Das schlimmste Ritual, dass der Neuberliner aus der Provinz mitbringt, ist der auf den Fenstersims krachende Rolladen und der beherzte Griff zum Handy mit der fest eingespeicherten Klage wegen Ruhestörung. Ganz freihaus bekommt man sozusagen die Unsitte des ländlichen Bürgersteig-Hochklappens in die Nachbarschaft gepfropft.

Wenn sie dann einmal frei haben, sonntags zumeist, terrorisieren die Neuberliner den Kiez mit ihren verzogenen Blagen mit all diesen altdeutschen Namen. Dann bevölkern sie die Eiscafés, Spielplätze und Bioläden der Stadt und lassen ihre Kinder toben, weil die sich nun mal überall entfalten müssen. Sie könnten sich ja sonst zu rücksichtsvollen Wesen entwickeln, verböte man es ihnen.

Ungeachtet der armen Bedienungen und Bediensteten, die nach zwei Jahren Routine schon längst taub sein müssen, selbstredend. Sagt einer was, heißt es nur: Das sind halt Kinder, die müssen sich austoben. Ja, sag' ich. Aber nicht hier! Geht auf den Spielplatz, Ihr Banausen! Dann bin ich auf einmal ein Kinderfeind.

Kürzlich hat mich eine dieser Rotznasen mit dem Kindereinkaufswagen (!) beinahe umgemäht, als sie damit um die Ecke gerannt kam. Ich konnte gerade noch zur Seite springen und war fassungslos. Dann kam ein zweites Kind mit Einkaufswagen hinterher. Der Verkäuferin, welche die Regale einpflegte, sah man die Kopfschmerzen direkt an, die sie durch diese und andere sich irgendwann nunmal austoben müssenden Kinder bekommen hatte. Als die beiden Rotznasen aus unerfindlichen Gründen plärrend zu ihren Ökomüttern rannten, hellte sich ihr Gesicht für einen Moment schadenfroh auf. Wir wurden für kurze Zeit zu Komplizen.

Es gibt übrigens kaum noch Restaurants oder Cafés, die nicht explizit kinderfreundlich sind. Damit sind erwachsenenfreundliche Orte per se abgeschafft. Überall gibt es Spielzimmer, Kuschelecken und sonstiges Gedöns. Ich aber will einfach in Ruhe essen oder Kaffee trinken. Was ist so abartig an der Vorstellung, dass Kinder einfach einmal für eine halbe Stunde leise sein sollen? Mir tun ja jetzt schon alle LehrerInnen leid, die all diesen zappelnden und kreischenden Kinderterroristen irgendwas beibringen sollen.

Weil aber die dooferen unter den Eltern ihre Kinder noch dazu lieber wegschicken, als sich zu ihnen zu setzen und zu beaufsichtigen, rennen die Kinder zwischen den Räumen lärmend hin und her. Mal gibt es Streit, mal hat ein Kind Sehnsucht, immer ist irgendwas. Vor allen Dingen ist es immer sehr laut, dieses Irgendwas. Das stört jeden noch so freundlichen Gast! Es ist ärgerlich, wie die Großzahl der Eltern ihr persönliches Glück zwar privatisieren, den Ärger und den Unmuß aber sozialisieren. Entschuldigen Sie, aber ich bin etwas ungehalten.

Auf den Spielplätzen macht sich eine gewisse Schlunzigkeit breit. Die Neuberliner Eltern tragen ihre pastellfarbenen Marken-Wanderjacken und sind damit für jede Trecking-Tour und jedes Spielplatzwetter in Berlin gewappnet. Die Altberliner und die Mediokren sind anders schlunzig gekleidet: Kleid bzw. Rock über Hose, Trainingsjacken, Kapuzenjacken, Schlabberjeans, geblümte Küchenschürzen über Strumpfhosen und dergleichen mehr.

Sicher, Kinder schmutzen stark, und besonders mondän sind die Spielplätze auch nicht. Aber man muss sich deswegen ja auch nicht gleich gehen lassen, finde ich. Scheinbar hat man sich diesen Schmuddellook angewöhnt, als die Kinder noch auf den Kragen gespuckt haben beim Bäuerchen. Dann hat man das teure Hemd halt nicht mehr getragen, und auch die Jacke nicht. Man ist deswegen immer mehr verschlunzt, und womöglich ziehen manche Eltern schon gar nicht mehr ihren Schlafanzug aus.

Liebe Eltern: Die Kinder erbrechen ihr Essen ab einem bestimmten Alter nicht mehr auf Eure Anziehsachen! Ihr könnt Euch wieder ganz normal anziehen und die Männer können die Gesichter auch ein wenig rasieren. Und etwas Sport machen. Ihr seid fett! Und wenn Eure Kinder nicht jeden Tag ein Eis bekommen, sterben sie nicht! Zieht Euch endlich wieder ordentlich an. Das ist ja nicht mehr mit anzuschauen. Zwischen Lässigkeit und Nachlässigkeit verläuft nur ein schmaler Grat. Ihr habt ihn überschritten! Schon längst!