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Donnerstag, 1. März 2012

Alt und distinguiert ohne Molotow- Cocktail- Affinität! LM und Clubmate als Szenegetränke!

kriegswichtig: kräftige, aromatische Getränke
Ich bin ganz offensichtlich ein Hipster. Ich bin auch ein Gentrifizierer. Ich bin sowieso ein Szenetyp. Unumstößliche Tatsachen, Herrschaften! Ich liebe den Brausedrink Clubmate, der sowohl den Gentrifizierern als auch der autonomen Hausbesetzerszene mit Molotow- Cocktail- Affinität zugerechnet wird.

Da ich jedoch zusätzlich auf Latte Macchiato stehe, gehöre ich eindeutig zu den Gentrifizierern, zu denen wiederum die Hipster gehören, die in Berlin- Neukölln nicht wohlgelitten sind, weil sie sehr häufig vorkommen und drei Euro für einen Latte Macchiato zahlen, weil es schick ist, drei Euro für einen Latte Macchiato zu zahlen. Und weil teuer = gut ist!

Nun, wahrscheinlich bin ich ein Türöffner für Gentrifizierer, weil ich vor zwölf Jahren nach Berlin gezogen bin, als alle noch dachten, in Berlin gäbe es zu viele "Ausländer" und alles sei so schmutzig. Das hat sich wegen mir und anderen Provinzflüchtlingen gründlich geändert. Freilich waren diese damals gemeinten "Ausländer" nicht jene, über die heute viele Berliner jammern. Heute kommen ja auch die "guten Ausländer", also jene, die ihr Geld nach Berlin "mitbringen" statt es dort "abzuholen". Das jedenfalls ist die reine Folklore, deshalb erscheint sie in "Gänsefüßchen".

Ich aber habe den Weg geöffnet für all die Gentrifizierer, die die Mieten in schwindelerregende Höhen haben treiben lassen, weil ich Landei, das ich war, garantiert schon damals zu viel Miete bezahlt habe und damit einen unumkehrbaren Trend eingeläutet habe, der unaufhaltsam Randgruppen noch weiter an den Rand drängt als der Rand überhaupt Kapazitäten hat. Und dann trinke ich auch noch Latte Macchiato und Clubmate. In Berlin! Geht's noch? Es ist zum auswachsen. Ich alte Sau, ich!

Was meine Schuld nicht gerade schmälert, ist die Tatsache, dass ich schon Darmstadt gentrifiziert habe. Denn schon dort, also vor mindestens dreizehn Jahren, habe ich schon am liebsten Latte Macchiato getrunken. Dies zwar nur der Beschaffenheit des Getränkes wegen: Im Gegensatz zum ordinären Milchkaffee, der aus ebenso ordinärem Kaffee gemacht wird, besteht der Latte Macchiato aus Espresso und Milch und schmeckt deshalb würziger. Darmstadt war jedoch schon vor meiner Zeit teuer. An meinem Konsum von LM mag's also nicht gelegen haben.

Clubmate mag ich schlicht und einfach deshalb, weil das Getränk nicht so süß ist wie andere Limonaden. Daher erfrischt es mich besser. Ich habe nun aber keine Lust, dem damaligen Innensenator Körting den Gefallen zu tun, seinem Bild eines Autonomen zu entsprechen. Deswegen sah ich stets davon ab, aus jeder Flasche Clubmate einen Molotow- Cocktail anzufertigen. Es ist quasi nur Körting zu verdanken, dass ich zu den Hipstern zähle, obwohl ich meine Wolllmütze gar nicht wie der Peter- Stuyvesant- Mann kurz über dem Pony trage und keine zu engen Hosen mit Fäkal- Reservoir am Hintern mein Eigen nenne.

Ich finde es allerdings etwas anmaßend, mich allein wegen meiner Trinkgewohnheiten einer Szene zuzuordnen, zumal ich Stofftaschen ästhetisch ablehne. Außerdem kann ich nichts dafür, dass bestimmte Personengruppen meine Lieblingsgetränke okkupiert haben. Aber ich lasse mir nun mal nicht gerne vorschreiben, was ich zu trinken habe und was nicht. Das unterscheidet mich übrigens vom Hipster: Ich trinke und trage etwas, weil ich es mag, und nicht aufgrund eines Modediktats.

