Sonntag, 29. Mai 2011

Zerbombt! Knülle! Kaputt! Terrorisiert den Terror!

So so, jetzt wissen wir es endlich genau! Dank dem hessischen Innenminister Volker Bouffier: Das erste Recht des Bürgers ist es, nicht in die Luft gesprengt zu werden. Da hat die FDP endlich einmal in dieser Legislaturperiode einen korrekten und nachvollziehbaren Einwand, nämlich gegen eine Laufzeitverlängerung der Anti-Terror-Gesetze, und dann ist es auch wieder nicht recht.

Ach so, der Einwand: Nun, man könne doch nach etlichen Jahren Einschränkungen des Datenschutzes und der persönlichen Freiheit mal so ein bisschen einlenken und so tun, als wäre Staatsterror genauso schlimm wie Terror von außen und deswegen, sagen wir mal, so ein paar Gesetze, die von vornherein und sowieso zeitlich limitiert waren, mal wieder abschaffen oder so bzw. einfach auslaufen lassen.

Diese Anmaßung der FDP der CDU gegenüber muss gut sein, denn zum ersten Mal seit dem Bestehen dieser Koalition will die FDP etwas, das nicht der Wirtschaft nutzt, sondern tatsächlich der Bevölkerung zugute kommt, die eventuell die Schnauze voll davon hat, permanent vorbeugend unter Terrorismusverdacht zu stehen. Klar, jeder Mensch ist ein potentieller Mörder! Dann trifft das aber auch auf den lieben Herrn Bouffier zu und auf so ziemlich alle, die an der Umsetzung der Anti-Terror-Gesetze beteiligt sind.

Ständig diese Debatte über die Anti-Terrorgesetze. Dabei fühle ich mich gar nicht bedroht durch den organisierten islamischen Terror oder vor Umstürzen durch linke respektive rechte Terroristen. Ich habe gar keine Angst davor, in die Luft gejagt zu werden. Ich fürchte mich eher vor den konkreten Bedrohungen des Alltags. Was könnte weniger konkret sein, als von einem Auto überfahren zu werden. Oder von einem Hooligan in der Straßenbahn verprügelt zu werden. Vielleicht schon weniger konkret die Gefahr, von einem Polizisten misshandelt zu werden. Oder von einem Pfarrer. Was ist mit dem physischem und psychischem Druck am Arbeitsplatz?

Niemand redet von einem Anti-Auto-Gesetz. Religionsausübung ist immer noch ein Grundrecht. Fußball ist auch nicht verboten. Es gibt auch keine Gesetze gegen Lohnarbeit. Aber immerhin ist die Gefahr, in die Luft zu fliegen, schon noch so ein bisschen konkret und hat deshalb ein eigenes Gesetz. Denn wenigstens ist es rein theoretisch möglich, dass man das Opfer eines terroristischen Anschlags wird. Oder dass man jemanden kennt der jemanden kennt, der Opfer eines Anschlags wurde. Diese Mittelbarkeit der Bedrohungslage vervielfacht das Gefahrenpotential enorm.

Aber dass diese Terroranschläge doch nur so wenig konkret sind, haben wir schlussendlich den Anti-Terror-Gesetzen selbst zu verdanken. Ohne sie wären wir alle schon längst tot! Zerbombt! Knülle! Kaputt! Man kann ja andauernd beobachten, wie sämtliche Terroristen, egal ob linke Autoanzünder oder rechte Menschenanzünder und natürlich extreme Islamisten, sofort gefasst werden - bevor sie ihre jeweils typischen Terrorakte begehen. Das Gesetz gegen rosa Elefanten auf Bäumen ist also wirksam. Oder hat schon einmal einer einen rosa Elefanten auf einem Baum gesehen?

Sagen wir es doch einmal so: Gegen den Terror kann man auch auf andere Weise anstinken. Zum Beispiel verhält man sich gegenüber den Despoten und Hasspredigern in aller Welt so, dass man gar nicht zum Angriffsziel werden kann. Die BRD wird ja ständig wegen seiner Zurückhaltung gelobt, zuletzt von Ungarns Präsidenten, vorher von Ghadaffi und dem jemenitischen König. Wer kann uns denn Böses wollen, wo doch unsere Staatslenker so freundlich einknicken? Eben!

Mittwoch, 25. Mai 2011

The Unincredible Holz: Töten! Abschaffen! Vernichten!

