Sonntag, 21. März 2010

Über den Charme verkneipter Kieze! Kunstreuter und die Stuprakreas!

Nun ja, irgendwie war ja früher alles besser: Wenn man in Neukölln unterwegs sein wollte, gab es genau zwei Kneipen und ein Cafè, das man besuchen konnte. Wer Abwechslung suchte, der musste halt nach Kreuzberg oder sonstwo hin. Oder nach Treptow. Man kam wenigstens noch raus aus dem Kiez.

Dann zieht man mal für drei Jahre weg, kommt wieder, und alles ist anders: Es reiht sich Kneipe an Kneipe, oder sollte man besser sagen: Bar an Bar. Ist ja eigentlich nichts Schlechtes, die Auswahl erhöht sich, sollte man meinen. Leider sind jene Bars samt und sonders Klone einer noch auszumachenden Stammzelle anderer Bezirke bzw. Szenekieze innerhalb Berlins.

Die Wände sind stets vom Putz befreit und das Inventar wurde teuer beim Spezi-Trödler mit 70er Jahre Affinität besorgt. Ein paar innovative Details wie zum Beispiel die Plastik-Kinder-Badewanne als Dämmerleuchte, bringen etwas originären Charakter in die Sache. Auch dies: 1000mal besser als das offenbar direkt beim Gaststättenverband erworbene Gelumps in den Kneipen der Restrepublik.

Was wirklich stört, ist die Dreistigkeit der Wirte in der Preisgestaltung. Die Wirte sind die wahren Gentrifizierer der schönen alten Bezirke Berlins. Sie ziehen die von Vatis Gehalt zehrenden Studenten-Praktikanten-Kreativen magisch an, allesamt bemützt und bebärtet oder berockt und geschminkt, wearing casual und H&M. Schlabberjeans meets Pali und bedrückende, weil bedruckte Shirts, von mir aus Jackets, dies für die Männer. Die Frauen: besser gekleidet, aber darinnen ähnlich belanglos!

Die Kundschaft also, Direktimport aus den Provinzen, findet es selbstredend toll, Bier unterhalb der 3 Euro 50 Marke vorzufinden und bestellt sich eben eines für dreizwanzig. Ganz super! Meinesgleichen findet dreizwanzig für ein Bier auch irre, und zwar irre teuer. Was müssten die Augen der StuPraKreas leuchten, wenn sich hier in NeuNeukölln AltNeuköllner Preise durchgesetzt hätten? Sei's drum, sie zahlen's ja auch so. Ich aber fühle mich jetzt schon verdrängt von den reichen StudentInnen und frage mich, ob ich fürderhin Eckkneipen besuchen muss, wenn ich mich einmal betrinken mag.

Was denn wirklich toll zu finden war hierzuorten, nämlich die offen heterogene BesucherInnenStruktur - Alter, (soziale) Herkunft, (soziales) Geschlecht - sucht man neuerdings vergebens. Man bleibt unter sich. Dasselbe Alter, diesselbe Mode: Hier ist nichts natürlich gewachsen, hier wurde durch unablässiges Kiezmanagement aufgepfropft: eine Gute-Nacht-Kultur ganz wie eine jüdische Siedlung mitten in Feindesland. Hübsch anzusehen, aber irgendwie fehl am Platze. Eine zur Simon-Dach-Straße geronnene Behauptung des Nachtlebens.

Und so kann man auch nachvollziehen, warum die gestrige Veranstaltung KunstReuter nicht so recht funktionieren wollte: Denn wo sich nun Bar an Bar reiht, fehlt der Raum für StandUpGalerien. Vorher standen die Räume leer, man konnte sie für lau mieten und hatte daraufhin volle Gestaltungsmacht. Heute muss man den Wirt überzeugen. Wie anstrengend darf Kunst noch sein, wenn der Wirt Umsatz machen möchte? Also blieb die Kunst gefällig und sprach auch nicht an. Allein, sie stellte die Frage nach dem Wert einer Ausstellung überhaupt.

Doch über den Wert und den Charme einer in der Kneipe stattfindenden Ausstellung braucht man sich nicht zu unterhalten. Es soll ja getrunken werden und auch gespeist. Schauen kann man hinterher oder während dessen. So wie daheim, beim Speisen vor dem Fernsehgerät. Friss und schau zugleich: HmmSchmatz! mjo, das Bild ist Rülps! ganz hübsch Grunz! Mir fehlt's aber Schlürf! etwas an Aus- Ronch! druckskraft. Schalt mal Börps! um und reich mir den Salat dort hinten am Artwork-Tresen und was vom Schinken Hüstel! Börps! dort hinten auf der Skulptur Röchel!

So wird das aber nix mit dem Kunststandort Neukölln. Kunstsammler neigen eher dazu, sich die Werke in Ruhe anzuschauen. Sie gehen hinterher Essen. Das ist noch nicht einmal eine Stilfrage.