Der Hipster findet Dinge cool, weil sie bereits als cool gelten. Er selbst gilt nicht als kreativ und schon gar nicht als beflissen. Der Hipster ist ein Nachahmer, er setzt keine eigenen Akzente. Er ist lediglich ein Abdruck der immer kürzer werdenden modischen Epochen und muss deshalb immer mit der Angst leben, plötzlich nicht mehr up-to-date zu sein. Zu schnell darf er aber auch nicht sein, sonst wäre er ja Avantgarde. Was? Du trägst immer noch Stofftaschen und Pullover mit V-Ausschnitt? Wie? Igitt! Was soll das denn sein, was Du da anhast?

Es beruhigt mich sehr, nicht dazu zu gehören. Allerdings ist es das Haupt- Wesensmerkmal eines jeden Hipsters, sich selbst nicht als Hipster zu bezeichnen. Hipster ist einzig und allein eine Fremdzuweisung. So ein Mist! Würde ich jedoch auf andere Getränke ausweichen, dann wäre ich ebenso fremdbestimmt wie ein Hipster. Was wäre ich dann?

Würde ich auf pappsüße Cola umsteigen, wäre ich ein Imperialist. Tränke ich nun aber Cola-Light oder Zero (was exakt dasselbe ist, nur klingt Zero irgendwie männlicher), dann würde ich als Huppie (Eigenkreation für: health urban professional) gelten. Bionade geht auch nicht. Erstens, weil's gar nicht so sehr bio ist und zweitens, weil man einem Konzern auf den Leim gegangen ist. Drittens schmeckt's sch....

Wenigstens finde ich, dass Becks- Bier zu trinken, zumal während des Fahrrad fahrens, eine ausgemachte Geschmacklosigkeit ist. Und den Shawl (sic!) als rein modisches und nicht halswärmendes Element um den Larynx zu winden ist eine hoffentlich krank machende Sünde. Mittels nichtpassender Hosen auch noch zu unterstreichen, dass man über keinen nennenswerten Hintern verfügt, ist nachlässig und sollte meines Erachtens nach mit Sex- Entzug nicht unter drei Kilo Gewichtszunahme bestraft werden. Bedruckte Stofftaschen geschultert zu tragen, mit oder ohne Einkäufe darinnen, gehört einfach verboten, genau so wie der protzige Kopfhörer als Accessoire.

In diesen Ablehnungen liegt meine Distinktion: Ich bin kein Hipster, kein Gentrifizierer und auch kein Ex- Yuppie: Ich bin einfach nur alt und mag meine Gewohnheiten nicht mehr ändern. Andere sollen gefälligst ihre Gewohnheiten zu meinen Gunsten ändern. Wenn ich schon mit keiner nennenswerten Rente zu rechnen habe, soll die Jugend wenigstens das für mich erledigen. Aaaaaaaaalt! Und an den hohen Mieten sind immer noch die Vermieter schuld. Niemand sonst!

Aaaaaaaaalt!

Freitag, 10. Juni 2011

Der Boy vom Boot! Luxusprobleme und anderes Zeug!

Quellen: mietenstopp.blogsport.de/ NSDAP
Vor vielen vielen Jahren, als die Welt noch jung und der Grunge noch nicht einmal erfunden war, tat ich eine Reise nach Indien, von wo es mich nach Srinagar im fruchtbaren Kashmir-Tal verschlug. Dort lebte ich zwei Wochen auf einem Hausboot und unternahm allerlei Dinge, die man in der militärisch besetzten Hauptstadt der Provinz so tun konnte. Eines abends roch aber der Mülleimer in meinem Zimmer bestialisch nach verrottenden Bananenschalen, und so trachtete ich danach, den Müll zu entsorgen. Allein, ich konnte keinen Container am Hausboot finden. Da fragte ich den Boy vom Boot, und der schaute mich nur kurz an, schnappte den Mülleimer, nickte auffordernd in Richtung Hinterausgang und ich folgte ihm, wo ich einigermaßen verdattert zusehen konnte, wie er den Müll einfach im Wasser verklappte.