Kurz vor der Verwandlung
Nun bin ich interniert. Ich bin ja schließlich gemeingefährlich. Habe ich doch meine Umwelt mit meiner Unausgeglichenheit und kleineren Wutanfällen terrorisiert. Da blieb nur noch ein Besuch beim Arzt. Und der sagte lapidar: Schilddrüsenüberfunktion! Heißer Knoten! Radiojodtherapie!

Nun befinde ich mich in einem Einzelzimmer der Station 8 in der Radiologie des Stadtklinikums Neukölln. Eben habe ich die radioaktive Tablette bekommen. Sie soll den heißen Knoten eliminieren. Deshalb strahle ich nun über das ganze Gesicht. Meine Ausscheidungen werden extra aufgesammelt und wahrscheinlich zur Versuchsasse transportiert, womöglich auch nach Gorleben. Genauso die Bettwäsche und alles, was ich derzeit an mir trage.

Ich trage ein sexy Netzhöschen und darüber die übliche Patientenkluft, bestehend aus einem Leinenhemd und einer passenden Hose, ganz legere im rosa-ocker Farbton, der mir gar nicht steht. Auch ein Bademantel wurde mir gegeben. Mein einziges persönliches Kleidungsstück sind meine Che- Badelatschen. Die darf ich dann ca. 8 Wochen nach meinem Aufenthalt hier wieder abholen.

Bis das Radiojod sich auf ein für die Menschheit erträgliches Maß reduziert hat, vergehen wohl 4 bis 5 Tage. Dann erst darf ich das Krankenhaus verlassen. Überhaupt: Ich muss die nächsten 3 Tage ausschließlich in meinem Zimmer verbringen. Erst am dritten Tag darf ich auch auf den Flur. Oder auch einmal duschen. Bis dahin ist Katzenwäsche angesagt. Die Zahnbürsten sind sofort zu entsorgen, weil: kontaminiert, und deshalb Einwegzahnbürsten. Es gibt keine Toilettenbürste, sondern einen Dampfstrahler. Der gut erzogene Patient pinkelt im Sitzen, da die Spritzer sonst den Boden und das Personal kontaminieren. Ich bin ab sofort eine Gefahr für Leib und Leben anderer!

In meinem Zimmer gibt es: ein höhenverstellbares Bett, einen Stuhl zum Sitzen, einen Tisch, den üblichen Nachttisch, eine Nachttischlampe, ein Fernsehgerät, ein CD-Radiogerät, zwei Lynn-Walker (?) Gemälde namens „Autumn Memory“ und „Heartland“, einen zweiten Stuhl für abgelegte Zeitungen und kein Internet. Ich habe mitgebracht: ein Netbook (mit Musik und den letzten beiden PDF-Ausgaben der Zeit sowie zwei Stellenanzeigen und das Manifest „Der kommende Aufstand“), zwei dicke Bücher (DeLillos „Unterwelt“ und Pynchons „Mason&Dixon), Eine Dschungle World Ausgabe, zwei Mobilfunktelefone, ein Notizbuch, und einen Kopfhörer, Ladegerät und USB-Gerätekabel. Nur für die vermerkt, die meinen Nachlass verwalten müssen.

Warum ausgerechnet Radioaktivität mein Gebrechen lindern soll, ist und bleibt mir ein Rätsel. Eine Überfunktion der Schilddrüse bewirkt eine innere Unruhe und damit auch leidenschaftliches Aufbrausen des Temperaments. Es ist so als verspürte man den unbändigen Drang, genau durchdachte Dinge unbedingt und sofort erledigen zu müssen, rutscht quasi schon auf dem Stuhl herum, ist aber leider doch zu träge zur Umsetzung. Es bleibt die Unruhe, dass etwas hätte getan werden müssen. Doch wenn man es dann doch noch schafft, sich aufzuraffen, dann rollt der Stein und ich bin nicht mehr zu bremsen. Hyperaktiv. Strukturiert.

Wie wir jedoch wissen, wurde der besonnene Wissenschaftler David Banner durch Bestrahlung mit Gammastrahlen, erst zum unkontrollierten und unkontrollierbaren Hulk. Die Kundigen des Marvel-Universums ist er auch bekannt als der „Incredible Hulk“. Was nun, wenn sich bei mir durch die Verabreichung des Radiojods, durch das ja durchaus Gammastrahlen freigesetzt werden, eine ähnliche Verwandlung vollzieht? Wenn die Therapie anschlägt, wird doch mein Temperament deutlich geringer, womöglich hänge ich dann sabbernd in einem Rollstuhl und Fliegen kriechen in meine Nasenlöcher und wieder heraus.

