Donnerstag, 6. Mai 2010

Saufen, tanzen, streiken! Der Griechen Schuld am Untergang des Abendlandes!

Ja, so sind sie, die Griechen: Faulenzen den lieben langen Tag, und in der Nacht tanzen sie und trinken. Dabei verjubeln sie nicht etwa ihr eigenes Geld, nein, sie verjubeln das Geld der Ütschen. Die Ütschen finden das nicht toll, sie ärgern sich. Denn so sind sie, die Bewohner der BRD: Arbeiten den ganzen Tag und feiern nie, es sei denn, die ütsche Nationalmannschaft gewinnt einmal ein Spiel gegen so eine LoserNation.

Sollte die vorherrschende Meinung über die Griechen zutreffen, so sollten sich die Bürger der BRD hier mal ein Scheibchen abschneiden, statt ihnen griesgrämig jenen Spaß zu verbieten, den sie sich selber nicht gönnen. Wer ganz Europa vorschreiben möchte, wie es wirtschaften soll, der braucht dringend etwas Entspannung. Aber nein, richtig: Entspannung ist ganz schlecht für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Genauso übrigens wie jeder Streik.

Der Deutsche findet es unmöglich, dass in Griechenland derzeit gestreikt wird, sich sogar im Generalstreik befindet. Wenn es dem Staat doch schlecht geht, dann muss man auch mal was tun für den Staat und nicht motzen gegen den Staat oder sich sogar wehren gegen den Staat. Motzen ginge ja noch, sagt der Bundesdeutsche, macht er ja selber gerne mal, aber damit soll sich's haben im bundesdeutschen Land. Motzen schadet dem Wirtschaftsstandort jedenfalls nicht. So motzt der Deutsche und reckt danach den Hals wie ein stolzer Puter: Hui, jetzt hat er's denen da oben aber mal sowas von wieder gegeben!

Man blickt heuer nach Griechenland, bald nach Portugal und nach Spanien, alles Länder, in denen mehr getanzt und gefeiert wird als in Ütschland, und deswegen geht es denen auch so schlecht. Würden die so brav arbeiten wie es der bundesdeutsche Arbeitnehmer tut, dann ginge es betreffenden Ländern viel besser. Wie man gemeinhin weiß, führt Arbeit um der Arbeit willen zu mehr Wohlstand. Na gut, zunächst einmal nicht für die Arbeitnehmer. Aber irgendwann einmal auch für ihn, bestimmt! Jetzt warten die Ütschen bald dreissig Jahre seit Helmut Kohls rundem Tisch, dass alles besser wird, lange kann es also nicht mehr dauern.

Dass die Ütschen noch nicht profitiert haben vom ganzen Wohlstand, liegt aber auch immer an den blöden Zwischenfällen in der Welt und Zuständen intern: Dann machen mal die Banken schlapp, dann bekommen die Langzeitarbeitslosen Zucker in den Arsch geblasen. Irgendwas ist immer, warum es mit dem Wohlstand nicht klappt, und jetzt die Sache mit den Griechen...

Seltsamerweise werden immer nur Griechen herangezogen, die verhältnismäßig viel Geld verdienen, um zu verdeutlichen, wie gut es den Griechen geht. 90 Prozent von letzten Gehalt als Rente, da träumt freilich auch der Deutsche davon. Der Deutsche kriegt ja selber nicht den Hals voll. Er weiß aber auch, dass das nicht geht, von wegen Wirtschaftsstandort und so. Man nimmt selber nur zu gerne und kritisiert andere dafür. Mal sind's die griechischen, mal unsere Beamten. Beamte dürfen bei uns z. B. nicht streiken, haben ja auch gar keinen Grund dazu. Beamte verdienen überall auf der Welt das gleiche Geld, wie man weiß. Warum gehen dann die griechischen Beamten auf die Staße? Weil sie, genau wie jeder Deutsche, ihre Pfründe nicht verlieren wollen.

M., eine griechische Lehrerin, bekam monatlich netto 750 Euro heraus. Eine Wohnung in Athen konnte sie sich nicht leisten. Glücklicherweise hatte ihre Mutter noch ein Haus, in dem gerade noch ein Stockwerk für sie und ihren Bruder frei war. Die jungen Griechen verdienen weniger als Deutsche bei vergleichsweise höheren Lebenskosten. Sie zehren das Vermögen ihrer Eltern auf, wenn noch welches da ist. Bei vielen jedoch ist es mittlerweile so zerteilt, dass sie sich ernsthafte Sorgen um ihre Zukunft machen müssen. Ist es ihre Schuld, dass Griechenland so hoch verschuldet ist?

Kann man ihnen vorwerfen, wenn sie sich gegen den aufgezwungenen Sparkurs wehren? Wenn von ihnen verlangt wird, den Gürtel noch enger zu schnallen, damit es ihnen irgendwann einmal besser geht. Da glauben doch selbst die Deutschen nicht dran. Und deshalb streiken sie, gehen auf die Straße und kämpfen. Viele mit friedlichen Mitteln, manche mit militanten. Dann sterben mitunter ein paar Menschen, und jeder ist zuviel, ich will nicht zynisch sein. Aber deshalb eine ganze Bewegung zu denunzieren wegen ein paar Idioten, genau das finde ich wiederum zynisch. Ich wünsche mir hier griechische Verhältnisse her.

Auf die Straße zu gehen ist eine urdemokratische Sache. In Deutschland wird nur marschiert, wenn es auch erlaubt ist. Zum 1. Mai z. B. Da dürfen die Ütschen Hand in Hand für eine gerechtere Arbeitswelt gehen. Natürlich nur, solange es dem Wirtschaftsstandort nicht schadet. Wenn sie wenigstens feiern könnten, die Deutschen. Aber auch dafür sind sie viel zu doof. Und ich lebe mittenmang unter ihnen und bin sogar einer davon. Manchmal schäme ich mich zu Tode.

Keine Kommentare: