Sonntag, 25. Mai 2014

Next Stop Friedrichshain #14: Rednecks kullern im Kragenweit!

Ich sehe ja ganz gut aus. Das bestätigt mir jeden Morgen mein Spiegelbild. Selbst in der Frühe mit zerknittertem Gesicht sehe ich noch einigermaßen aus, dann eben würdevoll zerknittert. Was soll ich machen? Das liegt mir eben im Blut, ebenso wie ein guter Geschmack und ein nicht an Kurzlebigkeiten anbiederndes Modeverständnis.

Dies macht mich zum Modexperten in eigener Sache. Zumal ich als junger Mann, der ich vor 30 Jahren noch war, unsägliche Mode-Verbrechen an mir selbst begangen habe. Stichworte: Batik-T-Shirts, Latzhosen, lange Haare. Daher darf ich nun auch richten über andere, genauso wie Ex-Raucher überall ungestraft Raucher verprügeln und Veganer Tiere ausbeutende Menschen öffentlich kreuzigen dürfen.

Mein Modeverbrechen begann Mitte der 80er Jahre mit dem Aufkommen der Serie "Miami Vice". Kurz vor dem mittleren Schulabschluss begannen wir plötzlich mit pastellfarbenen Sakkos, Polo-Shirts und Bundfaltenhosen in Klassenzimmern herumzusitzen, den Lederaktenkoffer (schwarz mit goldenen Beschlägen) auf unseren Knien. Das hat zwar schön geschnappt beim Öffnen des Koffers und fein geklickt beim Schließen desselben.

Doch beim kilometerlangen Fußmarsch nach Hause wurden schnell die Arme lahm! Und die Mädchen haben es nicht goutiert. Es hätte aber auch schlimmer kommen können, z.B. wenn wir uns einige Zeit davor an Magnum orientiert hätten: Hawaiihemden, Shorts und OLiBa - im Grunde das Outfit eines durchschnittlichen Hipsters in Neukölln. Nun lebe ich aber in Friedrichshain und möchte daher ein modisches Sittenbild hierzuorte beschreiben:

Das Polo-Shirt ist zurück. Ich weiß, schon seit Jahren ist es wieder da. Kurz war ich versucht, mir selbst einige zuzulegen, erinnerte mich dann aber schlagartig an die Schrecken meiner eigenen Jugend. Wie es kommt, dass das Polo-Shirt jetzt erst schlagartig überhand nimmt in Friedrichshain, mag daran liegen, dass Modetrends, gute wie schlechte, immer ein paar Jahre brauchen, bis sie in der Provinz ankommen.

Und da Friedrichshain vor allem aus Zugezogenen aus der Restrepublik und den etwas biedereren, weil geschäftsreisenden oder enkelbesuchenden Touristen (Böblingen, Cochem, Heidelberg, Ostdeutschland) besteht, muss ich, wie ich meine, auch hierüber berichten, als sei der Ortsteil tiefe Provinz: In Friedrichshain also ist nun das Polo-Shirt angekommen!

Als wäre das aber nicht schon schlimm genug, muss auch noch der Kragen hochgestellt werden. Ich wiederhole: DER KRAGEN HOCHGESTELLT WERDEN! Was soll das denn? Der hochstehende Kragen ist ein Relikt aus dem hanseatischen, von mir aus auch französischem Bürgertum. Er war gesteift und lag eng am Hals an. Das hatte Chic und gab dem Körper eine etwas steife Haltung, hat aber den Bürger vom Hafenarbeiter unterschieden. Der war um einiges legerer.

Doch beim Polo-Shirt-Träger schaut der hochgestellte Kragen aus wie bei einem Hund, dem man frisch die Ohren kupiert hat und nun einen Kratzschutz am Hals trägt: Der Kopf wackelt lustig im Trichter herum! Das liegt beim Polo-Shirt daran, dass der Halsausschnitt viel weiter ist als zum Beispiel beim Hemd und der Kragen somit erst vom Schlüsselbein ab hochgestellt werden kann. Damit hat er einen relativ großen Durchmesser im Verhältnis zum Kopf. Ergebnis: Rednecks kullern im Kragenweit!

Wer so etwas trägt, schaut sich entweder bei der Anprobe nie von hinten an oder ist ästhetisch bereits so deformiert, dass er glaubt, Hässlich sei das neue Schön! Da kann er heute auch getrost CDU wählen und für die Randbebauung des Tempelhofer Flugfeldes stimmen. Seine Freundin macht das sowieso schon, wenn sie diesen Look bei ihrem Kerl noch toleriert oder gar fördert.

Ich darf mich nicht so aufregen! Das tut mir nicht gut! Aber wenn ich derart herausgefordert werde...

Sonntag, 18. Mai 2014

Stucked (?) in Friedrichshain # 12: Neue Kampagnen weben!