Der Boy vom Boot mag sich augenzwinkernd gedacht haben: Typisch Tourist, immer so kompliziert, wo es doch auch einfach geht. Ich habe aber bei mir gedacht: Umweltschutz und Ökologie ist ein Tätigkeitsfeld, dem sich der wohlhabende Teil der Erdenbevölkerung widmet, weil er keine Versorgungsprobleme mehr kennt. Ein verschwindend geringer Teil der Erdenbevölkerung ist übrigens wohlhabend.

Am 18. September findet in Berlin die Wahl zum Abgeordnetenhaus statt. Ernsthafte Konkurrenz für den brummenden Luxus-Problembär Wowereit dürfte das knautschige Uhuweibchen Künast von den Grünen sein. Die Grünen sind die noch echtere FDP, gerade weil zu einem gewissen Bildungshintergrund auch Umweltschutz und ich nenne sie mal "erneuerbare" Technologien gehören.

Der urwüchsige Berliner mit erweiterten Hauptschulabschluss bzw. mit Abgangszeugnis (also Taxifahrer) geht gar nicht wählen oder er wählt Stuss (SPD, CDU, oder noch schlimmer, die FWG) zusammen. Man kann nur der original- FDP danken, dass sie sich überall von selber erledigt hat, noch bevor die ehemals großen "Volksparteien" ihr ins Nirwana nachfolgen werden.

Es dürfte ebenso klar sein, dass ökologisch bewegte Gentrifizierungsgegner vor einem Problem stehen: Einerseits will man ja die dummen Autos aus der Stadt haben, die Häuser sollen auch nicht mehr so nach Kohleofen stinken und neue Straßen will man ja auch nicht. Leider werten all diese Vorhaben die Wohnungen dermaßen auf, dass man dann ganz schön viel Geld verdienen muss, um auch wohnen zu können. Und dann kommen die ganzen Bonzen und versauen nicht nur die Mieten, sondern machen auch das Bier teurer und überall entstehen so Boutiquen, in denen Dinge verkauft werden, die der Normalbürger nicht mehr versteht.

Es ist sympathisch, dass radikale Gentrifizierungsgegner teure Autos anzünden. Doch leider beißt sich die Rauchentwicklung mit dem Umweltschutz. Und wer in letzter Zeit die internationale Presse verfolgt hat, der hat mitbekommen, dass dies alles nicht ausschließlich ein Phänomen linker Gesinnung ist, sondern auch mit fremdenfeindlichen Tendenzen daherkommt: Da pissen die Touristen aus aller Welt in die Hauseingänge und machen bis spät in die Nacht Krach. Das sollen nun nur noch echte Berliner dürfen! Wo kommen wir denn da hin, wenn hier jeder Aussie, Ami oder Brasi denkt, Berlin wäre Ballermann?

Schlimm ist zumindest nicht die Kritik an fehlenden Mietobergrenzen, raffgierigen Vermietern und der Politik, die sich nicht mehr um sozialen Wohnungsbau kümmern mag und auch ansonsten untätig ist, wenn es um die tatsächlich steigenden Mietkosten geht, so dass ärmere und nicht so reiche Menschen aus ihrem gemieteten Zuhause vertrieben werden. Schlimm ist auch nicht, dass man vor den Grünen Angst hat, weil ihre weitgehend umweltfreundliche Politik tatsächlich die Aufwertung von Immobilien forciert und ihr Klientel nun mal begütert ist.

Schlimm ist nur die Art und Weise der Kritik: Derzeit sieht man überall Plakate mit den überzeichneten Konterfeis von diversen PolitikerInnen. Als würde der Plakatinhalt der Initiative "steigende Mieten stoppen" [hier...] nicht genügen, reißt man den Portraitierten das Maul gehörig auf. Das alles erinnert leider sehr an die Nazipropaganda vergangener Tage, welche sich auch nie damit begnügte, die Bevölkerung mit "Inhalten" "aufzuklären" (man weiß gar nicht, wo man da die Gänsefüßchen hinsetzen soll), sondern die Opfer ihrer Kampagnen auch noch wenig subtil überzeichnen mussten, der Effekthascherei wegen.

