Freitag, 29. Juni 2012

Dem Philanthropen ein Gräuel! Systemzersetzende Nazis vom Mond!

gemeinfreies Bild (Quelle Wikipedia)
kriegswichtig: Antikapitalisten
Man darf ja nicht immer nur lamentieren. Daran sollte ich mich einmal orientieren. Es ist ja nicht alles schlecht: Hat nicht die Fußballmannschaft der BRD gerade gegen die Italiener verloren? Die "Deutschen" jedenfalls können viel besser verlieren als gewinnen. Zu gewinnen bedeutet hierzulande ja nur, sich darüber freuen zu dürfen, dass alle anderen verloren haben. Verlieren heißt hingegen, dass es Schlimmeres gibt, als einmal nicht zu gewinnen: Zum Beispiel faul sein und nicht richtig arbeiten. So wie die "Südländer" beispielsweise. Es scheint, als könnte man sich hierzulande nicht richtig freuen. Jeder Witz kommt zur Sicherheit mit einer Moral daher. Upps!

Soweit mein Kommentar zur EM und zur Geistesverfassung einer Anzahl grundverschiedener Menschen, die sich irrigerweise selbst als Teil einer "Volksgemeinschaft" sehen und die jene Zeitung zur auflagenstärksten Gazette überhaupt machen, die zum Spieltag großmäulig verkündet, man würde die Italiener heute abend schon abkochen. Einfach widerlich! Wenn das Elfriede Springer wüsste, sie würde sich im Grab herumdrehen und verschämt ins Grabplüsch grinsen. Ach, wenn sie doch nur bald beim Axel sein dürfte! Noch lebt sie ja.

Weiter im Text: Wie das in Berlin viel geschmähte BMW Guggenheim Lab so schön auf seinen Plakaten schreibt, stünden einfache Fragen im Vorfeld einer jeden Veränderung. Das Lab fragt u.a., warum man nicht ein paar Spuren einer Fahrbahn für Radfahrer reserviert. Gute Frage, Lab! Da frage ich doch auch mal was: Wer war Silvio Gesell und was wollte er? Ich hoffe, dass damit eine Veränderung eintritt, die das System erschüttert.

Kurz geantwortet war Silvio Gesell der Begründer der Freiwirtschaftslehre. Er kritisierte bereits Anfang des 20. Jahrhunderts die ungerechte Verteilung von Vermögen durch Grundbesitz und Zinswirtschaft. Dies begünstige die Vergrößerung der Kluft zwischen Arm und Reich. Daher solle Grundbesitz an die Gemeinschaft übereignet werden und die Macht der "Geldbesitzer" durch eine Geldreform gebrochen werden. Seine Theorie unterscheidet sich von den Lehren des Sozialismus grundsätzlich.

Trotzdem ist sie natürlich eine Kritik am Kapitalismus: Denn Grundbesitz, Zinswirtschaft und Spekulation seien leistungslose Einkommen und gehörten laut Gesell abgeschafft. Ein leistungsloses Einkommen ist übrigens genau das, was u.a. die FDP beständig an den Pranger stellt. Natürlich meint sie damit eine andere Zielgruppe. Doch der liberale Gedanke beruht auf dem Eigentumsrecht. Und dies beinhaltet nun mal die grenzenlose Hortung von Reichtum, auf dem Rücken der eigentlichen Leistungsträger erworben.

Es ist klar, dass sich Silvio Gesells Wirtschaftsprinzip nicht durchsetzen konnte. Lustigerweise wird ihm Antisemitismus vorgeworfen, weil er die Zinswirtschaft geißelte und die NSDAP mit seinem Wirtschaftsmodell geliebäugelt hatte. Doch kann man getrost behaupten, dass gerade jene des Antisemitismus verdächtig sind, die Zinswirtschaft grundsätzlich mit dem Judentum gleichsetzen. Gesell jedenfalls hat das bestehende Wirtschaftssystem kritisiert, nicht die Juden.

Die Nazis unter Hitler haben das Wirtschaftsmodell übrigens aus gutem Grund nicht umgesetzt: Schließlich waren die größten "Sponsoren" des Dritten Reichs Großgrundbesitzer, Industrielle und Nutznießer arisierten Vermögens. Auch Hitler konnte es sich nicht leisten, Politik gegen das Geld zu machen. Er konnte es umverteilen, sicher, aber nicht von reich nach arm. Er verteilte es von jüdisch nach arisch, vorzugsweise den ohnehin Vermögenden darunter.