Doch wehe, mich ärgert ein Pfleger! Dann schlägt mein Metabolismus um in eine gewalttätige Natur, die weder Freund noch Feind kennt und jedem in meinem Umfeld an die Gurgel geht. Meine Muskeln schwellen an und zerstören das feine, rosa-ocker Patientenhemd im Ärmelbereich, und das satte Grün meiner Haut wird noch weniger dazu passen als meine gesunde Farbe derzeit. Töten! Zerstören! Zermalmen! Abschaffen! Das wird mein Schicksal sein, bald!

Bis dahin bin ich aber der durch ein radioaktives Unglück stark verstrahlte Dr. Atom, der im Arkham Asylum unter strenger Quarantäne auf seine Chance zur Flucht wartet, um die Menschheit endlich von ihrer jämmerlichen Existenz zu befreien. Außerdem gilt es, seine größten Widersacher zu vernichten: EnBW und Tepco, mutierte Riesenechsen, die angetreten sind, den Ruhm des großen Dr. Atom zu mindern. So geht das aber nicht: Wenigstens das Verbrechen muss konkurrenzlos bleiben!

Sonntag, 22. Mai 2011

Im Idealfall abhängig! Super für das Auto!

Über nichts sonst regt man sich in der BRD auf, als über steigende Benzinpreise. Weder über den gerade stattfindenden Mikrozensus, noch über Flüchtlingsdramen im Mittelmeer oder die Rentenreform usw. usf. Doch wehe, das Kartellamt findet Verdachtsmomente für ein Oligopol über bundesdeutsche Tankstellen und unterstellt indirekt Preisabsprachen: Dann ist der Bock fett! (siehe hier...)

Solange die Autofahrer immer nur über die Benzinpreise jammern, aber selber keine Konsequenzen ziehen, wird sich an dieser Preisspirale nach oben nichts ändern. Nur, wenn Benzin gespart wird und der Absatz in Stocken gerät, müssen die Konzerne gegenlenken. So aber gibt es den Idealfall des abhängigen Kunden, und wie wir wissen: Die Nachfrage bestimmt den Preis (unabhängig davon, ob es Preisabsprachen gibt oder nicht).

Benzin sparen? Ganz einfach: Auto stehen lassen und Bahn fahren! Und vor allen Dingen keine faulen Ausreden nur um der Bequemlichkeit willen: vor 50/60 Jahren hatten nur wenig Leute ein Auto und haben trotzdem das "Wirtschaftswunder" hingekriegt. Oft eben auch zu Fuß, manchmal mit der "Eisenbahn" oder einer Fahrgemeinschaft. Geht alles! Hab' ich selber ausprobiert und funktioniert auch in eher strukturschwachen Gebieten.

Mein schönstes Erlebnis heute war übrigens ein Spaziergang durch autofreie Straßen in Neukölln. Es war ein Traum: kein Lärm, kein Gestank und keine Todesangst beim Wechsel der Straßenseite. Danke, Velothon! Von mir aus können die Straßen für immer gesperrt bleiben. Auch fluchende Autofahrer seien erinnert: Aussteigen und gehen. Oder: Bahn fahren. Ist gesünder.

Eine Seite, die es vielleicht lohnt, zu besuchen: www.autofrei.de

Freitag, 20. Mai 2011

Ein Reiseführer durch Sardinien (Teil 3): Meine goldrichtige Einstellung zum Auto!

Nicht mehr gefährlich = gut!
Ich habe ein schwer gestörtes Verhältnis zu Autos. Ich kann kaum an Autos denken, ohne dass sie vor meinem inneren Auge ordentlich brennen oder wenigstens irgendwo vor sich hinrosten. Nur so kann ich sie ertragen. Autofahren ist die dümmste und ödeste Art der Fortbewegung. Man sieht nur Autos vor sich und Autos neben sich, alles Feinde, und dazu gibt es etwas Gewürm, das überfahren werden muss wie in einem dieser alten Computerspiele: Radfahrer und die Fußgänger, die Baader-Meinhof-Bande des modernen Stadtverkehrs!

