Sonntag, 27. Februar 2011

200 people in a room! Wire im Postbahnhof!

Es gibt alte Männer, die können's einfach nicht mehr. Interessieren eigentlich noch Auftritte von PIL respektive Sex Pistols? Will man wirklich noch die Buzzcocks auf der Bühne sehen? Oder NoFX oder oder?

Bei Wire verhält sich das anders: Zum einen hat sich die Band vor sechs Jahren zum dritten Mal neu erfunden. Zum anderen sind die mittlerweile nur noch drei Bandmitglieder mit ihren eigenen Projekten in Kunst und Musik unterwegs. Das hält offenbar wach, jung und fit und bewahrt auch davor, in überholten Posen zu verharren und das Publikum mit einem Backkatalog zu vergraulen. Diese erarbeitete Stilsicherheit schützt zudem davor, so wie die Kollegen von Gang of Four in Nu-Metal-Gefilde abzudriften.

State of the Art ist eine deutliche und unpeinliche, weil wire-adäquate, Verschiebung hin zum Poppunk mit gelegentlichen Ausbrechern in das, was man früher wohl Artpunk nannte. Dieser Trend zeichnete sich ja schon beim vorletzten Album ab. Gelegentlich nimmt man sich auch Anleihen aus der Ideal-Copy/ A-Bell-is-a-Cup-Phase. Nach wie vor weigert sich die Band, auf (mehrfachen) Zuruf Klassiker wie 12XU (oder wie ein Bierpunk kreischte: IXO2) zu spielen und spielt aus Trotz, Verschmitzt- und Gehässigkeit einfach das langsamste Stück von der aktuellen Platte.

Das alles kommt live überraschend gut rüber: Klar sind die drei Herren gesetzteren Alters (in Begleitung eines sehr jungen zweiten Gitarristen) keine Bühnenakrobatiker (und wahrscheinlich auch nie gewesen), dabei springt nach ca. 20 Minuten leicht dröger Darbietung jedoch tatsächlich pure Energie auf das Publikum über und hält sich bis zum Ende nach zwei ausgedehnten Zugaben. Und das, obwohl Colin Newman mit seiner Lesebrille mittlerweile ausschaut wie ein arrivierter Architekt, Graham Lewis wie ein bissbereiter Pittbull schaut und man sich bei dem hageren Robert Grey nicht ganz sicher sein kann, ob er nicht gleich vor Erschöpfung über seinem Schlagzeug zusammensackt (ist er nicht!).

Vor einigen Jahren spielten Wire im Maria am Ostbahnhof ein enttäuschendes Konzert mit einer Nettospielzeit von 30 Minuten inklusive Zugabe. Sie spulten dort irgendwelche Songs (lustlos improvisiert?) herunter, um dann zu verschwinden und erst nach 20 Minuten Publikumsgeheul noch einen Song (lieblos improvisiert?) zum Besten zu geben. Von dieser Lustlosigkeit war gestern Abend nichts zu spüren. Klar war es eine geschickte Mischung aus lupenreinen Popsongs à la Wire, Avantgarde (=Lärm) und aggressiven Punkrock. Nimmt man den Herren aber gut und gerne ab. Die können's dann doch noch!

P.S. Was soll eigentlich die Unsitte, Konzerte schon so früh um 19:30Uhr beginnen zu lassen (und nicht wie auf Homepage und Karte behauptet um 20Uhr)? Den Support "Weekend" hätte ich wirklich gerne gesehen. Nichts dagegen, wenn pünktlich angefangen wird. Wer wartet schon gerne stundenlang auf Bands. Aber jetzt fühle ich mich geprellt vom Veranstalter...

Donnerstag, 24. Februar 2011

Strg + C/ Strg + V! Strg Alt + Entf?