Wenn einer Geld hat und es behalten will, möchte er nicht wirklich ein großes Interesse an kapitalismusfeindlichen Wirtschaftstheorien entwickeln. Und da großes Vermögen immer mit großer Verantwortung einher geht, schützen die Verwalter des "Volksvermögens" den Pöbel vor dem mental zersetzenden Einfluss des Geldes und gleichzeitig vor irgendwelchen dummen Ideen, die ein wahrscheinlich sogar krimineller Antisemit einmal verbreitet hat.

Mit dem Hinweis auf eine wohlwollende Kenntnisnahme durch die Nationalsozialisten lässt sich so ziemlich jede gute Idee verhindern. Deswegen werden in Deutschland heutzutage auch keine Autobahnen mehr gebaut, die "Heimatvertriebenen" bleiben heimatlos und das Reichskonkordat sowie der Muttertag wurden nach dem Krieg gleich abgeschafft. Das waren schließlich alles Errungenschaften des Nationalsozialismus. Und was die Nazis gut fanden, muss wahren Philanthropen ein Gräuel sein! Selbst wenn oder gerade weil die Frau Steinbach vom BdV meint, die NSDAP sei wegen des "sozialistisch" im Namen eine linke Partei gewesen.

P.S. Liebe Abmahnanwälte: o.g. Bild gilt als gemeinfrei und darf frei genutzt werden. Danke!

Freitag, 22. Juni 2012

Lieber Stürmer als Gentleman! Die BRD und der "unpolitische" Sport!

kriegswichtig: Alternativen zum Fußball
Wer sagt, Sport sei nicht politisch? Vor allem jene, die es besser wissen müssten! Nicht umsonst hat der die das UEFA sämtliche Bildrechte an der EM und verkauft nur politisch neutrale Bilder an die Sendeanstalten. So wird statt eines hochgehaltenen, politischen Transparentes lieber ein Herr Löw eingeblendet, wie er einem Balljungen den Ball unterm Arm heraus boxt. Natürlich live, echt und in Farbe. Nur halt eine Stunde vorher passiert. In der Ukraine.

Da mich Fußball nicht wirklich interessiert, vor allem, wenn er in homophoben, rassistischen und antidemokratischen Ländern ausgetragen wird (2:3 - Polen:Ukraine), wohl aber Politik und Gesellschaft, dürfte das heutige Spiel Deutschland gegen Griechenland sogar für mich interessant werden. Zeigt sich Deutschland schon selten als guter Gewinner (indem Verlierer stets mit Häme überzogen werden), so steht wohl zu befürchten, dass ein Verlieren gegen die "faulen Südländer" nicht gentlemanlike hingenommen wird.

Der bundesdeutschen Überheblichkeit gegenüber wäre ein solcher Dämpfer wohl angebracht. Würden die angemalten "Fans", für die Sport ja eh nur ein Synomym für "unser Sieg" ist, stumm und geschlagen in der U-Bahn weinen oder sich vielleicht doch (zähneknirschend) mit den Siegern freuen? Wie viele Ungereimtheiten würde die Springerpresse während der Austragung beobachtet haben, die zur Niederlage führen mussten? Und wie souverän gäbe sich eine Angela Merkel? Die will ja immerhin dabeisein. Doch einen Sieg der deutschen Mannschaft, den gönne ich ihr nicht. Weil eben Sport tatsächlich politisch ist. Für Deutschland zu sein, heißt, für Merkel zu sein. Es bedeutet, alles gut zu heißen, was schlecht ist in diesem Land.
Nachtrag vom Tag danach:
Es wäre eben zu schön gewesen... Andererseits muss ich zähneknirschend zugeben, dass das 4:2 völlig gerechtfertigt war. Zumindest soweit ich das beurteilen kann.