Nun gut, die RAF war irgendwie sexy, die Terroristen hatten wenigstens etwas Glamour, was man von Autofahrern nicht gerade behaupten kann. Autofahren ist so ziemlich das stil- und würdeloseste, was man auf Erden tun kann. Wer etwas auf sich hält, der fährt wenigstens nicht selber, sondern lässt sich von Professionellen fahren. Chauffeure und Taxifahrer sind zwar ähnlich gesellschaftliche Parias wie zum Beispiel Politessen und Parkwächter, doch sind sie trotz ihrer bornierten "ich-kann-besser-fahren-als-alle-deswegen-habe-ich-das-recht-alle-anderen-zu-töten"- Art irgendwie nützlich: Während sie sich fluchend durch den Verkehr wurschteln, kann man hinten bequem die Zeitung lesen. Getönte Scheiben sind Voraussetzung, damit man das Elend auf den Straßen nicht sehen muss.

Im Grunde kann ich mir das aber gar nicht leisten. Ich fahre deshalb Rad. Oder ich gehe zu Fuß. Damit bin ich nicht ausschließlich an die von KFZ okkupierten Straßen gebunden, sondern kann auch mal durch den Park saußen oder am Ufer entlang. Die Welt ist am schönsten dort, wo es keine fahrenden Autos gibt, und die stehenden irgenwie verkohlt sind und schon kleine Bäume aus dem zerbeulten Kofferraum wachsen. Auf den Straßen ist es sehr gefährlich für Fußgänger und Radfahrer. Deswegen sollte man lieber behut- und achtsam die Gehwege nutzen. Wenn mich ein Polizist anspricht, weil ich wieder mal auf dem Bürgersteig radele, dann gibt es zwei, nein drei Antworten, die jedoch nichts bringen:

Wie? Zu den Idioten? Auf die Straße? Ich bin doch nicht lebensmüde! Oder: Herr Wachtmeister, Sie sind gut! Wo soll denn hier eine Straße sein? Meinen Sie vielleicht diese lose nebeneinander gelegten Steine? Fünf Meter fahre ich darauf, und dann habe ich eine Gehirnerschütterung! Oder: Schieben, Herr Wachtmeister? Ein Fahrrad ist doch nicht zum Schieben gemacht. Apropos: Es gibt ja die lustigen Baustellen, an denen ein Schild steht mit der Aufschrift: Radfahrer absteigen und schieben! Jemand mit Verstand hat darunter gekritzelt: Autofahrer aussteigen und schieben! It is a car's world...

Die Welt ist gemacht von Autofahrern für Autofahrer. Wer an Baumärkten oder andernorts einmal versucht hat, sein Fahrrad an den dafür vorgesehenen Fahrradständern zu befestigen, der weiß, was ich meine. Die "deutsche" Ingenieurskunst konstruiert ausschließlich Fahrradständer, die für anständige Bereifung zu schmal sind, außerdem sind die Radabstände zu eng gewählt, dass sowieso nur jede zweite Möglichkeit genutzt werden kann. Und zuguterletzt kann man nur das Vorderrad fest anschließen. Die einzig durchdachte Komponente ist die Tatsache, dass die im Baumarkt einkaufenden Autofahrer nicht dazu neigen, ein Fahrrad zu klauen. Lieber fahren sie nur leicht drüber, sodass sich die Räder verbiegen.

Als soziale Gruppe betrachtet sind Autofahrer unglaulich boshaft, leichtfertig und rechthaberisch. Niemand kann so wirkkräftig seine fälschlich angenommene Vorfahrt verteidigen wie ein Autofahrer. Niemand sonst kann so gehässig und mit Freude nah am Fußgänger oder Radfahrer durch Pfützen fahren. Sie sind wie der fiese 10jährige, der die kleinen Kinder auf dem Spielplatz verkloppt. Vielleicht trifft es auch das Bild vom bewaffneten Jäger, der arglose Tiere abknallt. Nicht etwa weil er Hunger hat. Da hätte er ja noch Interesse am Wild. Nein: er knallt sie ab, weil sein narzistischer Trieb durch sein Überlegenheitsgefühl befriedigt wird.

