Montag, 25. Februar 2008

Odysseus' Jahre auf Gozo! Der frugale Kulturbeutel!

Da ich, warum auch immer, stets davon ausgehe, dass man in den Städten fremder Länder ja wohl kaum Hygieneartikel kaufen kann, pflege ich seit Jahren den Habitus, einen vollständig bepackten Kulturbeutel im Hause zu haben, so dass man diesen nur mitzunehmen bräuchte, wollte man denn verreisen. Den benutze ich allerdings auch für Trips nach Berlin oder Sojndersputzenhausen. Denn wie man ganz allgemein weiss, gibt es auch in Inner'tschland keine Putz- und Kratzsachen zu kaufen.

Meine liebe Frau C. findet dies sehr lustig, und als ich ihr zu ausgelassener Stunde mitteilte, dass ich früher sogar dazu neigte, spezielle und komfortable Reiseunterwäsche im eigens dafür geparkten Koffer gelagert zu haben, fiel sie vor lauter Lachen beinahe von ihrem Stuhl. Ich betrachte meine liebe Frau C. alias BionicWoman daher als genesen, wenn auch hie und da ein kleiner Schmerz sie piesackt.

Das war schon in unserem Hotelzimmer auf Malta in der touristisch etwas verhunzten Stadt Sliema. Das Wasser war gerade so spärlich aus dem Hahn getropft, dass man nicht hatte duschen können. Schuld waren wie immer die vielen alten Leute in unserem Hotel, die wie man weiss, alle immer zur gleichen Zeit aufstehen und duschen müssen. Sie müssen, so vermuten wir, pünktlich zum Gerontologischen Kongress erscheinen.

Auf Malta ist das Wasser knapp, laut einer Internetenzyklopädie gilt die Insel sogar als wasserärmstes Land auf der ganzen weiten Welt. Was ich aber irgendwie nicht glauben möchte, man denke nur an die Anrainerstaaten der Sahara. Trotzdem muss die Hauptinsel Malta Trinkwasser importieren, um allen Einwohnern und Gästen einen unbeschwerten Badespass zu gönnen. Und damit niemand verdursten muss.

Die Gozitaner auf Gozo zu Malta haben es da etwas besser. Die lehmige Erde dort eignet sich hervorragend zur Speicherung von Wasservorkommnissen. Es gibt sogar einige Brunnen, die man auf Malta vergeblich sucht. Überall grünt und wuchert es. So stellt man sich Irland vor, wenn man noch nie dort gewesen ist.

Der Boden glitscht, wenn man sein Schuhwerk fest in ihn gräbt. In Xhara gibt es innerstädtisch sogar ein paar Tropfsteinhöhlen, die man beim Brunnenbau entdeckte. Heute lassen die Hausbesitzer liebe Touristen gegen Bares zuerst in das Haus hinein, dann eine enge Treppe hinunter gehen, und dann kann man die feuchte Wunderwelt betrachten. Ganz bezaubernd, das!

Betritt man die kleine Insel Gozo zum ersten Mal, fallen einem sofort die hübschen, hellbeigen Häuser auf. Sie sind allesamt gebaut aus geschnittenem Lehmgestein, was sich farblich sehr gut zur Vegetation ausmacht. Auch der Baustil ist ganz wunderbar, arabeskes vermischt sich mit britishness, und es gibt dort keine einzige Bausünde. Apropos: Warum muss ich jetzt wieder an Mannheim denken?

Tatsächlich ist es auf Gozo sehr felsig. Springt man auf den Felsen herum, scheint es so als hüpfe man auf einer Schulsportmatte, so weich sind die. Wirft man einen Stein gegen die teilweise riesigen Brocken, dann klackert es nicht, sondern es pockt nur dumpf. Gozo ist, akustisch gesehen, die in Watte eingepackte Insel, der Opiumrausch unter der Tauchglocke, der Wadenwickel im Fieberwahn. Man muss nur aufpassen, dass man nicht allzu nahe am Inselrand herumspringt, sonst evoziert man eventuell einen Erdrutsch und reitet auf der Scholle in das tosende Mittelmeer.

Gozo ist also wie ein Schwamm mit Wasser vollgesogen, und daher recht fruchtbar. Man pflanzt dort ganzjährig allerlei Obst an, und Schafherden mähen das üppige Gras, um hinterher wundervoll hinter der Fleischertheke drapiert zu werden. Einst war Gozo sogar so etwas wie die Kornkammer Maltas, doch mittlerweile werden Lebensmittel aus Sizilien bestellt. Man ist dort etwas preiswerter.

Die Gozitaner sind nicht verbittert und pflanzen dennoch wohlschmeckende Orangen und Zitronen. Bei offensichtlichem Obstdiebstahl setzen sie ein gütiges Lächeln auf und geben dem Dieb einen Plastikbeutel, damit die Frucht am Baum nicht verschimmeln muss und sie ihr Ende im Verdauungstrakt des Menschen finden kann.