Kurz gesagt: Diskreditierung, die nur durch Überzeichnung von Konterfeis funktioniert, ist ein absolutes NoGo. Dies ist eine Botschaft, die sich an den infantilen Teil der Bevölkerung wendet und diesen belustigen, vielleicht sogar korrumpieren soll. Im wahrsten Sinne des Wortes werden Feindbilder gezeichnet. In der Sache mag die Initiative "steigende Mieten stoppen" ja richtig liegen, aber die Mittel sind unseriös, sogar latent faschistisch. Bleibt bitte bei den Fakten, liebe Initiatoren. Die reichen vollkommen aus. Und übrigens: Propaganda kann ich auch, wie man an der Fotomontage oben erkennen kann.

Donnerstag, 9. September 2010

Einbahnstraßendenker und Kiezkiller! Assimiliert sind sie doch alle!

klick mich groß:
gefunden in Neukölln/ Donaustraße
Jaja, neben stehendes Plakat ist bestimmt ganz arg lustig gemeint. Doch ich als Ober-Spaßbremse komme nicht umhin, diese auf diverse Bevölkerungsgruppen angewendete Genealogie (Sippenlehre) in eine Linie (wenn auch nicht auf gleicher Ebene) mit der nationalsozialistischen Rassenlehre zu stellen.

Hier wird ein Bild von einer pseudoethnischen Gruppe gezeichnet, die bestimmte Attribute aufweist und damit per se unter Gentrifizierungsverdacht steht. Unklar bleibt, ob der bezeichnete soziale Typus alle Merkmale aufzeigen muss oder ob schon eines ausreicht, um ihn als einen sogenannten Kiezkiller bezeichnen zu können.

Der Verweis auf die Nazi-Rassenlehre ist insofern richtig, als auch hier schon durch rein optische Begebenheiten eine Rassenzugehörigkeit diagnostiziert werden sollte. Dem Kiezkiller droht zwar kein KZ- Aufenthalt und auch keine Ermordung, jedoch wird ihm im engeren Kontext eine (Zwangs)umsiedlung nahe gelegt.

Auch wenn dieses Plakat bestimmt nicht ganz so gemeint ist, so erinnert es doch in seiner Aussage verdächtig an die Auswirkungen der Nürnberger Rassegesetze, welche im Groben den Umgang mit Nichtariern unter Strafe bzw. Argwohn gestellt haben. Die Fragen, die uns hier gestellt werden, lauten: Bin ich selbst ein Kiezkiller? Unterstütze ich ebensolche? Darf ich an einen solchen Waren verkaufen? Was muss ich tun, um auf keinen Fall wie ein solcher auszusehen? Muss ich mir nun kleine Kopfhörer besorgen, um ja nicht wie ein Kiezkiller zu wirken?

Das Problem, das mit diesem Plakat angesprochen werden soll, ist ja nicht per se eines, das die potenziellen Mitglieder der betreffenden Gruppe zu verantworten haben. Die zahlen halt einfach die Miete, die sie sich leisten können und benutzen die Geräte und Kleidungsstücke, die ihnen gefallen. Das Problem sind vielmehr die Vermieter, die horrende Mieten kassieren dürfen und dies auch tun. Um hier fair zu bleiben, müsste man ebenfalls ein Plakat entwerfen, das über die eindeutigen Rassenmerkmale von Vermietern aufklärt. Sind Sie ein Vermieter?

Man sollte meiner Meinung nach beides einfach sein lassen. Vereinfacher gibt es schon genügend. Der, dessen Name ich auch weiterhin hier nicht nennen möchte, ist trotz seiner Bildung und seiner christlichen Bauweise ein ebensolcher. Heißt das nun, das Menschen mit Überbiss und Schnäuzer generell Dummschwätzer und Einbahnstraßendenker sind? Und was ist eigentlich mit den 50% der Berliner, die seinen "Thesen" zu den Muslimen angeblich zustimmen? Heißt das, dass die alle genauso beknackt sind wie jener Herr? Oder bedeutet das, dass der Unaussprechliche so bescheuert wie 50% aller Berliner ist?