Auf Sardinien fährt wirklich JEDER Auto. Wahrscheinlich ist das notwendig, denn die Straßen bieten kaum eine Möglichkeit für Fußgänger. Unsere Wirtin meinte, sie habe echte Probleme, den Kinderwagen sicher von A nach B zu bringen. Auch sind die Distanzen zwischen den einzelnen Städtchen zu groß: Nicht, dass ich keine 10km laufen kann. Doch über weite Strecken gibt es auf den Landstraßen keinen Straßenrand, auf dem man gehen könnte. Die Sarden sind gleichermaßen rücksichtsvoll und leichfertig. Sie rasen durch die Straßen, fahren aber vorsichtig durch die Wasserpfützen. Das ist nett und hat nur manchmal Todesopfer zur Folge: Vor kurzem sei ein alter Mann überfahren worden. Der Fahrer habe ihn nicht gesehen, weil er so dünn war. Für den Erzähler dieser Story schien dies den Fahrer von seiner Schuld zu entlasten. Da konnte man halt nichts machen: zu dünn!

Aufgrund dieser Situation haben C. und ich uns dazu durchgerungen, ebenfalls ein Auto zu mieten. Ich schäme mich sehr! Doch die Busverbindungen waren zu schlecht, um die Insel auf diese Art zu erkunden. Aber ich finde, dass 400km in 10 Tagen nicht zuviel sind, wenn man bedenkt, dass die Rückfahrt zum Flughafen schon 160km betrug. Ich fahre nunmal nicht gerne. Ich finde meine Einstellung zu Autos jedenfalls goldrichtig.

Im Urlaub fotografiere ich eigentlich nur zwei Dinge: Blumen und Autos, die in der Landschaft zum verrotten abgestellt wurden. Man wird auf Malta oder in Griechenland, aber auch in der Türkei, leicht fündig. Dies finde ich sehr ästhetisch: Das Auto, endlich nicht mehr gegen Mensch und Natur gerichtet, sondern im Einklang mit der Welt. Die Natur überwuchert das Auto und vergibt ihm seine Schuld. Man könnte sagen, dass ich Autos erst lieben kann, wenn sie ihren Zweck überdauert haben und keinen Schaden mehr anrichten können. Zudem ist der Zerfall des Fahrzeugs zugleich eine Metapher für den erwartbaren Zerfall der Automobilindustrie. Alles ist vergänglich.

Der Anteil von Menschen ohne Auto nimmt in der BRD zu. Dies entspricht zum Teil einer tieferen Einsicht und mangelndem Einkommen. Arm, aber dadurch auch irgendwie sexy! Außerdem wird sich Benzin in den kommenden Jahren stark verknappen und damit teurer. Eigentlich eine große Chance für eine Wende im Straßenverkehr. Weniger Autoverkehr schafft auf lange Sicht mehr Platz und Sicherheit auf den Straßen. Vom Lärm und dem Gestank einmal abgesehen. Etwas ungnädig nehme ich daher die aktuellen Versuche der Regierung hin, Elektroautos zu etablieren. Werden wir die Dinger denn nie los? C. beschwert sich jedenfalls leidenschaftlich über die ach so naturverbundenen Leute, die aus der Stadt ins grüne Umland ziehen, damit ihre Kinder Kühe kennenlernen können. Um dann hinterher mit ihren Dreckschleudern die Stadtluft auf dem Weg zu ihren Jobs noch mehr zu verpesten. C. und ich sind große Verfechter der City-Maut!

Auf Sardinien konnte ich leider keine Fotos von Autowracks schießen. Das einzige, dass ich zu Gesicht bekam, war ein von den Serpentinen ins Tal gestürztes Fahrzeug. Ein solches Bild wäre ein Unfallbild. Sicher waren Todesopfer zu beklagen, ein Foto hiervon wäre daher zynisch und hätte einen unfeinen Nachgeschmack. Ich möchte lieber Autos fotografieren, die absichtlich "vergessen" wurden. Ein Unfalltod würde die Botschaft des Bildes überfrachten. Und am Ende wünsche ich auch niemandem den Tod, auch nicht Autofahrern. Denn da kommen wir nun vom Autofahrer als soziale Gruppe zur Person im Auto. Und diese Person muss nicht zwingend identisch sein mit der ungehobelten Masse. Ich wünsche mir sehr, dass auch ich als Fußgänger und Radfahrer nicht für eine ganze Gruppe haften muss und verwahre mich davor, ihr zugerechnet zu werden.