Anbei genannt sind Menschen wie Du und ich, deren private Verfehlungen sich eigentlich nicht auf die Ausübung ihrer Tätigkeit auswirken sollten. Diese Hexenjagd geht nämlich auf die Eier. Ich habe einige Thesen dazu aufgestellt, ein promisker Querschnitt der Befragten stimmte darüber ab.
  1. Josef Ratzinger hasst privat Menschen. Trotzdem führt er seine Amtsgeschäfte im Vatikan als Papst zur Zufriedenheit seiner Schäfchen aus. (34%)
  2. Adolf Hitler hatte nun mal diesen "Judenfimmel". Wer aber wollte sagen, dass er deswegen nicht beliebt gewesen wäre zu seiner Zeit? (68%)
  3. Klaus Zumwinkel ist mit der Steuerfahndung aneinander geraten. Dass er deswegen seinen Vorsitz bei der Post aufgeben musste, ist ein Skandal und verkennt seine fiskalischen Leistungen. (54%)
  4. Jürgen Tauss' private Neigungen gehen mich nichts an. Die CDU sollte ihn der Piratenpartei abwerben und ihn zum Familienminister machen. (24%)
  5. Wer heutzutage seine Doktorarbeit noch selber schreibt oder die Copy und Paste Funktion nicht kennt, der versteht nichts von Verteidigung. Dr. KT von Guttenberg soll seine Fähigkeiten weiterhin der Regierung zur Verfügung stellen. (99%)
  6. Silvio Berlusconi ist ein prima Staatsmann. Seine sexuellen Eskapaden und intellektuellen Entgleisungen interessieren nicht die Bohne. (65%)
  7. Thilo Sarrazin hasst privat Menschen und verdient viel Geld damit. Wie kann man so eine Geldmaschine aus dem Vorstand der Deutschen Bundesbank entlassen? Ein Skandal! (72%)
  8. Ghadafi ist ein Despot und Menschenfeind, vollkommen von der Rolle und unmoralisch bis zum geht-nicht-mehr. Solange er uns aber die Flüchtlinge vom Leib hält, geht das völlig in Ordnung. (89%)
  9. Till Schweiger geht uns mit seinem sexistischen Geschwafel in diversen Talkshows voll auf die Eier. Trotzdem ist er ein toller Schauspieler und Filmemacher! (3%)
  10. Saddam Hussein war privat eher ein netter Typ! Damit kommt man in der Welt leider nicht weit, weswegen er sich als Despot ausgeben musste. Schade um ihn! (12%)
  11. nicht prominente Straftäter, die ihre Strafe bereits abgesessen haben, sollten ohne Probleme wieder einen gutbezahlten Job bekommen können. (0%)
Also, da verschlägt es einem glatt die Sprache! Hätte man das gedacht vom Land der Dichter und Denker, dass es bereit ist, so vielen fast alles zu verzeihen? Es jubelt denen zu, die bereit sind, zu ihren Fehlern zu stehen und ihre Schwächen mit Humor zu tragen. Das sind echte Steher, die so schnell nichts aus der Bahn wirft: nieder mit den Neidern und den Missgünstigen und ein Bravo zu all den Mutigen! Hipp Hipp Hurra!

Schämen sollten sich hingegen die Muselmanen, die derzeit überall Unruhen anzetteln und ihre Despoten nicht verstehen und ihnen auch nicht vergeben möchten, und das, obwohl sie alle nur das Beste wollen für ihr Volk. Sie sind einfach viel zu dumm, die Tunesier, Ägypter, Jordanier, Bahrainiten, Syrer und wie sie alle heißen. Das sind doch allesamt Analphabeten! In der BRD, wo beinahe jeder des Lesens und Schreibens mächtig ist, kann sowas nicht passieren: Man erhebt sich schließlich nicht gegen die Hand, welche womöglich ein paar Krümel bereithält. Wir lesen und wir verstehen alles! Pisa forever!

Dienstag, 22. Februar 2011

Neue Kurzgeschichte auf embedded textsprengsel: Moralist, nicht integer: revisited!

Na, dann mal wieder eine kleine Geschichte aus dem Zyklus über den Moralisten, der nicht ganz integer ist. Im nunmehr dritten Teil zeichnet sich ab, dass der Moralist nicht nur wohlmeinend, sondern auch ein weltfremder Trottel ist. "Ich habe nicht gewusst, dass ich eine solche Macht meinen Figuren gegenüber habe, die auch gleichzeitig eine große Ohnmacht ist. Dieser Zyklus ist NICHT autobiographisch! Naja, zumindest fast nicht. Im Grunde... ja doch, ich gebe es zu: Der Zyklus ist größtenteils autobiographisch.", verriet uns der aus diversen Vertäfelungs- und Badfliesenmagazinen bekannte Autor Holz E. Kart im Interview.
Moralist, nicht integer: revisited!

Nachdem die Bisswunde an meinem Arm endlich verheilt war, hatte ich mir überlegt, nun doch nicht mehr durch den Stadtpark zu gehen. Es war einfach zu gefährlich. Da mir aber das Fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bekanntermaßen verboten wurde, aus Gründen, die nur aus einem großen Missverständnis resultierten, war ich geradezu zur Bewegungslosigkeit verdammt.

Da entschloss ich mich einfach dazu, die kleine Stadt zu verlassen und mein Glück in der großen Stadt zu suchen. Vieles würde anders sein: In der großen Stadt gäbe es zwar gewiss auch Hunde und Herrchen und ebenfalls öffentliche Verkehrsmittel, doch würde ich Letztere benutzen dürfen und das Zählwerk meiner selbst verschuldeten Vergehen auf Null zurückstellen können.

Die große Stadt hieß mich herzlich willkommen. Zumindest widerfuhr mir bei meiner Einbürgerung keine schlimmere Sache... hier weiterlesen...

Samstag, 19. Februar 2011

Die Verschwörung der Energieriesen! Kalt ist es und still in Deutscheland!

Ich habe den Winter satt! Heute Nacht soll es bis zu Minus 13°C kalt werden, und in den nächsten Tagen wird es nicht wärmer als Minus 4°C. Minus Minus Minus - so eine Bilanz kann sich doch nur die HypoRealEstate erlauben. Alles andere wird doch sonst auch mehr bzw. höher: Die Miete, Energiekosten, Beiträge zu den Sozialversicherungen und und und...

Man kann eigentlich nur vermuten, dass die neue Kältewelle den schlüpfrigen Energieriesen und deren Lobby zu verdanken ist. Die pulvern ihren Dreck absichtlich in die Luft und das Erdklima kühlt deswegen dermaßen ab, dass der Verbraucher seine schlecht isolierte Mietwohnung auf wenigstens 18°C Plus hochbollern muss. Und wer zahlt dann wieder? Richtig! Und wer verdient da wieder dran? Genau! Die Kälte erstmal sozialisieren und dann die Gewinne privatisieren! Ihr Schlawiner seid durchschaut!

Man kann den Winter und die damit einhergehende Kälte wirklich nur boykottieren! Einfach nicht mehr vor die Tür gehen und die sackdämliche Arbeit jenen überlassen, deren Phantasie bereits so weit heruntergefahren ist wie es sämtliche Atomreaktoren schon längst sein sollten, dass sie gar nicht mehr wissen, welche wunderbaren Dinge man stattdessen tun könnte:
  • Sex haben mit der/ dem Liebhaberin/ Liebhaber
  • Zehennägel schneiden und lackieren
  • die schon seit Jahren geschriebenen Songs aufnehmen und der Weltöffentlichkeit für umme präsentieren
  • Trockengemüße in selbst angelegtes Öl einlegen
  • den Stapel Bücher abarbeiten, den ich abends vergnatzt und übermüdet anstarre
  • an den/ die Liebhaber/ Liebhaber denken und ihn/ sie ggf. küssen
  • männliche und weibliche Geschlechtsteile auf Leinwände malen 
  • die Kinder an Angelina Jolie und Brad Pitt verkaufen (aber nicht an Madonna oder Marc Dutroux)
  • Mails an die GDL schreiben und darin erörtern, warum ein Streik der Berliner S-Bahnen gar nicht auffallen würde
  • einen Leiharbeiter oder ALGII- Empfänger finden, der sich auf einem berliner Marktplatz anzündet (damit die Revolution auch zu uns kommt!)
  • darüber nachdenken, woher unsere Regierung dieses Revolutionsexpertentum hat, mit dem sie ganz Tunesien und Ägypten belabert (besteht etwa doch noch Hoffnung?)
  • die Hamburger heute noch daran erinnern, dass es Guido Westerwelle immer noch gibt und man das nicht vergessen sollte, wenn man vorhat, FDP zu wählen
Ist eigentlich jemandem aufgefallen, dass es um Guido Westerwelle ganz schön ruhig geworden ist dieser Tage? Als hätten FDP und Union dem Gustav Gans der bundesdeutschen Außenpolitik angeraten, einfach mal die Klappe zu halten, damit die grüngelben Koalitionen in den nächsten Landtagswahlen nicht gefährdet sind bzw. sich erstmal welche bilden können. Noch vor wenigen Wochen hat man versucht, uns Guido ganz FDP-intern zu stürzen - und jetzt hört man kein Sterbenswörtchen mehr von ihm: Nachtigall, ick hör dir trappsen! Oder in den Worten des Herrn Außenministers: Quack quack quack!

Donnerstag, 17. Februar 2011

von Guttenberg says: "Bezahlt mir meine Pacht mit Worten, Ihr Gesindel"

Aha! Irgendwie kommt mir das Ganze ja sehr bekannt vor: Jemand schreibt ein Buch und darinnen sind gaaaanz viele Textstellen, die von anderen Autoren dereinst geschrieben wurden. Dieser Jemand allerdings vergisst (absichtlich?) diese Textstellen zu kennzeichnen und hoppla: Aus Zitaten werden Plagiate.

Genau: Vor ein zwei Jahren hat eine 17jährige Frau Hegelmann auf sich aufmerksam gemacht, indem sie ein Buch veröffentlicht hatte, bei dem man sich verwundert zeigte, wie so ein junges Ding bereits über so viel Lebenserfahrung verfügen konnte. Man hat es dann herausgefunden: Selbstverständlich musste sie auf die Lebenserfahrung eines nicht mehr ganz so jungen Herren zurückgreifen.