Sie sind intolerant und schrecken auch vor Mord nicht zurück, um ihre Religion zu schützen. Am liebsten verbrennen sie die Schriftstücke anderer Religionen und haben entweder keinen Respekt vor anderen oder fürchten sie. Sie haben ein erschreckendes Frauen- und Weltbild und jammern sofort, wenn man sie kritisiert. Viele unter ihnen sind wahre Fanatiker und dulden keine andere Religion neben sich. Sie haben furchtbare Anschläge zu verantworten und töteten in der Vergangenheit auch viele Unschuldige. Auch heute töten sie noch - das alles im Namen ihres Gottes.

Wer war's? Richtig: Die Christen! Als deren Kreuzfahrer noch in ihre Kettenhemden geschissen hatten, waren ihnen die Muslime technisch und kulturell weit überlegen. Dann zogen eben jene Kreuzritter los und verteidigten andernorts ihren Glauben wie deren Nachfahren heutzutage ihre Freiheit am Hindukusch verteidigen. Weisheit haben sie keine mitnehmen können, und auch keinen Fortschritt. Wahrscheinlich war's am Ende doch nur das Gold und nicht der Kelch Christi. Dafür haben sie die Muslime in jenes Mittelalter zurückgeworfen, aus dem die Kreuzritter kamen.

Wenn heute irgendwelche muslimischen Jungs Jacken und Mobilfunktelefone abziehen, dann folgen sie auf keinen Fall dem Koran, sondern einzig und allein dem kapitalistischen Wertesystem. Assimiliert sind sie doch, was wollt Ihr denn alle? Wenn sie aber noch dazu nicht richtig lesen und schreiben können, dann liegt das nicht alleine an ihnen und ihren Eltern, sondern vor allen Dingen an den katastrophalen Zuständen in den Schulen und auch an der Stadtplanung, die mehr am Profit der Hausbesitzer orientiert zu sein scheint als am sozialen Frieden.

Wer nun aber Religion an sich in Frage stellen möchte, der sei hier zu einer freien Diskussion eingeladen: Christen, Juden, Muslime und Hindus - unter allen gibt es Fanatiker. Gibt es eigentlich auch fanatische Atheisten bzw. Agnostiker?

Samstag, 1. Mai 2010

Mein ConvenienceAlkoven ist bewohnt! Aus dem System, gegen das System zum 1. Mai!

"Wenn Du zuhause bleibst, wegen den ganzen Bullen und den ganzen Absperrungen und so, dann haben DIE erreicht, was sie erreichen wollten: Die Demonstranten sind isoliert und können leichter angegriffen werden..." 

Na und? Das ganze Jahr tut man mehr oder weniger das, was man gesagt bekommt. Will meinen: Wir tun mehr Dinge, die man von uns verlangt als Dinge, die wir für uns, wegen uns tun. Wir gehen arbeiten, wir zahlen Miete, wir streiken nicht, um den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht zu gefährden, wir kaufen Sachen zum Anziehen und zum Essen. Wir stehlen nicht, wir vergewaltigen nicht, wir morden nicht - auch wenn uns danach ist.

Und dann soll ich ausgerechnet zum ersten Mai, dem "Tag der Arbeit", meine Faust erheben und gegen das "Schweinesystem" protestieren? Weil andere das von mir verlangen? Machen wir uns doch nichts vor: Wir sind doch alle Teil dieser Wertegesellschaft! Die allermeisten Demonstranten wollen auch nichts weiter, als einen Job bekommen oder ihn zu behalten. Mehr Geld, das auch. Oder auch keinen. Selbst der allerpolitischte Alg2- Empfänger ist ein Rädchen im Getriebe. Erste Tradition des 1. Mai: Es geht um Arbeit oder Nichtarbeit!