Montag, 16. Mai 2011

Alles geben und Zeit sparen: Multitasking ist die Mutter der Zerstreutheit!

Bevor ich mich nun an meine letztjährige Steuererklärung mache und mein Talent dazu vergeude, letzten Endes Geld an den Staat zu überweisen (es trifft ja die FDP- Agenda zu, dass jene, die keine Leistungsträger im FDP- Sinne sind, für ihren Arbeitsaufwand zu zahlen haben, damit jene, die arbeiten lassen, angemessen vergütet werden können), muss ich ein paar Takte zum Thema "Multitasking" sagen.

Meine ehemaligen Kolleginnen in meinen Ex-Jobs mussten ja immer darauf hinweisen, dass es ihnen sozusagen in beide X- Chromosomen eingeschrieben ist, viele Dinge auf einmal tun zu können, mindestens aber zwei, ohne dass die Qualität dieser Dinge leidet. Da kann ich als genauer Beobachter und Zuhörer nicht zustimmen: Wer gleichzeitig viele Rechenoperationen am Start hat, kann sich logischerweise nicht mit voller Konzentration vielen Einzelprozessen widmen - und die Qualität leidet!

Der Mensch hat eine bedingte Kapazität, und neben laufenden Körperfunktionen, die schon einen Gutteil der Energie absaugen, muss er die Restkapazität sorgsam aufteilen. Wer nur Kuchen isst, der widmet eben volle 100% dieser ausfüllenden Tätigkeit, wer dazu noch einen Kaffee trinkt, der benötigt anteilig jeweils 50% Aufmerksamkeit pro Einzelprozess. Und wer sich dazu noch mit einem Menschen unterhält, dem zerfällt die Konzentration zu drei mehr oder weniger gleichgroßen Teilen.

Ich merke, dass Multitasking nur unkonzentrierte Vieltuerei ist, daran, dass sich jemand am Telefon NICHT voll auf ein Gespräch konzentrieren kann, wenn er oder sie gleichzeitig das Kind füttert, im Internet herumstöbert und/ oder eine SMS ließt bzw. beantwortet. Diese Gleichzeitigkeit verschiedener Tätigkeiten ist schlicht nicht möglich! Wenn ein Gesprächspartner zu mir spricht, ist vielleicht das, was er sagt, reiner Konzentration gedankt. Sobald ich aber zu einer Replik aushole, konzentriert sich mein Gegenüber auf ganz andere Sachen und bucht nebenbei ein Gästezimmer für den Urlaub.

Im alltäglichen Leben gibt es diese Situationen ständig: Fahrrad fahrende Telefonistinnen, einkaufende, an der Kasse stehende Telefonistinnen, babywickelnde, kaffeetrinkende Telefonistinnen, sich mit FreundInnen am Tisch unterhaltende Telefonistinnen, mit dem Hund spielende Telefonistinnen usw usf. Dabei fällt mir auf, dass dieses Multitasking, dem Frauen so gerne und kompetent frönen, immer irgend etwas mit Telefonieren und mindestens einer zusätzlichen Tätigkeit zu tun hat.

Selbstredend schreibe ich hier von geschlechtsspezifischen Besonderheiten, die sich das weibliche Geschlecht selbst zuschreibt, als eine Form von internem, selbstbezichtigendem Sexismus. Dass ich nun explizit das Verhalten des weiblichen Menschen beschreibe, liegt einfach daran, dass mir noch kein menschliches Männchen begegnet ist, der von sich behauptet, er könne bewusst zwei Dinge gleichzeitig mit voller Konzentration steuern, sozusagen zu 200% (die Prozentzahl erhöht sich mit der Anzahl der Prozesse um jeweils 100%).

Schließlich wissen wir: Auch ein Herr Strauss-Kahn kann nicht gleichzeitig IWF- Chef sein und ein Vergewaltiger. Hintereinander, im Wechsel also, jedoch schon. Der IWF hingegen, als juristische Person, kann multitasken: Er kann Volkswirtschaften retten UND gleichzeitig ruinieren. Doch dies ist ist eine völlig andere Geschichte und verdient eine eigenständige Aufarbeitung.