Es wurde viel darüber debattiert dieser Tage, ob und wie es erlaubt sei, sich bei anderen Autorinnen und Autoren zu bedienen. Man stellte fest, dass Textdiebstahl eine Art Sampling sei und die "gestohlenen" Textstellen in neuen Zusammenhängen große Kunst sei. Überdies haben viele Autoren sich dieses Mittels bedient - warum nicht auch eine 17jährige? Vor allem, wenn sie dies viel frischer und frecher täte als jemals jemand zuvor?

Insofern bleibt die Frage, ob man von Kunst sprechen darf, wenn der pomadisierte Darling der Massen, der unfehlbare Adlige mit der harmonischen Ehe, uns von Guttenberg, eine Doktorarbeit abliefert, die - so wird behauptet - gespickt ist mit nicht gekennzeichneten Zitaten und ganzen Textabschnitten fremder Autoren. Ich möchte die Frage gleich beantworten: Nein! Schließlich handelt es sich um eine wissenschaftliche Arbeit. Die lebt von Bezügen zur Arbeit anderer - doch müssen diese deutlich gekennzeichnet sein.

Im Falle von Hegelmann finde ich es verwerflich, dass sie von einem unbekannten Autor ohne Hypehintergrund geklaut hat. Das zeugt  von schlechtem Stil. Im Falle von von Guttenberg muss man, sollten die Vorwürfe stimmen, andere Maßstäbe ansetzen. Obwohl er ja ähnlich wie Hegelmann via Herkunft schon von Geburt an gesalbt ist, hält er es offenbar nicht für nötig, den Ansprüchen einer wissenschaftlichen Arbeit zu genügen.

Jemand, der sich nun wirklich nicht mit Arbeit aufhalten muss, um sich während dem Verfassen seiner Dissertation über Wasser zu halten, kann selbst dann nicht auf seinen Hofstaat verzichten - wobei der Hofstaat hier andere Autoren sind, die nichts davon wissen - wenn er alle Zeit der Welt hat. Das ist schlicht und einfach Faul- und Borniertheit in einem. Passt eigentlich ganz gut zu einem Menschen, der auch politisch sein Fähnchen im Wind dreht (siehe Kundus-Affäre) und die Dinge nur dann beim Namen nennt, wenn 80 Prozent der Bevölkerung sich nicht mehr veralbern lassen (Kriegseinsatz und geostrategische Interessen).

Muss wirklich erst ein Plagiatsvorwurf her, damit man diesen Mann endlich demaskieren kann? Haben da nicht schon andere Affären ausgereicht? Man nenne die Sache mit der Feldpost, seine Reaktionen auf die Geschehnisse auf der Gorch Fock und in anderen militärischen Einrichtungen. Und eben die Kundus-Affäre, in der er einen General opferte, um seine Position nicht zu gefährden. Hätte man nicht vorher schon ahnen können, dass hier ein selbstherrlicher Krösus Taschenbillard spielt, während er seine Stuppsnase rümpfend über den Köpfen des jubelnden Pöbels erhebt?

Es ist schließlich die Herrenmenschenmentalität, die zum Vorschein kommt, wenn ein von Guttenberg im Bierzelt genauso sicher auftritt wie auf internationalem Parkett. Und das kommt an, weil: der ist ja WIE einer von uns! Doch auf dieses WIE kommt es an: von Guttenberg ist ein Darsteller, und der spielt nicht sich selbst, sondern das, was gut ankommt. Bislang blieb er mit der Masche Liebling der Massen und König der Herzen (und einer künftigen Monarchie). 

Mal sehen, wie das wird, wenn ihm noch Betrug nachgewiesen werden kann. Immerhin hat der medial begabte Adlige auf seinem Afghanistan-Besuch dieses Mal auf den obligatorischen Reporter-Tross verzichtet. Wäre doch unangenehm, wenn ihn die bundesdeutsche Realität im Kampfeinsatz einholen würde und die Öffentlichkeit statt verliebten Blicken eines Prinzenpaares die sorgenzerfurchte Stirn des Ertappten vor Kriegskulisse zu sehen bekäme. Obwohl das alles natürlich ein guter Stoff für eine Soap wäre! Da gehört er nämlich hin, der von Guttenberg! Samt Ehefrau!

Dienstag, 15. Februar 2011

Ein klitzekleiner Schritt für die Menschheit! So macht Dreifaltigkeit endlich einmal Sinn!

Eigentlich ist ja eine super Sache: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass sich Transsexuelle nicht mehr einer Totaloperation unterziehen müssen, um den Geschlechtereintrag ändern lassen zu können. Bislang war es ihnen nur möglich, zwar laut Pass z.B. Hugo heißen zu dürfen, aber trotzdem weiblichen Geschlechts bleiben zu müssen. Den weiblich "Namifizierten" ging es gerade umgekehrt. Diesbezüglich bedeutet dieses Urteil einen Fortschritt.