Ich wohne nun seit einem Monat mit C. und ihrer Tochter L. zusammen in einer Wohnung in dem netten Muttibezirk Friedrichshain, in dem man keinen Kaffee trinken kann, ohne ungewollt Zeuge von Gesprächen über Kinder, Mutterschaft und Kinderpflegeartikel zu werden. Aus Gram über die Muttinotwendigkeiten schallt freudloses Säuglingsgekrähe in Quadrophonie aus audiostrategisch platzierten, leichenwagenfarbenen Kinderwägen.

Ich bin nachgerade froh, Vollzeit arbeiten zu müssen. Da bekomme ich sowas nur mit, wenn ich einen freien Tag habe. Wie heute, seufz! So nah wie heute war der Prenzlauer Berg dem Friedrichshain noch nie. Zeit, sich um wichtige Dinge zu kümmern. Europawahl? Wenn schon Olaf Martin Scholz Schulz (SPD) sagt (hier...) , dass die EU den von allen Beitrittskandidaten geforderten Kriterien selbst nicht genügt - Stichwort Demokratie - was soll da noch groß gewählt werden? Die Null?

Gleichzeitig wird in Berlin über die zukünftige Nutzung des Tempelhofer Flugfeldes abgestimmt. Die Stadt will dort einige Hunderttausend (sic!) Sozialwohnungen (doppelsic!), darunter ein paar wenige zum Quadratmeterpreis von nur 6 - 8 Euro (veritas) Kaltmiete errichten lassen, die meisten davon selbstredend für Besserverdiener, einen Teich sowie eine Bibliothek anlegen und ansonsten das Flugfeld so belassen, damit sich dessen Besucher_innen an einer weiteren Berliner Dauerbaustelle samt Lärm sowie die Anwohner an einem höheren Mietspiegel erfreuen können.

Also: Dies Unterfangen unbedingt liken am 25.5.2014! Denn was der Senat vorhat, ist immer ziemlich dufte und unglaublich nah an dem, was die Berliner_innen am meisten wollen! Das hat bislang jedes erfolgreiche Bürgerbegehren gezeigt! Also: Bloß nichts so lassen, wie es ist. Selbst wenn es sich bewährt hat, heißt das noch lange nicht, dass es ausreichend Profit abwirft. Wer dagegen ist, ist für Stillstand und gegen den Fortschritt. Man muss die Dinge zerstören, wenn man damit Geld machen will!

Man kann die Dinge auch zerstören, wenn man Geld sparen will! Apropos Dauerbaustelle nämlich: zum Beispiel der BER, der BRD größter anzunehmender Betriebsunfall (GaB). Unnötig, daraus noch einen Kalauer zu quetschen, alle Witze sind bereits gemacht. Daher Zeit für eine neue Kampagne:

100 % Schönefeld!
Rekommunalisierung des Baugeländes!
Neuansiedlung der Sumpfdotterblume!
Freie Sicht auf Brandenburg!

Wer entwirft mir ein hübsches Shirt? Ich trage übrigens gerne körperbetonte Kleidung.

P.S. Ich schreibe was, ein paar lesen das und keiner weißt mich darauf hin, dass nicht Olaf Scholz, sondern Martin Schulz (beide SPD) die EU nicht der EU würdig befinden? Muss ich denn hier alles selber machen? 

Freitag, 2. Mai 2014

Über den Gartenzaun hinweg diskutieren: RonJustice vs. Holz E. von Bald!

RonJustice hat zum Post vom 27.4.2014 [u.a.] gesagt... 

In meiner näheren Umgebung betreibt ein kleines mittelständiges Catering-Unternehmen schon längst sein eigenes Freihandelsabkommen, welches es sich leisten kann, trotz ständiger Großaufträge (Porsche, John Deere, US-Army etc.) seinen Mitarbeitern beim Auszahlen der Löhne einfach 'SPÄTER' zuzurufen, was jüngst zur Folge hatte, dass einer Mitarbeiterin aufgrund mangelnder Zahlungsfähigkeit nun der Strom im eigenen Haushalt abgestellt werden soll.

Eine andere Mitarbeiterin tat mir kund, dass in den letzten beiden Jahren bei ihr Lohnrückstände in Höhe von knapp 10 000 Euro aufgelaufen seien.
Unnötig, zu erwähnen dass die Eigentümer dieses 'SPÄTER-Catering Services' sich und ihren Kindern mehrere Luxus-Urlaube im Jahr gönnen und ihren Angestellten auch schon mal den Satz entgegen schleudern: "Wo wollt ihr denn noch hin, in eurem Alter nimmt euch doch ohnehin keiner mehr...."
...
1. Mai 2014 14:05

holz e. von bald hat gesagt...

Löhne? RonJustice, wo leben Sie denn? Wir haben die Arbeit doch längst vom Geld abgekoppelt. Wenn man von Arbeit nicht mehr reich werden kann, wozu braucht es dann noch Löhne? Es heißt heute: Hautpsache Arbeit. Der soziale Distinktionszugewinn kostet Sie lumpige acht Stunden Ihrer täglichen Zeit, mindestens!

Seien Sie froh, wenn Sie nicht noch dafür zahlen müssen! Ich meine direkt an den Arbeitgeber, nicht indirekt über Steuern oder so! Schließlich stellt er Ihnen einen Arbeitsplatz zur Verfügung, Toiletten, soziale Kontakte, einen strukturierten, ereignisreichen Alltag, Parkplätze etc. Das ist Dienstleistung und kostet viel Geld!

Denken Sie da lieber mal drüber nach, bevor Sie sich wieder  über die angebliche Unmoral der Arbeitgeber erheben.

Ansonsten sind mir Ihre Beiträge (auch in monetärer Form) immer willkommen. Daher heißt es auch heute wieder, mit der in die Höhe' gestreckten Faust: "Der Kampf gehd weida, RonJustice!"

Ergebenst, Ihr Holz E. von Bald

P.S. wird das Adjektiv "später" nicht mit Doppel-E statt Ä geschrieben?

2. Mai 2014 19:11

Fucked in Neukölln! Am Tag der Gartenarbeit!

Ich bin selber schuld! Was laufe ich auch auf der falschen Seite auf dem Bürgersteig? Muss man sich noch wundern, dass da anständige Bürger aus 30% Trotz, 30% Belehrungsgehabe und 40% Faschoscheiße geradewegs auf einen zu marschieren und keinen Schritt weichen, so dass man selber, eingezwängt zwischen Passant und parkenden Autos, entweder rempeln abrupt oder stehen bleiben muss.

Mein Problem ist nicht, dass ich zuwenig "rauskomme". Mein Problem ist, dass ich nicht noch mehr zu Hause bleiben kann und mich mit der grassierenden Verblödung der Masse herumschlagen muss. Da muss ich gar nicht in Friedrichshain bleiben, es reicht, wenn ich das scheißdeutsche Pack in Neukölln erlebe, diese Grantler aus der Assiecke mit hoffentlich chronischem Sodbrennen.

Gestern war der 1. Mai. Dieser Tag ist schlechthin als der Tag der Arbeit bekannt. Traditionell beschäftigen sich die Menschen damit, ihre Arbeit kritisch zu reflektieren und gegebenenfalls Arbeit an sich zu kritisieren. Die restdeutsche Jugend fährt nach Berlin, Hamburg, Hannover und betreibt Krawalltourismus. Auch gut: Dann dürfen die Innensenatoren mal wieder auf die Pauke hauen und ihren Etat sowie Sondergesetze rechtfertigen.

Radio 1 allerdings, immerhin ein öffentlich-rechtlicher Sender, ist sich nicht zu blöd, am selbigen Tag den "Tag der Gartenarbeit"  auszurufen. Wie originell! Wie lustig! Umtriebige Autoren wie Wladimir Kaminer dürfen in der Sendung dann Werbung für ihren Gartenlaubenquatsch in Buchform machen. Ja, das ist er: Der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten! Die Menschen bloß nicht auf dumme Gedanken bringen, oder gar zum Nachdenken. Das Leben ist doch hart genug, da brauchts keine Kritik am Bestehenden.

Das überlassen wir den Vollpfosten von der CDU: Wie jedes Jahr fordern die, das kinderlose Arbeitnehmer mehr Steuern zahlen sollen, weil die nichts für die Rente tun.Nicht, dass ich selbst davon betroffen wäre. Wenn es aber tatsächlich Leute gibt, die sich nicht entsprechend am Rentensystem beteiligen, dann sind das in erster Linie Beamte, Großverdiener und am Aktienmarkt Beteiligte: Wenn die sich nicht sowieso vollends vom solidarischen Rentensystem verabschiedet haben, dann zahlen sie im Verhältnis zu ihrem Einkommen viel zu wenige Beiträge!

Davon abgesehen, dass jedes geborene Kind den Staat mehr kostet, als es später einmal erwirtschaften können wird. Infrastruktur kostet viel Geld: Schule, Bildung, Ausbildung, Spielplätze, um nur ein paar Posten zu nennen. Doch davon spricht keiner. Ebenso wie keiner davon spricht, wie die Sozialsysteme finanziert werden könnten: Wenn man die, die sich daraus längst verabschiedet haben, endlich wieder zur Kasse bittet! Sie nutzen schließlich auch die schöne teure Infrastruktur. Für die von der langsamen Truppe (CDU): Geld da holen, wo es ist!