Donnerstag, 21. Juni 2012

Mindfuck: Glaube und Verzweiflung! Arroganz vs. Wahrnehmungsbulimie!

kriegswichtig: Anpassungsfähigkeit
Tusch! Ta Daaah: Jetzt ist es amtlich! Mein "Coach" hat mir bescheinigt, dass ich auf andere (Arbeitgeber) möglicherweise arrogant wirken könnte. Meine "geschliffene Ausdrucksweise" und mein "Repertoire an Fremdwörtern" sowie ein "Hang zu überdeutlichem Sprechen" bestätigte dies. Er wollte meinen Einwurf, dass ich vielleicht einfach nur sprachlich begabt sei, nicht gänzlich beiseite wischen. Letztendlich sagte er ja nicht, ich sei arrogant. Er sagte lediglich, dass ich so wirke.

Nun: Arroganz bedeutet ja, sich über andere zu erheben. Aber das tue ich doch gar nicht. Ich will von anderen nur als mindestens ebenbürtig und für  kompetent gehalten werden, wie sie es selbst von sich zu glauben meinen. Wenn nun meine sprachlichen Fertigkeiten auf die Begrenztheit anderer stoßen, dann ist das ja nicht mein Unglück. Vielmehr ist es das Unglück anderer. Wenn mein Geschwurbel schon als zu hoch gestochen beurteilt wird, dann spricht das doch nur für die sprachliche Barbarei, die große Teile der Bevölkerung pflegen. Andere bekommen Herpes, wenn das Benzin teurer wird. Mir schmerzt die Seele, wenn Sprache nur der Funktion, nicht der Schönheit dient. Ach, ich sag's frei heraus: Ich will nicht immer an der Inkompetenz anderer wachsen müssen (adiawam).

Ich möchte an der Inkompetenz anderer verzweifeln dürfen. Ich will die Augen verdrehen dürfen ob der lädierten Ausdrucksweise und der mehr als mangelhaften Kritikfähigkeit anderer. "Verzweifeln dürfen an der Inkompentenz anderer" (VedaI) sollte in den Katalog der Menschenrechte aufgenommen werden. Doch bloß, weil ich mit meinem Finger in die offenen Wunden der Gesellschaft hinein pieke, bin ich noch lange nicht arrogant. Was kann ich dafür, dass ich über vortreffliche, analytische Fähigkeiten verfüge? Arroganz beinhaltet Ignoranz. Ein Ignorant bin ich beileibe nicht. Auch wenn meine Beobachtungsgabe in mir bisweilen heftigen Würgreiz auslöst: Ich bleibe tapfer und halte die Augen offen. Ich leide offensichtlich an Wahrnehmungsbulimie.

Vielleicht bin ich ja ein Querulant. Und vielleicht verfüge ich über ein gerüttelt Maß an Weltfremdheit, wer weiß? Heute Morgen wurde ich aus langem Schlaf wach. Falsch: Heute Mittag erwachte ich aus langem, durch kleinere Störungen umso tiefer geratenem Schlaf und schaltete das Radio an. Nachdem ich irgendwas von Noel Gallagher hören musste, wurde verlautbart, dass heute nicht nur der längste Tag des Jahres ist, sondern auch der "Tag des Schlafes". Na wunderbar, dachte ich, und stand auf, um zu frühstücken.

Ich war etwas verwundert, dass so viele Leute trotz dieses Gedenktages arbeiten gehen. Dann dachte ich, nun gut, am "Tag der Arbeit" arbeiten ja auch nur ganz wenige Leute. Doch im Umkehrschluss müsste das bedeuten, dass am "Tag des Schlafes" nur ganz wenige Leute schlafen. Warum kann man hier eigentlich nichts richtig machen? Mein Befund lautet: Dass die BRD trotz Bankenkrise (und ich bleibe dabei: Bankenkrise, nicht Währungskrise, Staatsschuldenkrise oder dergleichen) wirtschaftlich so gut da steht, liegt nicht daran, dass sie alles richtig macht. Es liegt daran, dass die BRD GLAUBT, sie mache alles richtig.

Der Glaube versetzt schließlich Berge. Wer jedoch nur glaubt, der weiß nichts wirklich. Nur wer etwas weiß, kann (darf) demnach arrogant sein. Wer nur glaubt zu wissen, ist bestenfalls naiv. Vielleicht auch ein klein bisschen doof. Ich aber weiß zu glauben, dass ich nicht naiv bin. Ich glaube allerdings, außer mir und ein paar wenigen gibt es bloß noch Idioten auf der Welt. Die anderen sind es nämlich: Die sind alle arrogant! Schaut Euch doch nur mal um... Wenn Ihr könnt!

