Mittwoch, 11. November 2009

Dieser Witz hat ja sooo einen Barth! Aber ich behaupte ja wenigstens nicht, witzig zu sein!

Wer erinnert sich an Fips Asmussen? Dieser siebtklassige Witzeerzähler schockt die Menschheit noch immer mit Frauen, Homosexuelle und Migranten diskriminierenden Kalauern. Dieser Form der Schwachenschelte und Schadenfreude bedient sich auch ein Stefan Raab, wobei man von ihm wohl noch weitgehend behaupten kann, dass er ein kreativer Mensch, wenn nicht sogar ein Künstler zu sein scheint.

Während Asmussen noch kleinere Festzelte bespielen muss und Raab sein Glück im TV strapaziert, zieht Mario Barth die Massen in die diversen Arenen der Bundesrepublik. Auch er bedient sich allerlei Klischees, um Frohsinn zu evozieren. Bei ihm sind es offenbar extrem verfestigte Rollenbilder von Mann und Frau, die er vorgibt zu parodieren. Als Witzeerzähler nur mäßig originell, erfährt er zurzeit einen Erfolg sondersgleichen. Das ist ja schon rätselhaft genug. Doch neuerdings wirbt er auch für ein Elektronikkaufhaus, und der einzige Unterschied zu seinen Shows ist wohl, dass die Werbung vermutlich gar nicht wirklich komisch sein soll. Der Konzern jedenfalls ist bekannt dafür, billigen Trash gezielt zu Werbezwecken einzusetzen.

Dennoch treibt er dort das gleiche Spiel: Er testet Situationen, indem er sie fälscht und beleuchtet diese vom Standpunkt der Frau bzw. des Mannes aus. Was wunder, dass der Mann in Barths Universum technik-affin ist, während die Frau dem Verkäufer hinterher schmachtet. Männer sind rational, Frauen sind emotional, das ist die Botschaft. Gibt es hier irgendeine weitere Erkenntnis? Nein! Ist das lustig? Nicht unbedingt! Ich bin in der Lage, 30 Minuten Barth zu schauen und dabei gar nichts zu fühlen. Weder lache ich noch weine ich. Und ich kann weinen und lachen, obwohl ich ein Mann bin.

Das Schema ist immer gleich, und es reproduziert sich immer wieder. Indem Barth den Männern dieses und den Frauen jenes Verhalten konstatiert, zementiert er es gleichzeitig für immer und alle Zeiten. Er erzieht sein Publikum nicht, er hält es bei Laune allein durch die Bestätigung ihrer Wirklichkeit. Dass diese Wirklichkeit so ist wie sie ist, ist nicht Mario Barths Schuld. Es ist geradezu traurig, dass die meisten Menschen immer noch in der Vorstellung leben, die Geschlechter seien in ihren Vorlieben und Fähigkeiten grundverschieden.

Dem muss widersprochen werden: Die Menschen sind es, die in ihren Vorlieben und Fähigkeiten verschieden sind! Das Geschlecht spielt da nur eine kleine Rolle. Vielmehr ist es die Erziehung oder die soziale Sanktionierung, welche vorhandene Tendenzen verstärkt respektive abträgt. Es gibt zum Beispiel Männer, die finden tatsächlich Gefallen an der Farbe Rosa. Nur trauen sie sich nicht, eine rosa Mütze zu tragen, aus Angst, sie könnten als schwul gelten. Nicht alle Frauen aber mögen Rosa.

Dafür mögen sie gerne Taschen. Obwohl es in meinem Sortiment auch die Farbe Rosa gibt, bestellt kaum eine Frau eine Tasche in dieser Farbe. Männer hingegen finden - und das haben mir etliche erzählt - Umhängetaschen ganz generell schwul, Rucksäcke hingegen cool. Ich finde Rucksäcke nicht nur nicht cool, sondern unstylish. Deswegen stelle ich ja Umhängetaschen (übrigens die ursprünglichste Form aller Tragetaschen) her. Macht mich das irgendwie schwul, ist das unmännlich?

Das ist mir völlig egal. Ich lasse mir doch nicht ständig vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe. Nur um mich letztendlich zu irgendeiner Gruppe zählen zu dürfen, aus deren Riten und Kodexe es kein Entrinnen mehr gibt. Es ist mir gänzlich unverständlich, wie sich Menschen freiwillig in so eine Form pressen lassen können. Auf der Emotionen- und Fähigkeitenskala zwischen biologischem Mann und biologischer Frau gibt es einen Verlauf voller Farben und Graustufen.