Das habe ich das ganze Jahr über, und ich kann mich auch das ganze Jahr über zur Wehr setzen. Dafür muss ich nicht auf die Straße. Arbeit ist, wenn man es so will, der Zwang, die Notwendigkeit, etwas zu tun, um die Existenz zu sichern. Genau genommen ist der Ruf der Straße nichts anderes als ein Ordnungsruf eines anderen Arbeit- oder Sinngebers, eine Verpflichtung sozusagen, unbezahlte Überstunden zu leisten. Das erinnert mich zu sehr an viele der Beschäftigungsverhältnisse, die auch gerne am 1. Mai kritisiert, ja sogar "angeprangert" werden.

Warum sollte ich da mitmischen wollen? Oder gar Krieg führen gegen die Vertreter, die Arschkriecher des Schweinesystems, die "Bullenschweine"? Da war man hierzulande aber schon weiter und hat jene erschossen oder geautobombt, die wirklich die Verantwortung tragen für so manche Ungerechtigkeit und Sauerei. Vielleicht nicht immer die Richtigen, aber man hat es wenigstens probiert. Heute kippt man die Autos armer Leute in Kreuzberg um oder zündet jene von vermeintlichen Yuppies an.

Okay, nichts gegen Autozerstörung, durchaus sympathisch, und ich gebe zu, dass ich dazu viel zu feige bin. Damit sympathiere ich, geht es mir hier aber mehr um die Zerstörung eines Fetischs als um "Stadtteilpolitik". Soll jeder wohnen, wo er will. Yuppies können nichts dafür, dass die Mieten dort steigen, wo sie leben. Sie zahlen halt jeden Preis. Die Vermieter sind's, Eigentümer allesamt, die glauben, für eine Wohnung sei ein Preis zu entrichten. Okay: Manchmal sind Vermieter und Yuppie dieselbe Person. Trotzdem möchte ich in keinem Stadtteil leben, in dem nur pseudolinke Wursthaarspießer mit Revieransprüchen leben.

Angesichts dessen sitze ich doch lieber in meinem ConvenienceAlkoven und schreib' mir die Finger spitz und blutig. Sollen die anderen ihre gewaltlosen Festchen feiern oder für mehr Arbeit demonstrieren, auf die beknackten Nazis einschlagen oder sich mit Polizisten messen, sich die ach-so-linken Bands anhören und den Gewerkschaften folgen: Am Montag führen sie ihr Leben so weiter wie zuvor! Ich auch!

Sonntag, 21. März 2010

Über den Charme verkneipter Kieze! Kunstreuter und die Stuprakreas!

Nun ja, irgendwie war ja früher alles besser: Wenn man in Neukölln unterwegs sein wollte, gab es genau zwei Kneipen und ein Cafè, das man besuchen konnte. Wer Abwechslung suchte, der musste halt nach Kreuzberg oder sonstwo hin. Oder nach Treptow. Man kam wenigstens noch raus aus dem Kiez.

Dann zieht man mal für drei Jahre weg, kommt wieder, und alles ist anders: Es reiht sich Kneipe an Kneipe, oder sollte man besser sagen: Bar an Bar. Ist ja eigentlich nichts Schlechtes, die Auswahl erhöht sich, sollte man meinen. Leider sind jene Bars samt und sonders Klone einer noch auszumachenden Stammzelle anderer Bezirke bzw. Szenekieze innerhalb Berlins.

Die Wände sind stets vom Putz befreit und das Inventar wurde teuer beim Spezi-Trödler mit 70er Jahre Affinität besorgt. Ein paar innovative Details wie zum Beispiel die Plastik-Kinder-Badewanne als Dämmerleuchte, bringen etwas originären Charakter in die Sache. Auch dies: 1000mal besser als das offenbar direkt beim Gaststättenverband erworbene Gelumps in den Kneipen der Restrepublik.