Samstag, 9. Juni 2012

Ich bleibe fremd! EM- induzierte Impressionen!


kriegswichtig: klare Fronten
Es muss ein Fußballspiel stattfinden. Irgendwo. Ach ja: EM. Irgendwer hat gewonnen. Oder einfach nur ein Tor geschossen. Was weiß ich? Ein kollektiver, kleiner Jauchzer schallt durch die Häuserschluchten. Irgendwer freut sich also. Eine kleinere Gruppe Menschen. Wahrscheinlich sind's keine Bundesbürger. Trotzdem wirkt die Freude irgendwie teutonisch: Der Jubel ist kläglich, kurz, abgewürgt. Wie ein kleiner, schlechter Orgasmus, während dessen man sich darüber bewusst wird, dass man seinen Nachbarn stören könnte mit allzuviel Lust. Also verkneift man sich's lieber.

Ersatzweise holt man die extra für den Anlass gekauften Böller, womöglich sind sie noch eingeschweißt, zündet sie an und schmeißt sie mit stumpfem Blick in die Gegend. Ein hohles Ritual nur. Wenn man sich schon nicht mehr über irgendetwas freuen kann, und auch nichts mehr fühlt außer der Verbitterung über ein irgendwie fehl gegangenes Leben, dann muss man der Umwelt seine Existenz mit aller Kraft beweisen: Es knallt, es kracht, und da heult auch eine Rakete in den leeren Himmel. Der Himmel, so leer wie die Seelen der Menschen unter ihm, die alles klaglos hinnehmen, was man ihnen zumutet. Außer Benzinpreiserhöhungen, Ausländerkriminalität und Pleitegriechen, freilich.

Brot und Spiele für eine zu sedierende Bevölkerung. Mehr nicht. In der Nähe Bodrums gibt es ein Ressort, das heißt "Sedative". Das scheint mir ehrlich. Doch hier werden die Menschen ruhig gestellt durch einen völlig imaginären Nationalismus, der ihnen ein Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln soll. Für dieses Land, so geht die Legende, tun wir unser Bestes. Schaut Euch die Spieler an! Rackern sie nicht schwer für Euch? Tut auch ihr Euer Bestes. Vielleicht nicht gerade für Geld. Aber für das Gemeinschaftsgefühl. Und für den Einzelhandel. Das Versprechen des Kapitalismus ist ja auch das Versprechen des uneingeschränkten Konsums. Vergesst das Einkaufen nicht!

Donnerstag, 7. Juni 2012

Quo vadis, Fremder? Ein Plädoyer für das Nicht-Dazu-Gehören!

kriegswichtig: ein Gefühl der Fremdheit
Ich habe kürzlich in einer Berlin- Reportage gelesen, wie zwei junge Frauen Mitte 20 versuchen, so auszusehen wie typische Berlinerinnen. Sie wollen sich abheben von all den Touristen und Neuberlinern. Dabei sind sie erst kürzlich aus Süddeutschland hierher gezogen. Nun schaulaufen sie durch die Cafés der Stadt und haben Dress- und Sozialcodes im Schnellkurs verinnerlicht. Vielleicht sind sie gar nicht mehr sich selbst, wer weiß?

Wenn ich einen der 1000 mit Wohnungsauflösungen bestückten Läden nach Schallplatten durchstöbere und tatsächlich eine finde, dann verlangt der Händler stets 3 Euro dafür. Hoho, sage ich dann, Touripreis, wa? Ich geb' Dir maximal einen Euro dafür, so sieht's aus. Der Händler will dann maximal einen Euro dafür, trotzdem hält er mich nur für einen preiskundigen Touristen aus dem nichtberliner Großraum. Wenn auch für einen gewieften Touristen.

Ich tue ja nun auch alles dafür, nicht wie ein Berliner zu wirken: Ich wohne zwar mit Unterbrechungen seit 12 Jahren in Berlin, aber kleide mich gar nicht wie ein typischer Berliner (Hosenboden in den Knien und Schlabbershirt) und verhalte mich auch nicht wie einer (desinteressiert UND schnoddrig, viele Projekte). Ich verhalte mich nämlich wie ein Fremder. Ich verweigere mich jeglichen Idioms und ich kenne keine niedlichen Abkürzungen für Orte (Görli, Kotti, Alex etc.). Alles in Allem: Ich bin ein Fremder geblieben.