Andererseits geht egal welcher Geschlechtereintrag völlig am wesentlichen Problem vorbei: Denn wozu soll es überhaupt einen solchen geben? Wem ist damit gedient, wenn im Pass "männlich" oder "weiblich" steht? Und was ist, wenn ich diesbezüglich noch unentschlossen bin? Bedeutet der Geschlechtereintrag nicht eine Reduzierung ausschließlich auf das biologische Geschlecht? Ist die Kategorisierung in "männlich" und "weiblich" im Grunde nicht überholt?

Was können Männer, was Frauen nicht können? Was ist ihnen erlaubt und was nicht? Ob mensch gebär- oder zeugungsfähig ist, entscheidet die Natur und nicht die Behörden. Und ob mensch der Fortpflanzung willig ist oder nicht, liegt ebenfalls nicht in deren Entscheidung. Mit Verlaub: Mit der zwangsweisen Festlegung der Geschlechter gehen nur Diskriminierungen einher! Arbeitsteilung, Ausbeutung sowie sexualisierte Gewalt sind die Folgen.

Eine sich beruflich für eine sogenannte "Männerdomäne" entschiedene Frau darf beispielsweise nicht so oft und so schwer heben wie Männer - unabhängig von Statur und Alter. Die Berufsgenossenschaft begründet dies mit dem drohenden Verlust der Gebärfähigkeit der Frauen bei dauerhafter körperlicher Belastung. Weibliche Gesundheit wird im Grunde wie im 3. Reich mit Fertilität gleichgesetzt.

Na super! Soweit ist es mit unserer ach so liberalen Gesellschaft also doch noch nicht her! Der Staat will durch die oktroyierte Identifizierung mit männlichen und weiblichen Verhaltensmustern ohnehin nur die altehrwürdige, aber verzichtbare Tradition der Produktions- und Reproduktionsverhältnisse aufrecht erhalten. Die Angst vor "Monstern", die sich diesen Mustern entziehen und möglicherweise andere damit "anstecken" ist groß. Politiker denken wie Troglodyten innerhalb unserer modernen Gesellschaft. Sie alleine sind die ansteckende Krankheit!

Denn spätestens jetzt, da die Wehrpflicht ausgesetzt ist, die Bundeswehr schon im 10ten Jahr auch für Frauen zugänglich ist, ebendiese Frauen wählen und gewählt werden dürfen und weitgehend ihre Unabhängigkeit vom biologischen Manne unter Beweis stellen, somit also der einzige soziale Unterschied zu ihm sich lediglich in der Gehaltsfrage spiegelt, könnte man doch, in der nächstliegenden Variante, wenigstens einen Pass mit den drei frei wählbaren Kategorien "männlich", "weiblich" und "unentschieden" einführen.

Von da aus wäre es dann nur noch ein klitzekleiner Schritt, völlig auf die Geschlechterkategorien zu verzichten. Nicht nur Trans-, Homo- oder Intersexuelle würden davon profitieren, auf dass ihnen das Stigma ihrer Natur endlich genommen würde. Alle Menschen wären einfach nur noch "Mensch" und hätten dieselben Chancen und Voraussetzungen. Man stelle sich vor, biologische Männer wie Frauen bzw. jene, die beides sind, jene, die sich umentschieden haben oder sich gar nicht festlegen möchten, begegnen sich auf Augenhöhe.

Eigentlich ist das das Paradies: Der hierzulande so heftig angebetete Gott offenbart sich endlich als intersexueller Homosexueller mit Menstruationshintergrund. So macht Dreifaltigkeit endlich einmal Sinn! Das kann man doch nur mit einem fluffig-flockigen Stück Populärkultur feiern und ein stimmungsvoll beschriebenes Szenario hier in mein Blog einbetten. Nicht böse sein, liebe Band F.S.K. und insbesondere Herr Meinecke. Dafür kaufe ich ja auch (fast) alle ihre Platten und Bücher.
1+1=3 [F.S.K. 1996 vom Album "International"]

Lola sagt, ihr Zuckerpappi stößt sie
Jeden Abend unsanft in den Schlaf
Dabei hat sie selber einen Phallus
Den sie aber nicht benutzen darf

Hektor sagt, sein Mädchen sei so zickig
ängstigt sich vor seiner süßen Art
Dabei hat er selber eine Vulva
Die sich gern mit blanken Schwengeln paart

Wer behauptet heute noch die Welt ist rund
Warum kann dein Mann nicht lesbisch sein?
Darwinismus Superservus
Unsere Welt ist flach
Eins plus eins macht drei im Zweifelsgrund