Übrig bleiben noch ein paar kleinere Galerien, die teilweise ganz ordentliche Sachen ausstellen. Aber auch sie leiden vermutlich sehr unter dem zunehmenden Hipster-Tourismus. Wem sollen sie hier auch was verkaufen? Eigentlich müsste alles so werden wie in der Bergmannstraße: ÖkoKarrieristInnen essen gesund und parkettieren den Boden ihrer Eigentumswohnungen oder Haushälften.

Wenn sie hinterher den Tofu eingelegt haben, trinken sie noch ein Gläschen Biowein, naschen etwas vom Importkäse und besuchen dann eine Ausstellung. Oder sie gehen ins Theater. Nur wenigen unter ihnen aber würde ein Trip in den Reuterkiez in den Sinn kommen. Warum nur?

Donnerstag, 4. März 2010

Modenamen und ihre Bedeutung für! Ja, für was eigentlich?

Wenn man nichts Besseres zu tun hat, als die ZEIT zu lesen, denkt man halt darüber nach, was da so drin steht und wundert sich auch so ein bisschen. Mein Arbeitgeber meint wahrscheinlich, ich hätte in der Tat Besseres zu tun als die ZEIT zu lesen, da ich mich nun bitte darum kümmern soll, ein Konzept in die Tasten zu hämmern, wobei ich die ja gar nicht in die Tasten hämmere, sondern AUF die Tasten IN das Notebook, noch genauer... ach lassen wir das.

Gerade kann ich aber gar nicht an einem Konzept arbeiten, weil ich zur ZEIT nämlich gar keines habe. Zurück also zur ZEIT: Modenamen sind Namen, die zu einer bestimmten Zeit in Mode waren. Wären sie immer schon modisch, könnten sie gar nicht Mode sein. Ein Paradox, welches die ZEIT nicht hilft aufzulösen in ihrer gar wundersamen Grafik namens "Konjunktur der Namen".

Sogleich fällt auf, dass einstige Modenamen wie Mandy, Candy oder Lt. Commander Data dort gar nicht auftauchen. Sonderbar, habe ich doch den Eindruck, dass beinahe alle 10-20jährigen einen dieser Namen tragen. Wohl aufgezählt aber sind die Unterschichten- Namen wie Jacqueline, Alina, Justin oder Marvin, samt und sonders aufgetreten nach der Wende und gar so schnell verwelkt wie eine Nelke in der Wüstensonne.

Was mich aber nun so tief bewegt an dieser Grafik, ist, dass die männlichen H- Namen (Heiko, Holger, Hans) die 80er gar nicht mehr erlebt haben. Und was ist mit Helmut, Horst und Heino? Nun, diese erscheinen dort erst gar nicht als Modenamen. Offenbar gibt es doch einen Gott. Nun aber trage ich einen dieser mir von meinen Eltern verpassten Namen, der zuletzt angeblich 1978 vergeben wurde, und den ich selber aus lauter Scham gar nicht mehr verwenden möchte.

Weswegen ich dem H. zwar mit Holz konsequenterweise treu geblieben bin, aber von dessen Rest ich mich entschieden distanziere, so sehr offizielle Stellen der Demokratie auch darauf beharren mögen, mich weiterhin dermaßen zu nennen. Ich könnte meinen Namen ja auch ändern lassen, also wirklich. Ich finde es unerträglich, dass im Ausweis überhaupt Vorname und Geschlecht verlangt wird: Ich finde, dass man/ frau Geschlecht und Vorname täglich wechseln dürfen sollte.

Zur eindeutigen Identifizierung bekommt man ja schließlich auch bald eine ID- Nummer vom Finanzamt. Mehr will der Staat doch gar nicht. Er will nur all unser Geld! Jedenfalls wäre es dann auch viel einfacher für eine Frau, einen tollen Job zu bekommen, da sie sich ja notfalls einen Männernamen geben könnte. Und für Männer wären nun Schwangerschaft und Mutterschutz möglich! Einen Nachteil hat das: Er/ Sie wäre Mutter und Vater zugleich und könnte sich nicht wirklich aus der Verantwortung stehlen.

Doch was sind denn nun die Modenamen dieser unübersichtlichen ZEIT? Es sind jene Namen aus den ökologisch und politisch korrekten Milieus einer spätberufenen Elternschaft, bei deren Nennung man sofort spätere Erwachsene mit ausgewachsener Neurose oder ordentlichem Trauma beim Therapeuten sitzen sieht, weil deren Eltern ihre Zeit damit verplempert haben, bei Amazon ganze Bücherwände der allerrichtigsten Erziehungsratgeber zu kaufen und ansonsten Erziehung durch einen Terminkalender für ihre Kinder ersetzen.