Das ist nicht neu: Auch in meinem Geburtsort, während meiner Ausbildung in Ludwigshafen, später in Darmstadt, sogar während des Studiums und zwischendurch in Mannheim, war ich ein Fremder und bin es heute immer noch. In Bodrum, in Neu Delhi, auf Sardinien oder auf Malta, in Spanien und in Portugal: Ich bleibe fremd. Ich gehöre einfach nicht dazu. Ich verstelle mich nicht, ich verkleide mich nicht, ich tue nicht so als ob.

Obwohl: Ich ertappe mich manchmal dabei, wie sich mein Blick beschränkt auf die paar Meter vor mir, wie ich gezielt Sehenswürdigkeiten (Schuhe über der Straßenlaterne, der Blick von der Oberbaumbrücke über die Spree, Straßenmusiker etc.) ignoriere, wie ich bewusst keine Fotos mache von Dingen, die mich eigentlich interessieren. Nur, damit die Touristen nicht denken, ich sei einer von ihnen. Ach was: jeder soll sehen: Ich gehöre hierher, wohne hier, bin vielleicht auch hier geboren. Nur deshalb interessiert mich der ganze Rummel hier auch nicht.

Ich bin so fucking cool Berlin, so fucking cool geht es eigentlich gar nicht. Doch dann weiß ich: Cool sein zu wollen geht nicht. Es ist sogar das Gegenteil von cool. Denn cool ist man einfach. Dafür tut man nichts, und man tut auch nicht bewusst nichts. Also bleibt alles beim Alten: Ich bleibe fremd, noch dazu uncool fremd. Außerdem sehe ich so viel weniger. Denn das Schöne am fremd sein ist doch: Das zu sehen, was der Nichtfremde gar nicht mehr wahrnimmt. Clint Eastwood spielte in vielen Filmen einen Fremden. Er war fremd, wo immer er auch hinkam. Trotzdem war er irgendwie cool. Er hat das Wesentliche immer erkannt.

Ich weiß nicht, ob ich ewig in Berlin bleiben werde. Vielleicht will ich bald einfach mal woanders fremd sein. Vielleicht ist mir Berlin nicht mehr fremd genug. Wo ich doch schon gelegentlich versuche, wie ein Berliner zu wirken. Ich finde, fremd sein dürfen sollte in den Katalog der Menschenrechte aufgenommen werden. Denn im Grunde ist es herrlich, die Welt mit den Augen eines Fremden zu betrachten. Der Versuch, irgendwo dazu zu gehören, scheint mir hingegen so klein. So vergeblich. So fremd.

Dienstag, 5. Juni 2012

Achtung: Gejammere auf hohem Niveau!

Nennen Sie mir drei positive Eigenschaften. Und nun nennen Sie mir eine ihrer negativen Eigenschaften. Wieso bewerben Sie sich ausgerechnet bei unserem Unternehmen? Was erwarten Sie von einem Arbeitgeber? Was können SIE für UNS tun? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Hilfe! So ähnlich lauten die Fragen, die man mir derzeit stellt. Richtig: Wer zwischen den Zeilen lesen kann, der hat bemerkt, dass ich wieder einmal auf Arbeitsuche bin. Es ist kein Spaß: All diese Leute, die sich ihren Fragenkatalog bei diversen Online- Anbietern zusammenstellen. Oder schlimmer noch: Die irgendeinen dieser kreuzdämlichen Kurse zum Thema "Bewerbungsgespräche" mitgemacht haben.

Nicht, dass diese Fragen sämtlich einfallslos seien oder eventuell den Kontext der eigentlich angebotenen Stelle erfassen. Nein! Die Fragesteller sind oft noch absolut farblose Kreaturen. Man kann erahnen, dass sie nur auf ähnliche Weise eingestellt worden sein können, so wie sie dasselbe nun an den offenkundig zahlreichen Bewerber_innen versuchen.

