Kleine Story zum Anfang: Übelgelaunter Bully kommt mir entgegen, ich laufe eng an einem Stand vorbei, keine Chance auszuweichen, war eigentlich auch nicht nötig, Platz war genug für 10 von uns. Aber Bully steckt augenscheinlich absichtlich den Ellbogen raus und rammt mir die Schulter. Ohne den Ellbogen wäre gar nicht passiert. Er beschimpft mich auf's Übelste, ich hätte nicht aufgepasst, ich Vollpfosten, Wichser und natürlich: Yuppie!
Entschuldige, bloß weil ich mich nicht so scheiße kleide wie der Rest der männlichen Bevölkerung innerhalb und außerhalb Berlins bin ich noch lange kein Yuppie. Ich trage zwar Casual Wear, mische aber Flohmarkt mit Neuem. Also völlig yuppieunverdächtig, vielleicht eher noch Hipster (bäähhh), aber ohne Rauschebart und dafür mit trainierten, muskulösen Beinen. Hätte ich eine Brille auf, sie wäre jedenfalls kein Fake!
Aber bitte, wenn Ihr es so wollt, bin ich halt Yuppie: Ich kaufe Eure Grünanlagen und Brachen, bebaue sie mit Townhouses und verkaufe sie an chinesische Immofonds. Und dort, wo gerade Eure Hunde hinscheißen, lasse ich eine neue Mall entstehen, erbaut von unbezahlten Asylbewerbern und gemietet von ausbeuterischen Textilverkäufern. Ich weiß, wie das geht!
Wenn ich doch nur könnte... oder auch nur wollte... Das Motiv des verbohrten 100%- Kerls scheint hingegen klar: Alle, die nicht so sind wie ich, haben hier nichts verloren. Da ist es egal, ob ich ein Unternehmer bin oder auch nur ein therapiebedürftiges kleines Würstchen wie jener rempelnde, rüpelnde Walking Dildo. Jeder gegen jeden, so scheint es auszusehen in dieser Welt.
Wir regen uns auf über ständig beleidigte Muslime und sind selber dauernd beleidigt. Wir sind beleidigt wegen der puren Existenz andersdenkender oder deren Gesten: Da zeigt den zufällig in Schland geborenen Menschen ein zukünftiger griechischer Finanzminister 2013 den Stinkefinger (oder auch nicht) und im Land herrscht der Ausnahmezustand. Ich selber zeige Schland schon seit Jahren den Stinkefinger (in echt!), ernte jedoch nur Kopfschütteln. Ist doch alles schick hier, wem es nicht passt, kann ja in die DDR rüber machen. Im Zweifelsfall gehöre ich jedoch zur "Volksgemeinschaft" und genieße Sonderrechte. Igitt!
Bedrohlicher finde ich, dass die Menschen hierzulande gerade jenen Regierungen ein Übermaß an Misstrauen aussprechen, die zumindest dem Anschein nach alles versuchen, Ihren Landsleuten zu Diensten zu sein, um ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Die Deutschen scheinen die Demokratie noch nicht verstanden zu haben und wählen stattdessen alternativlose Politik. Wäre ja noch schöner, wenn Politik auch der Bevölkerung nutzen würde. Da würde ja keiner mehr was arbeiten. Außer mir, selbstverständlich!
Wir sehnen uns geradezu nach der Überwindung der Demokratie, in der ja von uns gefordert wird, uns zu beteiligen, sei es nur um zu wählen zwischen den Parteien. So viel Freiheit macht uns angst. Was, wenn wir falsch entscheiden? Dann sind wir ja selber schuld! Besser wäre es, wenn einfach die anderen Schuld sein könnten. Im nationalen Taumel ist es natürlich sicherer, gleich ganze souveräne Staaten in Haft zu nehmen.
Die faulen Griechen, die korrupten Italiener, die streikwütigen Franzosen, die unfähigen Spanier und die drogendealenden Asylbewerber: es ist klar, wer schuld daran ist, dass wir hungern müssen wie nach dem, wie wir wieder meinen zu müssen, unverdient verlorenen WW2. Wir opfern uns auf für die europäische Idee, also weg mit der europäischen Idee! So einfach ist das! Bildung stört da übrigens nur, so was brauchen wir nicht: Bildung macht unsere Kinder schwul!
Noch vor wenigen Jahren hieß die Staatsschuldenkrise übrigens noch Bankenkrise. Das war aber schlecht für das Image der systemrelevanten Banken, also hat man sie umbenannt. Seitdem bezahlen die Bürger der EU für das Unvermögen und die Gier einiger Weniger. Die wegzuputzen ist jedoch schwer. In Frankfurt hat sich kürzlich einmal die Wut gegen die vermeintlich Unantastbaren gerichtet, das war allerdings mal wieder zu viel des Guten. Viel leichter und besser ist es hingegen, die alten Ressentiments zu pflegen. Ein Asylbewerberheim brennt auch viel besser als der vollverglaste Turm der EZB.