Lola läuft von ihrem Zuckerpappi fort
Hektor pfeift: Obladi Oblada
Lolas Lanze hebt ihr Brautkleid vorne in die Hoeh'
Hektors Muschi glitzert auf dem Traualtar

Wer behauptet heute noch die Welt ist rund
Warum kann dein Mann nicht lesbisch sein?
Darwinismus Superservus
Unsere Welt ist flach
Eins plus eins macht drei im Zweifelsgrund

Sonntag, 13. Februar 2011

Hier nur zulässige Vergleiche: Hund und Kinder und deren BesitzerInnen!*

Meine Mitbewohnerin wünscht sich sehr einen kleinen, nicht allzu überzüchteten Hund. Mir selber wird vom Geruch eines Hundes speiübel, ich ekele mich sehr und ich meide die Tiere - in der Regel auch deren BesitzerInnen - wo es nur geht. Ich kann K schlecht verbieten, sich einen Hund anzuschaffen. Eine Hundeneuanschaffung würde bedeuten, dass ich aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen müsste.

Um ihren Hundewunsch zu kompensieren, schloss K Freundschaft zu einer frisch eingezogenen Hausbewohnerin, die ein eigentlich recht hübsches Kerlchen von Hund ihr eigen nennt und das gegebenenfalls zum temporären Betreuungsfall wird, diesen zu übernehmen sich K freudig angeboten hatte. Der Hund ist nun zeitweiliger Gast in unserer Wohnung, wobei K nur darauf zu achten hat, dass er Küche, Bad, Arbeitszimmer und meinem Zimmer fernbleibt. Das mag etwas pedantisch erscheinen. Was Hunde betrifft, bin ich es nun mal besonders stark.

K ist eine äußerst freundliche und zurückhaltende Frau. Der scharfe Ton liegt ihr nicht im Blute. Die Besitzerin des Hunde gibt offen zu, dass ihr Hund nicht erzogen ist. K versucht sich daran, scheitert aber: Ihre Kommandos dem Hund gegenüber klingen gelinde gesagt mehr wie ein überdenkenswerter und gutgemeinter Rat, aber nicht wie ein Befehl. Hunde funktionieren nicht so: Sie sind dem offenen Diskurs gegenüber verschlossen und setzen unbeirrt ihren eigenen Willen durch. Wieviele Herrchen und Frauchen sind tatsächlich die Alphawesen in der Hund-Mensch-Beziehung?

Im Grunde sind Kinder genau wie Hunde. Mit der Ausnahme, dass man gemeinhin erwartet, dass sich diese jungen Menschen dereinst zu einem eigenständigen sozialen Charakter entwickeln. Dieses Stadium wird der Hund nie erreichen. Dafür muss er aber später nicht arbeiten gehen. Andererseits werden heute geborene Kinder als Erwachsene wahrscheinlich gar nicht arbeiten dürfen. Wie auch immer.

Ein Kinder- oder Hundewunsch sollte auf jeden Fall gut durchdacht sein. Man sollte sich die Frage stellen, ob man tatsächlich in der Lage ist, zum Besseren des Kindes oder des Hundes klare und unmissverständliche Anweisungen zu geben. Ein Kind, das beständig und lachend den Spielplatzbereich verlässt, um die Eltern zu foppen, dafür aber droht auf die befahrene Straße zu laufen, muss deutlich spüren, dass dieses Verhalten nicht erwünscht ist. Da hilft schimpfen viel mehr als dem evtl. 2jährigen geduldig und vor allem ruhig zu erklären, warum er auf dem Spielplatz bleiben soll. Kinder haben keine Vorstellung vom Tod und ihr Aktion-Reaktion-Verständnis entspricht in der Regel der Handlung eines Fernsehcartoons.

In der Straßenbahn fühlte sich kürzlich ein mittelalter Herr offenbar von dem Kind eines Pärchens gestört. Dieses Kind hatte tatsächlich die ganze Zeit laut gesprochen, mal geschrien und auch gesungen. Der Herr sagte zu dem Kind, es könne doch auch mal ruhig sein. Ich fand diese Ansprache berechtigt und fand den stark berlinernden Mann auf Anhieb sympathisch. Der Vater des Kindes jedoch protestierte und behauptete, sein Kind sei eben lebhaft. Das könne man einem Kind ja wohl kaum verbieten usw.

Ich finde, man kann das wohl. Die Welt, sie ist kein riesengroßer Spielplatz. Kinder sollten durchaus lernen, wie man sich wo verhält. Im Restaurant wird gesessen und gegessen. Auf dem Spielplatz und im Haus wird getobt. In der Straßenbahn wird leise gesprochen und gekichert. Auf dem Fest wird anderen Leuten laut ins Ohr gebrüllt. Man nennt es Rücksicht. Solche Sachen sollten Kinder lernen.  Die Welt ist ohnehin voll von egomanischen Deppen. Wer sein Kind nicht erzieht, entlässt irgendwann einmal einen egomanischen Deppen in die Welt. Das ist Gesetz!