Natürlich muss man lügen. Die Wahrheit ist diesen Leuten zu banal: Kaum jemand kann sich vorstellen, dass man die Arbeit, mit der man betraut werden könnte, eventuell todlangweilig findet. Wäre ich nämlich ehrlich, müsste ich folgendermaßen antworten:
  • Meine drei positiven Eigenschaften sind: Ich habe dreimal mehr auf der Pfanne als Sie. Ich bin allerdings so beherrscht, dass ich nicht augenblicklich aufstehe und gehe. Und ich schaue Ihrem kläglichen Versuch zu, den Personalchef zu spielen, und das ohne mit der Wimper zu zucken. Negativ ist, dass ich diesen Impulsen nicht einfach nachgebe.
  • Ich bewerbe mich bei Ihnen, weil Sie eine Anzeige aufgegeben haben und der angebotene Job mich vielleicht nicht völlig zu Tode langweilt. Doch wenn ich Sie so betrachte...
  • Ich erwarte ein ordentliches Gehalt und die Zusicherung einer beruflichen Perspektive im Unternehmen.
  • Für SIE tue ich schon gar nichts. Ich trete Menschen, die sich voll mit ihrem Unternehmen identifizieren, stets mit Argwohn entgegen. Ich kann generell versprechen, dass sich meine Leistungen an der Höhe des Gehalts orientieren. Viel können Sie also nicht erwarten.
  • In fünf Jahren sehe ich mich wieder auf Arbeitssuche, ggf. bei einem Vollpfosten wie Ihnen. Denn allein die Frage, wo ich mich in fünf Jahren sehe, obwohl Sie mir nur eine befristete Stelle über maximal ein Jahr anbieten (bei mieser Bezahlung), ist impertinent. 
Ich sollte daran arbeiten, in solchen Fällen tatsächlich einfach aufzustehen und zu gehen bzw. darauf hinweisen, wenn mir ein Gespräch zu doof wird. Es fällt mir immer schwerer, Kolleg_innen und Vorgesetzte ernst zu nehmen. Das ist allerdings kaum ein Wunder. Es gibt ohnehin kaum Jobs, die nicht völlig verzichtbar wären. Man sollte im Grunde in das gute alte Handwerk wechseln. Dieser ganze Dienstleistungsscheiß', Verwaltungsdreck und das juristische Gewese kotzt doch nur noch an. Okay, ich hab' ne Sinnkrise. Aber nur, was das Arbeiten betrifft.

Samstag, 2. Juni 2012

Sklave und Gott zugleich! Ein neues Weltbild und ein Transit!

kriegswichtig: ein Schöpfungsmythos
Neulich rief mich mein bester Freund RonJustice während seiner Mittagspause an und konstatierte: Wir sind alle Sklaven! Sag ich doch die ganze Zeit, hob ich an und leitete den Begriff "Arbeit" aus dem Altgermanischen und dem Alt- Osteuropäischen semantisch her: Arbeit IST Sklaverei. Wäre interessant, die Herleitung des anglizistischen Begriffs "Work" zu beWERKstelligen.

Ach, im Englischen klingt eben einfach alles Besser. Da wird aus Arbeit ein Werk. Demnach ist Arbeit beinahe Kunst? Zumindest, bevor der Dienstleitungssektor oder die Manufaktur erfunden wurde, mag dies zutreffend gewesen sein. Die Fachbereiche Medizin, Philosophie, Architektur, Malerei etc. wurden in der Antike von ureigenen Musen begleitet (das sind neun von Zeus einvernehmlich mit Mnemosyne gezeugte Nymphen) und galten daher als hohe Künste. Im Englischen heißen Abschlüsse auch deshalb "Masters of Arts". Es wird deutlich, welches Verständnis von "Arbeit" die Deutschen der Welt oktroyieren wollen und warum sich der denkende Teil der Menschheit so beharrlich (und berechtigt) weigert.

Im gemeinsamen Urlaub mit C. in der Türkei wurde obiges Bild geschissen geschossen. Nun hänge ich einer neuen Glaubensrichtung an, die eine Neuordnung des uns bekannten Universums erforderlich macht: Gott ist ein riesenhafter Mistkäfer, der aus einem großen Haufen Scheiße die Erdkugel formt, sie hernach zu einem unbekannten Bestimmungsort rollt und dort seine Nachkommenschaft hineinsetzt. Wir sind also alle göttlichen Ursprungs und die Milchstraße müsste eigentlich braun sein. Ein göttlicher, optischer Trick macht sie " milchig", auch um der schlechten Konnotation mit der braunen Scheiße seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu entgehen. Was nur davon zeugt, wie gut informiert der "GodBug" schon zu Anbeginn der Zeiten über das, was noch kommen würde, war.