Warum aber die "Südländer" für ihre angebliche Faulheit beneiden? Warum tun wir es ihnen nicht gleich und werden auch etwas fauler? Antwort: Weil wir es schon längst sind! Wir wollen es uns nur nicht eingestehen und pflegen den Mythos des arbeitsamen Deutschen. Wenn man sich jedoch umschaut in Betrieben, Büros und Behörden, wird da auch nur mit Wasser gekocht. Über die Menge der Arbeit zu jammern heißt noch lange nicht, dass sie auch erledigt wird.
Schlendrian ist King, auch in Schland. Aber so ist er, der gute Deutsche: Steht mit der Schippe an der Baugrube und überwacht die Arbeit. Und wenn der Vorarbeiter kommt, sagt er: Schau mal wie groß die Grube geworden ist, die ich gegraben habe! Mit etwas Glück schmeißt der Vorarbeiter in dort hinein und lässt die Kollegen das Loch wieder zuschaufeln. Man wird doch nochmal träumen dürfen.
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Sonntag, 29. März 2015
Samstag, 1. Mai 2010
Mein ConvenienceAlkoven ist bewohnt! Aus dem System, gegen das System zum 1. Mai!
"Wenn Du zuhause bleibst, wegen den ganzen Bullen und den ganzen Absperrungen und so, dann haben DIE erreicht, was sie erreichen wollten: Die Demonstranten sind isoliert und können leichter angegriffen werden..."
Na und? Das ganze Jahr tut man mehr oder weniger das, was man gesagt bekommt. Will meinen: Wir tun mehr Dinge, die man von uns verlangt als Dinge, die wir für uns, wegen uns tun. Wir gehen arbeiten, wir zahlen Miete, wir streiken nicht, um den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht zu gefährden, wir kaufen Sachen zum Anziehen und zum Essen. Wir stehlen nicht, wir vergewaltigen nicht, wir morden nicht - auch wenn uns danach ist.
Und dann soll ich ausgerechnet zum ersten Mai, dem "Tag der Arbeit", meine Faust erheben und gegen das "Schweinesystem" protestieren? Weil andere das von mir verlangen? Machen wir uns doch nichts vor: Wir sind doch alle Teil dieser Wertegesellschaft! Die allermeisten Demonstranten wollen auch nichts weiter, als einen Job bekommen oder ihn zu behalten. Mehr Geld, das auch. Oder auch keinen. Selbst der allerpolitischte Alg2- Empfänger ist ein Rädchen im Getriebe. Erste Tradition des 1. Mai: Es geht um Arbeit oder Nichtarbeit!
Das habe ich das ganze Jahr über, und ich kann mich auch das ganze Jahr über zur Wehr setzen. Dafür muss ich nicht auf die Straße. Arbeit ist, wenn man es so will, der Zwang, die Notwendigkeit, etwas zu tun, um die Existenz zu sichern. Genau genommen ist der Ruf der Straße nichts anderes als ein Ordnungsruf eines anderen Arbeit- oder Sinngebers, eine Verpflichtung sozusagen, unbezahlte Überstunden zu leisten. Das erinnert mich zu sehr an viele der Beschäftigungsverhältnisse, die auch gerne am 1. Mai kritisiert, ja sogar "angeprangert" werden.
Warum sollte ich da mitmischen wollen? Oder gar Krieg führen gegen die Vertreter, die Arschkriecher des Schweinesystems, die "Bullenschweine"? Da war man hierzulande aber schon weiter und hat jene erschossen oder geautobombt, die wirklich die Verantwortung tragen für so manche Ungerechtigkeit und Sauerei. Vielleicht nicht immer die Richtigen, aber man hat es wenigstens probiert. Heute kippt man die Autos armer Leute in Kreuzberg um oder zündet jene von vermeintlichen Yuppies an.
Okay, nichts gegen Autozerstörung, durchaus sympathisch, und ich gebe zu, dass ich dazu viel zu feige bin. Damit sympathiere ich, geht es mir hier aber mehr um die Zerstörung eines Fetischs als um "Stadtteilpolitik". Soll jeder wohnen, wo er will. Yuppies können nichts dafür, dass die Mieten dort steigen, wo sie leben. Sie zahlen halt jeden Preis. Die Vermieter sind's, Eigentümer allesamt, die glauben, für eine Wohnung sei ein Preis zu entrichten. Okay: Manchmal sind Vermieter und Yuppie dieselbe Person. Trotzdem möchte ich in keinem Stadtteil leben, in dem nur pseudolinke Wursthaarspießer mit Revieransprüchen leben.
Angesichts dessen sitze ich doch lieber in meinem ConvenienceAlkoven und schreib' mir die Finger spitz und blutig. Sollen die anderen ihre gewaltlosen Festchen feiern oder für mehr Arbeit demonstrieren, auf die beknackten Nazis einschlagen oder sich mit Polizisten messen, sich die ach-so-linken Bands anhören und den Gewerkschaften folgen: Am Montag führen sie ihr Leben so weiter wie zuvor! Ich auch!
worte die fallen
1. Mai,
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Yuppie
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