Von Eltern erwarte ich deshalb schlicht und einfach, dass sie ihre Kinder erziehen. Ich möchte rücksichtsvolle und umsichtige Schlaulis um mich herum haben. Da gehört die Zurechtweisung bei Fehlverhalten bzw. Störung einfach dazu. Und wenn das Kindchen dann weint, ach gottchen, dann nimmt es die Zurechtweisung wenigstens ernst. Das ist doch auch schon was. Wenn aber Eltern lediglich ihrem Fortpflanzungstrieb frönen und nur ihr persönliches Glück auf die private Seite ziehen, die negativen, lästigen Sache aber der Allgemeinheit überlassen, dann müssen sie es sich gefallen lassen, wenn andere intervenieren.

Nun zum Hund: Wer einen Hund hat, zieht ebenfalls einen Nutzen - welchen auch immer - daraus. Wer ihn auf den Gehsteig kacken lässt und den Haufen nicht entfernt, also den (Distinktions)Gewinn privatisiert und die Lasten sozialisiert, soll sich bitte niemals wieder über irgendwelche Bänker oder Manager beschweren. Und die paar Ocken, die HundebesitzerInnen an den Staat abdrücken, befreien noch lange nicht von lästig empfundenen Pflichten und Verantwortung. Die verrechnet sich eh mit der reduzierten Umsatzsteuer für Tiernahrung.

*Dieser Text ist werdenden Eltern und zukünftigen HundebesitzerInnen gewidmet

Freitag, 4. Februar 2011

Let's kill the Landlord! Jetzt gibt es aber Schelte!

Wer eben noch jungen Leuten erklärt hat, warum die Bundesrepublik Deutschland kein Polizeistaat ist, sich aber einiger polizeistaatlicher Fragmente bedient, wird am 2.2.2011 in Friedrichshain beinahe eines Besseren belehrt. Das Bedrohungspotenzial durch die anwesenden, ca. 1500 Einsatzkräfte zählenden Polizisten, ist überdeutlich, wohingegen ich keinerlei Furcht vor den "Randalierern" hatte, auch wenn sage und schreibe fünf Molotow-Cocktails gebastelt wurden, während ich an potenziellen Molotow-Cocktail-Werfern vorbei lief.

Gut, ich habe überlebt und viele andere auch. Laut BZ-Dauerberieselung in der U-Bahn entstand am Tage und in der Nacht ein Sachschaden von ca. 1 Mio. Euro. Ich finde, das ist wenig. Immerhin wurde das letzte Hausprojekt aus ehemaligen Hausbesetzern in Berlin zwangsgeräumt, unter Einsatz von 250 Polizisten und einem Vollstrecker, und zwar über das Dach des Hauses in der Liebigstraße. Der Eigentümer hat die Zwangsräumung durchgesetzt, nachdem die Bewohner, welche über einen Rahmenmietvertrag verfügten, gegen den Rauswurf geklagt und verloren hatten.

Nun steht ja zu befürchten, dass mit dem Haus ähnliches geschieht wie mit dem Haus in der Brunnenstraße in Mitte, das Ende 2009 geräumt wurde, nämlich: gar nichts! Es steht nach wie vor leer. Wo es vorher kulturelle Projekte gegeben hatte, gibt es nun gar nichts mehr. Wo vorher ehemalige HausbesetzerInnen die  Bausubstanz durch Bewohnung und Renovierung erhalten haben, verkommt nun ein Haus in Toplage - zum Wohle von wem eigentlich?

Natürlich wurde den Bewohnern des Hausprojekts in der Liebigstraße ein Objekt in Weißensee angeboten. Aber solch ein Projekt gedeiht eben nur in einer kulturell offenen Gegend und nicht am Stadtrand mit Naziüberschuss und einer rechtskonservativen Bevölkerung, die sich nicht zwischen Hitler und Honecker entscheiden mag und sich ihr Weltbild aus beiden Topoi zusammenbastelt. Real existierender Nationalsozialismus nennen's die Einen, die anderen nennen es: großer brauner Haufen!

Wer will nach Weißensee? Wie soll dort Kulturarbeit und Kulturschaffen aussehen? Bietet man dann Kurse zur Reintegration von Nazis inklusive akzeptierender Jugendarbeit an? Welches Umfeld soll denn bitte ein linkes Projekt in Weißensee bespaßen? Kein Wunder, dass man dieses Angebot der Eigentümer und der Stadt abgelehnt hat.