Während ich dies geschrieben habe, habe ich übrigens: eine Überweisung falsch getätigt, meine Steuererklärung versehentlich gelöscht und ein guter Freund wird mich wohl nicht mehr anrufen, wenn er meinen Rat braucht:
Um seine Freundin zurückzugewinnen, habe ich ihm empfohlen, er solle ihr seine Kontonummer geben und dem Finanzamt mitteilen, dass das wohl nichts mehr wird mit ihm, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Aber dass er sie trotzdem liebt und sie ihm bitte das Geld zurück überweisen soll. Ich habe alles gegeben: 100 Prozent!

Samstag, 14. Mai 2011

Ein Reiseführer durch Sardinien (Teil 2): Flaschenpost von Silvio Berlusconi

Wozu sich so eine große Insel wie Sardinien alles eignet, kann man kaum in einen kleinen Post hineinschreiben. Es gibt viele Berge und Täler, und um die Insel herum befindet sich klarstes Meerwasser, dass in seiner Durchsichtigkeit beinahe an karibische Qualitäten heranreicht.

Viel Wald gibt es nicht mehr: Laut Reiseführer ist Sardinien nur noch auf ca. 13% der Gesamtfläche bewaldet. Den Rest bilden kleinere Städte, europäisch finanzierte Straßen mit aus geschichtlichen Gewogenheiten unaussprechlichen Bezeichnungen (z.B. SS 125) und die Macchia, eine Heidelandschaft. Dass dies trotzdem alles recht heimelig anmutet und die Insel weitgehend naturbelassen wirkt, ist ein Trost für Naturschützer und eine Freude für Touristen.

Wenn es dann doch einmal unwettert, dann sieht der ansonsten astrein weiße Sandstrand aus wie eine Müllkippe: Seegras, Bambus, Styroporverpackungen, Getränkedosen (Pfand ist ja eine rein bundesdeutsche Erfindung), Orangen, Warmwasserboiler und eine Vielzahl anderer Dinge. Ein Rätsel gaben mir jedoch die Glasflaschen auf, die man am Strand andauernd finden konnte. Wurden sie von Strandhockern liegen gelassen oder wurden sie als Flaschenpost angeschwemmt, sozusagen als nautische SMS- Vorlage (Ich bin gleich da, wo bist DU?) ohne jede inhaltliche Aussage?

Die oben abgebildete Flasche enthielt übrigens eine Nachricht. Dem Papier beigefügt war ein kleines, schweres Stückchen Erz, das in der Flasche herum kullerte. Auf dem Papier stand Folgendes geschrieben:
Ciao, lieber Finder!

Jeden Menschen und jede Frau möchte ich mit dieser Flaschenpost recht herzlich grüßen. Wie geht es Ihnen? Mir geht es sehr gut. Oder doch nicht so ganz, denn leider habe ich ein klitzekleines Problem: Ich weiß nämlich nicht wohin mit all dem Müll aus unseren CO²- neutralen, atombetriebenen Energiegewinnungsanlagen. Deswegen bin ich auf Ihre Hilfe angewiesen.
Vielleicht landet diese Flaschenpost auf einer hübschen Insel mit viel Natur und wenig Arbeit. Dann kann ich Ihnen folgendes Angebot machen:
Ich baue auf Ihrer Insel ein Atomendlager und lagere dort im Folgenden viele viele klitzekleine Stückchen Plutonium (siehe Anlage). Dafür bekommen Sie irgendeine finanzielle Unterstützung und gelegentlich eine Einladung zu einer meiner Partys.
Anbei eine weitere, kleine Anfrage: Ein kleines Flüchtlingsendlager macht auch nicht so viel Arbeit, wie man gemeinhin denken könnte. Doch Lampedusa ist viel zu klein für alle Flüchtlinge. Ihre Insel hingegen... und wenn man das Atomendlager dazu denkt...?  Die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten...? Und die Kollegialität unter Insulanern...? Ich möchte hier nicht allzu deutlich werden. Aber: Denken Sie mal darüber nach.

Mit vielen vielen Grüßen, und vielen Dank im Voraus,

Ihr Silvio Berlusconi

P.S. Als Regierungschef habe ich Anspruch auf die 10 schönsten Jungfrauen einer jeden Insel. Bildvorschläge bitte an: silvio.berlusconi@freenet.de

Mittwoch, 11. Mai 2011

Ein kleiner Reiseführer durch Sardinien (Teil 1): Die Brandrede von Tortolì!