Aber sind wir alleine im Universum? Wieviele Kugeln Mist rollt so ein "GodBug" eigentlich in die Unendlichkeit hinein, bis ihm die Ewigkeit zu fad wird und er einen der Unsrigen erwählt, sein Werk fortzuführen? Rühren wir dann selber in den Fäkalien der universalen Kloake? Entdecken wir den Kubus der Kugel (die 3D- Version der Quadratur des Kreises)? Was machen wir mit der "Resterde?" Wie jede anständige Religion birgt auch das darin enthaltene fäkaliozentrische Weltbild den ein oder anderen Makel. Den Venustransit gibt es aber auch hier und der versetzt mich in Staunen:

Am 6. Juni kriecht der Abendstern zum letzten Mal in diesem Jahrhundert über die Sonnenscheibe und wird zum Morgenstern. Oder so ähnlich. Der Reihe nach berichteten alle anständigen Zeitungen darüber und über sämtliche Perioden der Beobachtung des Venustransits vom 18. Jahrhundert bis heute. Bis auf die Süddeutsche haben sie allesamt die durch Thomas Pynchon verewigten Astronomen und Landvermesser Mason und Dixon vergessen, was ich sträflich finde, zumal sämtliche Artikel ins Feuilleton verbannt wurden und nicht ins Reich des Wissens.

Der Venustransit! Ich finde sowas ja toll. C. daraufhin: Und das soll irgendwie spannend sein oder was? Eine kleine Kugel, die über die Sonne rollt? Ich musste mich nach dieser als Frage getarnte Aussage spontan an eine andere Person erinnern, der ich vor Jahren einmal den besonders nahen Mars gezeigt hatte. Sie hatte daraufhin sehr lange den Himmel abgesucht und zeigte sich hernach enttäuscht: Ach so, der kleine trübe Stern da oben. Ich hab' mir den größer vorgestellt. Woraufhin ich bemerkte, dass ich eigentlich ganz beruhigt sei, dass er nicht noch größer sei, der PLANET!

Nun findet also auch C. ein kosmisches Ereignis, dass aufgrund der Dimensionen nur wenig Spektakel hervorruft, irgendwie langweilig. Man hat den Eindruck, die Menschen hätten alles lieber viel GRÖSSER. XXL. Doch dazu müsste man auch sehr viel NÄHER sein, was irgendwie beunruhigend ungesund wäre und man dann wohl auch andere Sorgen hätte. So wie im Film "Melancholia" von Lars von Trier, den C. (und ich auch) sehr gut fand. Der herannahende Planet war am Ende so dermaßen groß und spektakelig, dass er die Erde einfach verschluckt hat. Nun denn, vielleicht wär es das Beste.

Jedenfalls meinte ich, so ein Transit sei auf jeden Fall aufregender als so Zeug wie das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, Gaucks Israelbesuch samt Deutschland- Attest ("Ja, mittlerweile dürfen wir wieder stolz auf Schland sein..."), der drohenden EM und den unterbezahlten Schlecker- Mitarbeiterinnen, die auf 12 Prozent ihres lausigen Gehalts verzichten würden, wenn sie dafür ihre Arbeitsplätze behalten dürften, zusammen. Ja, meinte ich, sowas ist in der Tat spannend: Es ist ein verlässliches und vor allem berechenbares Ereignis, dazu noch ist es selten. Es findet nämlich jedes Jahrhundert zweimal im Abstand von ca. 8 Jahren statt.

Das ist souverän, daran sollte sich mal einer wie der Gauck, der Herr Sarrazin, der Herr GraSS, der Herr Henkel, oder der Herr Sinn oder oder oder ein Beispiel nehmen. Und die Schlecker- Mitarbeiterinnen haben nun Glück im Unglück: Sie müssen sich nicht weiter ausbeuten lassen und können mal eine ruhige Kugel schieben: Die Gläubiger schicken das Unternehmen in den Orkus des Kapitalismus. Ja, auch in der Arbeitslosigkeit steckt ein Körnchen Göttlichkeit. Die Verkäuferinnen werden dies leider nicht erkennen und sich alsbald neu einstellen lassen, gerne auch für weniger Geld. Man kann halt nicht beides zugleich sein: Sklave und Gott!