Man zeige mir einmal DEN 100%igen MANN oder DIE 100%ige FRAU. Diese beiden Menschen sind mit aller Wahrscheinlichkeit so saublöd und langweilig, dass man sie am liebsten atomisieren möchte. Trotz all dieser Facetten, welche einen Menschen ausmachen, lässt er sich dennoch ausgerechnet auf die Geschlechterebene reduzieren. Das ist ja so viel einfacher. Und genau so ist der Erfolg eines Mario Barth zu erklären. Der selber übrigens auch nicht gerade ein Beispiel reiner Männlichkeit ist. Er trägt mehrheitlich weibliche Züge, und nur sein Bartversuch lenkt von dieser Tatsache ab.

Vermutlich leidet bzw. litt Mario Barth selbst sehr unter dieser Festschreibung der Geschlechtsrollen von Mann und Frau. Vielleicht ist seine Show eine Art Therapie, um sich künftig über Rollenzuschreibungen hinwegsetzen zu können? Eine Konfrontation mit der eigenen Angst? Oder handelt es sich um eine späte Form der Rache gegenüber dem anderen, ihn verschmähenden und dem eigenen, ihn verhöhnenden Geschlecht. Satire ist das jedenfalls nicht. Dazu fehlt seinem Humor die Intelligenz. Er ist auf seine Weise brachial und denunziatorisch. Fiele Barth nicht unter die Kategorie Künstler, man müsste ihn wegen Geschlechterdiskriminierung verklagen.

Und die zahlreichen ZuschauerInnen, die lösen nicht ihr Korsett, sondern schnüren es immer enger bis ihnen eines Tages die Luft weg bleibt. Sie lacht und zeigt auf ihren Partner: genau so isser! Und er ruft dazwischen: und alle Frauen sind ja sooo! Und jene, welche einmal verletzt wurden, rufen: so sind sie doch alle! Und dann sind sie's endlich zufrieden, noch einmal genau gesagt bekommen zu haben, was sie ohnehin schon zu wissen glauben. Das ist so unendlich traurig, weil ohne jede Perspektive. Es muss sehr schlimm sein, sich niemals niemals niemals aus der eigenen Scheiße erheben zu können.

Dienstag, 10. November 2009

Stinkefinger zeigen! Womöglich zurecht!

Ist ja gut, ich gebe es zu: Wenn ich in großer Eile bin und ich zum Überqueren eines banalen Platzes amidst 2er Straßen circa 5 Minuten zu brauchen drohe, da jeder meiner Schritte von einer roten Fußgängerampel durchkreuzt wird, dann gehe ich schon auch mal über die Straße, ohne auf die StVO zu achten. Dabei verschaffe ich mir stets einen Überblick über die Verkehrsverhältnisse. Selbstmord ist mein Ding nicht!

Ich sehe es schlicht und einfach nicht ein, warum ich wegen eines roten Lichtreizes doof an einer Straße stehen bleiben soll, wenn sowieso kein Auto kommt. Wenn es regnet, wird man nur länger nass, und wenn die Sonne brezelt, dann nur länger Kirre. Auf jeden x-beliebigen Autofahrer muss gewartet werden, die ja gerade dann erst anrasen und nochmal schnell bei rot über die Ampel müssen, wenn der gemeine Fußgänger gerade grün hat.

Ampeln sind eine Plage und gehören einfach abgeschafft. Ich habe Augen im Kopf, und die müssen genügen. Schön wäre es, wenn Autofahrer auch Augen im Kopf hätten, doch stattdessen haben sie lediglich Rezeptoren, die durch Lichtsignale zwar optisch gereizt werden, aber diese nicht immer dem Recht- und Sicherheitsempfinden der Allgemeinheit entsprechend interpretiert werden. Und damit bringt der gemeine Autofahrer andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr.

Gehe ich aber blickenden Auges über einen berotlichteten Fußgängerüberweg, dann bringe ich nur mich selbst in Gefahr, wobei ich ob der plumpen Fahrtaktik anderer Verkehrsteilnehmer nicht wirklich sicher bin, ob die Methode des "bei Rot stehen, bei Grün gehen" mein Leben sicherer macht als das Motto "den Verkehr sehen und lebendig über die Straße gehen".

Bin ich deswegen ein schlechtes Beispiel für Kinder? Ich glaube kaum! Ich bin der Überzeugung, dass jedes Kind sicherer über eine Straße gelangt, wenn es mir affektiv hinterher läuft, als wenn es sich darauf verlässt, dass die lieben Autofahrer schon halten, wenn ihre Ampel rot ist. Wer sich blind an irgendwelche Regeln hält, der glaubt auch, dass es zum Kapitalismus keine Alternative gibt und dass sein Geld bei einer Bank gut angelegt ist. Oder das Atomkraftwerke sicher sind und umweltfreundlich.

Motorisierte Verkehrsteilnehmer fühlen sich stets im Recht. Wie bei den Affenhorden, die in der kürzeren Vergangenheit der Menschheitsgeschichte ihr Unwesen trieben, wähnt sich jene im Vorteil, deren technisches Arsenal ausgereift ist. Wer nun schon mal bei der IAA in Frankfurt war, der weiß: Menschen, deren Selbstwertgefühl schon allein beim Betrachten eines PKW größer wird, neigen zum Größenwahnsinn. Dem niederen Fußgänger oder Radfahrer werden sie nie den gehörigen Respekt erweisen. Sie belehren ihn, aber sie achten ihn nicht!

In den Quadraten Mannheims gibt es nun seit Monaten eine feine Regelung, welche es den Radfahrern erlaubt, sich entgegengesetzt zur Einbahnstraße fort zu bewegen. Nun gibt es dort beinahe täglich Auseinanderstetzungen zwischen motorisierten und pedalisierten Verkehrsteilnehmern, die nicht selten damit anfangen, als dass der geplagte PKW-Führer nochmal extra auf das Gaspedal tritt und entgegenlenkt, weil er glaubt, der Pedaltreter übertrete die Verkehrsregeln.

Das wahre Schwein im Straßenverkehr ist aber jener, der andere in Gefahr bringt, nur weil er im Recht ist oder es zu sein glaubt! Dumm ist das auf jeden Fall. Man darf ja auf keinen Fall auf etwaige Verfehlungen dieser Fußgänger und Radfahrer verweisen, weil diese sich ausschließlich SELBST in Gefahr bringen. Das ist ein kleiner, aber qualitativ erheblicher Unterschied zum aggressiven KFZ-Führer. Außerdem sollte man niemals jemanden für die Fehler anderer Menschen verantwortlich machen! Ich kann schließlich nichts dafür, wenn irgendjemand zuvor dem Autofahrer seinen Stinkefinger entgegen gereckt hat oder dieser ein verpfuschtes Leben führt.

Womöglich zurecht! Denn die Straßen sind viel zu schade, als dass man sie größenwahnsinnigen Autofahrern alleine überlassen sollte. Wer sich einmal mit dem Zweck einer Straße auseinandergesetzt hat, der weiß ohnehin, dass diese ursprünglich gar nicht nur für Fahrzeuge gedacht, sondern eher für Fußvolk und Handwägen. Damals war es ein friedliches Nebeneinander, Tote gab es nur wegen der Maut. Seit der erste pferdestärkengetriebene Wagen gebaut wurde, ist dieser Frieden zerstört! Regeln mussten her, zum Schutze des Fußvolkes.

Dass es eine StVO gibt, ist alleine der Tatsache geschuldet, dass Menschen zwar psychisch in der Lage sind, sich über andere zu erheben, aber physisch nicht in der Lage sind, ihre Fahrzeuge sicher zu führen. Ich kann mich noch erinnern, als in der Kreisstadt in der Nähe meines Geburtsortes die erste Fußgängerampel aufgestellt wurde: Nicht, weil die Fußgänger zu doof waren, eine Straße zu überqueren, sondern weil die Autofahrer zu dumm waren, ganz selbstverständlich auf ihre Mitmenschen zu achten.

Doch nun ist das Schutzprinzip einer Zwangsverpflichtung zum angeblichen Selbstschutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer gewichen. Die Straßen aber, sie gehören allen. Sie werden nicht unterhalten durch die im Umfang lächerliche KFZ-Steuer, und auch nicht durch Benzinsteuer. Diese Besteuerungen gehen drauf, um Schäden an Mensch und Umwelt zu bezahlen. Den größten Batzen macht die Mehrwertsteuer aus, und die bezahlen wir alle reichlich. Man soll jedoch nicht glauben, dass der Erwerb eines PKW den persönlichen MwSt-Beitrag erhöht, bei den Subventionen (die wiederum wir alle zahlen), welche die Automobilbranche erhält.

Umdenken heißt: Die Straße mit allen teilen und Umsicht walten lassen. Da braucht man am Ende keine Ampel mehr und auch keine 100 Verkehrszeichen pro Einmündung. Selber denken ist immer besser als bedacht zu werden. Das ist das Konzept des Shared Space, und es ist gut! Unbedingt nachlesen. Und nachmachen! Am Ende emanzipiert sich der Mensch noch von seinem stupiden Dasein und kann nach etlichen Tausend Jahren endlich das sein, was er zu sein glaubt: Die Krone der Schöpfung.

So aber, ist er nur ein beinahe unbehaarter Hominide, dessen höchste zivilisatorische Errungenschaft die Zahnbürste ist.