Und da war ja noch der wunderschöne Urlaub auf Sardinien, der auf wundersame Art und Weise verhindert hat, meine Leserinnen und Leser zu penetrieren - zwei Wochen lang und länger! Aber ich kann das alles nachholen und werde auch den ein oder anderen Post dem Umstand des gemeinsam mit C. verbrachten Urlaubs widmen. Bin Laden wurde erschossen und ins Meer geworfen? Wen interessiert's?

Wo ich doch Augenzeuge eines glanzvollen Auftritts der CGIL (Confederazione Generale Italia del Lavoro), DER sozialistisch/ nationalen Arbeitergewerkschaft Italiens, werden durfte. Und das in Tortoli, der Hauptstadt der Provinz Ogliastra. Wow! Am Liebsten hätte ich mich dazugestellt, doch dann wäre mein Cafe Americano kalt geworden. Außerdem bin ich der italienischen Sprache nicht mächtig, der sardischen Ausprägung sowieso nicht.

Trotzdem kein Grund, abseits zu stehen. Ich hatte einige Tage zuvor, in Caghliari, einem indischen Rosenverkäufer teils aus Mitleid, teils aus einer Notwendigkeit heraus, ein Feuerzeug abgekauft und mich danach der unerfreulichen Aussicht hingegeben, besagtes Feuerzeug sei ein Merchandise-Artikel eines lokalen Ableger der ultrarechten Partei Forza Italia: Forza Roma. Das es sich dabei um einen römischen Fußballclub und nicht unbedingt um eine Nazipartei handelt, ist mir tatsächlich erst eben klar geworden, so dass jetzt meine geplante Glosse leidlich baden geht.

Denn ich stellte mir vor, mit diesem Feuerzeug in der Hand eine Rede als vermeintlicher Genosse aus dem bundesdeutschen Ausland zu halten, in Verkennung der Tatsache, dass es sich um eine Versammlung sozialistischer, wenn auch nationaler Gewerkschafter handelt, bei der ich ganz tolle Phrasen in gebrochenem Englisch dreschen würde und dann zum Zeichen der Solidarität das Forza-Roma-Feuerzeug in die Luft hielte und es entzünde. Zuerst hätte man mich noch beklatscht, doch am Ende wohl eher gelyncht (obwohl die Sarden wirklich kaum Englisch können).

Die kurze Rede habe ich mir noch am Platz aufgeschrieben, und Sie ging so:

Ich trete, nach einer kurzen, einleitenden Ansprache des Genossen Vorsitzenden, auf die Bühne, das Mikrofon pfeift, während ich die Höhe verstelle - nach oben, versteht sich. Verhaltener Applaus, dann Totenstille. Ich spreche ein deutlich teutonisch klingendes Englisch, mit rollendem R und dem bekannten Tonfall, der das englische Wort "eyes" wie "ice" klingen lässt. 
Dear Compagnas, dear Compagnos,
I'm happy to have the chance to talk to my Italian friends. We're all friends, Krauts and you guys, I'd like to call  you Spaghettifresser, if it is okay.
But let us look into a future, were all of european streets will be painted in black, red and golden colours. I have a dream: All houses will be owned by the tennants and the schools of all countries will teach free love. Everyone should have children with each others, and it should be our duty to practice homosexual love.
We're really brothers in arms, if this is the right term. I mean the extremities of our bodies. Not the brothers, the arms, you know?
Anyhow: Our police should give out money all the time for we are not tempted to steal some. That's real crime prevention, dear compagnas and compagnos.
I want to stop talking now by demanding you on this: Let's all practice hardcore sex right on this place. El viva socialiste, el viva fasciste! Stay connected. Thank you very much!
Ich trete vom Mikrofon, fordere die ZuhörerInnen mit einem Griff an die Genitalien und einem provokanten Hüftschwung noch einmal zur sofortigen, freien Liebe auf. Erstes Hüsteln ist hörbar. Gemurmel und kleiner Unterhaltungen. Plötzlich ein Ruf auf italienisch. Klingt aggressiv. Anschwellende Empörung. Ein Pulk Menschen rückt auf zur Bühne. Ich bin wohl zu weit gegangen.
 
Aber am Ende ist es doch nicht die nationalistische Brandrede geworden wie eigentlich geplant. Macht aber nichts, und am Ende war ich froh, die Rede doch nicht gehalten zu haben. Manchmal hat Feigheit ja auch was Gutes! Fragt mich nicht, warum ich auf sowas komme...