Noch so ein langer Satz gefällig? Bitte sehr:

Es sind die Namen jener Kinder, die mit drei Jahren mit ihren Eltern bereits die Kosten-Nutzen-Diskussion um eine Spielkonsole austragen und gewinnen können, deren Eltern immer gefasst und daher nie authentisch sind, die ihre wirklichen Gefühle also niemals zeigen, um das Kind nicht zu verletzen, was aber gerade deshalb ungemein grausam ist, die wahrscheinlich gar nicht wissen um ihre Grausamkeit, aber umso mehr um ihre Bildung, und deshalb ihren Kindern Namen geben wie:

Nele, Niklas, Paul, Philip, Elias, Emilia, Emma, Lennard, Anna usw. Durchaus schöne Namen also. Hoffen wir mal, dass die Behauptungen über Bildungsbürgereltern im Vorfeld reine Erfindung sind! Und hoffen wir ebenso, dass meine Eltern ein Schuldbewusstsein bezüglich meiner Namensgebung entwickelt haben. So, und jetzt heran ans Konzept! Ei wo bisse denn? Kommsu her, na? Nukommscho, Konzepti, hallöle? Weissu: Morgen und dann noch ein Tag, dann fliege ich nach Griechenland! Bleibsu halt weg!
P.S. Haben Sie gemerkt, wie im vorletzten Abschnitt ganz zufälligst Subjekt und Objekt die Plätze getauscht haben?
P.P.S. Ich nenne das Redundanz
P.P.P.S. Sie nennen das wahrscheinlich "grammatiklaisch nicht korrekt"
P.P.P.P.S. Ich nenne das "grammatikalisch nicht korrekt"
P.P.P.P.P.S. aber trotzdem irre redundant
P.P.P.P.P.P.S. super Ausrede was?

Dienstag, 2. März 2010

Adrenalin! Mit Vollgas in die Midlife- Crisis!

Nö! Nach Berlin bin ich nicht gezogen, um ständig umtrubelt zu werden wie ein zum Star gewordener Straßenschuh auf Wanderschaft. Mich hat weder Clubszene gelockt noch funky Girls'n Boys, mit denen Brüderschaft zu trinken sei und der Wandel der Nacht begossen werden soll. Ich bin Vierzig! Wenn schon, dann trinke ich Elternschaft auf die Knirpse. Ha!

Ich bin einzig und alleine nach Berlin (zurück-)gezogen, weil mir nach meinem misslungenen Mannheim- Adventure nicht Besseres eingefallen ist. Hätte ich die Zeit zu überlegen gehabt, womöglich wäre ich woanders gelandet. So aber schlingerte mein UFO unbestimmt über die Lande und schlug abermals in Neukölln auf. Hier gibt es Leben.

Eines spricht allerdings für Berlin: Man kann sich trotz kulturellem Überangebot in die innere Emigration begeben. Ich meine mit innerer Emigration den Rückbezug auf mich selbst unter temporärem Ausschluss der Öffentlichkeit zum Behufe der Eigenfindung, wobei ich tunlichst den Begriff der Selbstfindung vermeiden möchte. Das klingt mir zu esoterisch.

Mögen andere Leute der endlosen Party wegen nach Berlin gehen, ich bin hier, weil man so wunderbar unerkannt umherwandeln kann und sich eigentlich so gar keiner für einen interessieren mag. Hier kann ich leben, hier kann ich sein und meine Midlife- Crisis voll ausleben. So sieht es nämlich aus: Ich muss nachdenken und nicht feiern. Ich will nicht der Opi in der WG- Küche sein, der den Trubel der Party flieht.

Zumindest verbiete ich den Leuten ihre Party nicht, und wegen mir ist auch noch kein Club geschlossen worden. Wäre ja noch schöner! Diesbezüglich Schande über die 9to5- Deppen, die Berlin ganz dufte finden, aber um 10Uhr ihre Ruhe haben wollen und ehrwürdige Clubs wie das SO36 oder den Knaack- Club schließen lassen wollen. Geht nach Darmstadt oder Mannheim, Ihr Deppen. Schlaft Euch dort aus. Kauft Eure Häuser in Dörfern und geht hier niemandem auf den Sack.

Das einzige, was schlimm ist in Berlin? Die Berliner sind die allermiesesten Autofahrer wo gibt! Das liegt daran, dass sie sich wütend in ihr Auto setzen und ebenso wütend damit fahren. Jeder gegen jeden, egal ob zu langsam, zu schnell, zu Ampel oder zu Fußgänger bzw. Radfahrer. Mann auf Straße? Extra Gas geben. Radfahrer? Wozu gibt es die Hupe! Gut, manche Radfahrer sind auch scheiße, aber selbst denen dürfte es schwer fallen, aus lauter Rechthaberei jemanden tot zu fahren.

Nein, gemeingefährlich sind allein die Autofahrer, und manche sind sogar noch stolz auf den Mist, den sie zusammenfahren. Im Grunde müsste man deshalb allen KFZ einen Adrenalinsensor einbauen, der bei einem Anstieg des Botenstoffs in der Blutbahn das Gaspedal blockiert und die Bremse aktiviert. Eigentlich ein Fall für Toyota. Bitte übernehmen Sie!