Nun wundert man sich auch noch, dass dieses bestens vernetzte Hausprojekt es schafft, haufenweise Sympathisanten auf die Straße zu bekommen. Mit der richtigen Anzahl Polizeibeamter ist der Krawall vorbestimmt. Natürlich gehen da Schaufensterscheiben zu Bruch und Autos werden beschädigt. Man könnte aber auch einmal das Positive am sogenannten "linken Terror" sehen. Erstens machte der Kaisers an der Warschauer Straße höchstwahrscheinlich einen riesen Umsatz durch Verkauf von Alkoholika, Zigaretten und Brandbeschleunigern.

Und zweitens werden ja dauernd irgendwelche Leute von (Neu-)Eigentümern auf die Straße gesetzt, die den Hals nicht voll genug bekommen können. Doch die wehren sich - wenn überhaupt - ausschließlich auf gerichtlichem Weg. Nun packen es ein paar Menschen, mobil zu machen gegen die gerichtlich durchgesetzte Räumung und damit ein Fanal zu setzen, indem sie ihre Wut gegen einen Staat richten, der das Eigentum höher schätzt als den Menschen, der ganz den Interessen des Kapitals dient und dieses als außerordentlich schützenswert erachtet.

Ein Staat, der den stabilisierenden Wert subkultureller Einheiten innerhalb des kapitalistischen Wertesystems völlig verkennt und mit Gewinnmaximierung nur die Vermehrung von Geld meint, nicht aber die Vermehrung von Kultur, ist per se verachtenswert. Und wer nur die Interessen weniger durchsetzt und schützt, aber nicht den im Grundgesetz verankerten Grundsatz, wer da Eigentum hat, der sei der Gesellschaft verpflichtet - was ja nichts anderes bedeutet als: denk' nicht nur an Dich, Drecksack, sondern an das Gemeinwohl - muss sich kaum wundern, wenn "Chaoten" die Straßen stürmen.

Und die Springer-Presse, die ja sonst immer so tut, als stünde sie auf der Seite des "kleinen Mannes" und schon mal gegen besitzstandsmindernde Maßnahmen der Regierung wettert, positioniert sich selbstverständlich wieder auf der Seite des Kapitals. Klar: Der Sabberreflex wird durch die Glöckchen "links" und "Autonom" ausgelöst. Dass so viele Menschen sich die Erzeugnisse dieses Verlags kaufen, spricht für eine grundsätzliche Dämlichkeit einer Gesellschaft, für die "Bildung" ein Fremdwort und "Herzensgüte" ein unerlaubter Zusammenschluss zweier Hauptworte ist.

Mein Mitleid mit Hausbesitzern hält sich in Grenzen. Vor allen Dingen, wenn sie ein Objekt kaufen, in dem ein alternatives Projekt beheimatet ist und regulär Miete abführt. Aber es wird ja alles zugunsten des Besitzers entschieden. Schön wäre es allemal, wenn konzentrierte Polizeigewalt einen renitenten Eigentümer zwangsenteignet. Das wird wohl niemals passieren, solange die Gesetzeslage das Eigentum mehr schützt als die Nutzer.

Doch denken wir mal quer - nur für einen Moment: Der bildungsgrüne Teil der Gesellschaft kritisiert und verurteilt zwar zum Beispiel die Absicht des Nestlè- Konzerns, natürliche Ressourcen wie Wasser zu privatisieren und gewinnbringend zu veräußern, denkt sich aber nichts dabei, wenn so natürliche Ressourcen wie Grund und Boden bereits privatisiert sind. Es lohnt sich darüber nachzudenken, ob und wie Land wieder in den Besitz aller Menschen gelangen kann.

Und folgerichtig wäre zu klären, ob Miete zu zahlen tatsächlich so natürlich ist, wie immer behauptet wird. Die Geschichte lehrt uns: Landbesitz ist immer mit räuberischer Landnahme verbunden. Aus Räubern wurden damit Souveräne, die das Bedürfnis der Menschen nach Seßhaftigkeit ausbeuteten. Daran hat sich bis heute im Grunde nichts mehr geändert. Bezeichnend allein ist die Tatsache, dass der Vermieter im Englischen "Landlord" heißt. Wo bleibt denn da bitte die Revolution? Und wo ist die Schelte?

P.S. Übrigens bin ich gespannt, ob die Sympathiebekundungen für den revolutionären Auftrieb in den nordafrikanischen Staaten dann enden, wenn bemerkt wird, dass sich dies auf den Ölpreis auswirken wird. Ich sehe schon den gemeinen Autofahrer, wie er an der Zapfsäule steht und den Fernsehjournalisten was über die "rücksichtslosen Moslems" vorjammmert, weil er seine technische Schwanzverlängerung wegen dem arbeitsscheuen Pack angeblich nicht mehr vollgetankt bekommt.