Was wirklich stört, ist die Dreistigkeit der Wirte in der Preisgestaltung. Die Wirte sind die wahren Gentrifizierer der schönen alten Bezirke Berlins. Sie ziehen die von Vatis Gehalt zehrenden Studenten-Praktikanten-Kreativen magisch an, allesamt bemützt und bebärtet oder berockt und geschminkt, wearing casual und H&M. Schlabberjeans meets Pali und bedrückende, weil bedruckte Shirts, von mir aus Jackets, dies für die Männer. Die Frauen: besser gekleidet, aber darinnen ähnlich belanglos!

Die Kundschaft also, Direktimport aus den Provinzen, findet es selbstredend toll, Bier unterhalb der 3 Euro 50 Marke vorzufinden und bestellt sich eben eines für dreizwanzig. Ganz super! Meinesgleichen findet dreizwanzig für ein Bier auch irre, und zwar irre teuer. Was müssten die Augen der StuPraKreas leuchten, wenn sich hier in NeuNeukölln AltNeuköllner Preise durchgesetzt hätten? Sei's drum, sie zahlen's ja auch so. Ich aber fühle mich jetzt schon verdrängt von den reichen StudentInnen und frage mich, ob ich fürderhin Eckkneipen besuchen muss, wenn ich mich einmal betrinken mag.

Was denn wirklich toll zu finden war hierzuorten, nämlich die offen heterogene BesucherInnenStruktur - Alter, (soziale) Herkunft, (soziales) Geschlecht - sucht man neuerdings vergebens. Man bleibt unter sich. Dasselbe Alter, diesselbe Mode: Hier ist nichts natürlich gewachsen, hier wurde durch unablässiges Kiezmanagement aufgepfropft: eine Gute-Nacht-Kultur ganz wie eine jüdische Siedlung mitten in Feindesland. Hübsch anzusehen, aber irgendwie fehl am Platze. Eine zur Simon-Dach-Straße geronnene Behauptung des Nachtlebens.

Und so kann man auch nachvollziehen, warum die gestrige Veranstaltung KunstReuter nicht so recht funktionieren wollte: Denn wo sich nun Bar an Bar reiht, fehlt der Raum für StandUpGalerien. Vorher standen die Räume leer, man konnte sie für lau mieten und hatte daraufhin volle Gestaltungsmacht. Heute muss man den Wirt überzeugen. Wie anstrengend darf Kunst noch sein, wenn der Wirt Umsatz machen möchte? Also blieb die Kunst gefällig und sprach auch nicht an. Allein, sie stellte die Frage nach dem Wert einer Ausstellung überhaupt.

Doch über den Wert und den Charme einer in der Kneipe stattfindenden Ausstellung braucht man sich nicht zu unterhalten. Es soll ja getrunken werden und auch gespeist. Schauen kann man hinterher oder während dessen. So wie daheim, beim Speisen vor dem Fernsehgerät. Friss und schau zugleich: HmmSchmatz! mjo, das Bild ist Rülps! ganz hübsch Grunz! Mir fehlt's aber Schlürf! etwas an Aus- Ronch! druckskraft. Schalt mal Börps! um und reich mir den Salat dort hinten am Artwork-Tresen und was vom Schinken Hüstel! Börps! dort hinten auf der Skulptur Röchel!

So wird das aber nix mit dem Kunststandort Neukölln. Kunstsammler neigen eher dazu, sich die Werke in Ruhe anzuschauen. Sie gehen hinterher Essen. Das ist noch nicht einmal eine Stilfrage.

Übrig bleiben noch ein paar kleinere Galerien, die teilweise ganz ordentliche Sachen ausstellen. Aber auch sie leiden vermutlich sehr unter dem zunehmenden Hipster-Tourismus. Wem sollen sie hier auch was verkaufen? Eigentlich müsste alles so werden wie in der Bergmannstraße: ÖkoKarrieristInnen essen gesund und parkettieren den Boden ihrer Eigentumswohnungen oder Haushälften.

Wenn sie hinterher den Tofu eingelegt haben, trinken sie noch ein Gläschen Biowein, naschen etwas vom Importkäse und besuchen dann eine Ausstellung. Oder sie gehen ins Theater. Nur wenigen unter ihnen aber würde ein Trip in den Reuterkiez in den Sinn kommen. Warum nur?