Auch Odysseus wusste einst die Freundlichkeit der Gozitaner zu schätzen. Er ließ sich dort von der schönen Nymphe Calypso aushalten, zappelte sozusagen an ihrem Mösenhaken und hing an ihren Kochtöpfen wie das Jungtier an den Zitzen seiner Mutter. Er benötigte immerhin sieben Jahre seines Lebens, um sich wieder seiner lieben Frau P. zu erinnern und sich nach ihr zu sehnen. Das verflixte siebente Jahr eben.

Die Calypso- Cave auf Gozo kann heute sogar kostenlos besichtigt werden, doch ist diese mit der Zeit ganz schön heruntergekommen und kaum mehr bewohnbar. Da gäbe es aber ganz schön was zu sagen in der Miteigentümerversammlung zu Gozo!

Freitag, 22. Februar 2008

Senile Bettflucht! Von Malta nach Mannheim und dann weiter?

Nach zwei Wochen unfreiwillig verlängertem Aufenthalt im Ausland sehnt man sich fast wieder zurück nach Mannheim/ 'tschland. Ab in die eigene Wohnung, die Mediathek durchwühlen und vernünftige Musik hören, sich auf's Sofa lümmeln und endlich wieder selber kochen, Brauchtum pflegen und so weiter.

Sobald man aber in Frankfurt gelandet ist und die verkniffenen Gesichter der Leute betrachtet, sehnt man sich schon wieder zurück. So kann es gehen, und der Zauber der Heimat verpufft. Der Alltag ruft und die existenzialistische Verausgabung der letzten Tage ist beinahe vergessen. BionicWoman alias meine liebe Frau C. hatte schon auf Malta genug von den Alten.

In der Klinik dort waren sie allgegenwärtig, und später im Hotel fanden sie sich ebenfalls ein, zum gerontologischen Kongress. Das Durchschnittsalter im Flugzeug war so um die 70, und Mannheim ist ja auch nicht gerade ein Hort der Jugend. In den hiesigen Krankenhäusern regiert das Alter immerdar, der vierstündige, gestrige Besuch war glücklicherweise der letzte vorerst. Meine liebe Frau C. genest allmählich.

Auf dem neuen alten Messplatz schwelte ein Müllkübel, die Feuerwehr kam mit dem Leiterwagen und löschte höchstselbst. Hier wird geklotzt und nicht gekleckert. Ein Glas Wasser hätte es aber auch getan.

Unsere Nachbarn erfreuen sich mittlerweile gleich zweier Kinder, doch man fragt sich wieso. Schliesslich kommen sie kaum mit dem "alten" Gör zurecht, es schreit Tag und Nacht ganz erbärmlich, und handelte es sich bei den Eltern nicht irgendwie um akademisch verhunzte Gestalten, riefe man das Jugendamt zu Hilfe. Dafür aber darf sich nun das ganze Haus nach der jungen Familie richten.

Plötzlich gibt es sowas wie eine Mittagsruhe, in der man sämtliche Aktivitäten bitte einzustellen hat. Sofort! Es sei zu laut, die Kinder könnten keinen Mittagsschlaf halten. Mir persönlich ist es allerdings lieber, die Kinder schliefen nachts, und so ändere ich meine Gewohnheiten nicht. Die Einzigen, die hier im Haus wirklich mit Lautstärke zur Sache gehen, sind: Jawohl, die vierköpfige Familie. Aber deswegen hänge ich noch lange kein erzkonservatives Pamphlet an die Haustür.

Es passiert schliesslich auch mal etwas in einem Haus in einer Stadt, und das nennt sich das ganz normale Leben. Da wird gelärmt, getalkt, gesaugt und herumgelaufen, was das Zeug hält. Und auf der Straße vor dem Haus, da ist's nicht viel besser. Und dann ist da noch die Natur, die keine Rücksicht kennt. Noch nicht einmal auf dem Land gibt es sie, die absolute Ruhe. Immer ist irgend etwas. Wo ist Frau von der Leyen, wenn man sie wirklich mal braucht?

Die allgemeine Mittagsruhe ist etwas, dass die Nazis erfunden haben könnten. In sehr heißen Ländern macht sie vielleicht Sinn, schliesslich kann man sich da kaum bewegen in der Mittagshitze, und ruht deswegen besser. Dafür wird nachts gefeiert. Man ruft die Polizei nur, wenn man sie zum Umtrunk einladen möchte. In Deutschland allerdings gibt es noch dazu die Nachtruhe, und so soll der gesamte Spass am Leben flöten gehen für die paar Wichtel, die noch Arbeit haben und sich den Luxus leisten können, Kinder zu erziehen.

Man wolle die Kinder eben nachmittags schlafen machen, damit man selber ein wenig Ruhe und Zeit für sich selbst habe. Ich aber frage: Wozu denn überhaupt Kinder, wenn man gerne mal seine Ruhe hat? Ist es da nicht geradezu kontraproduktiv, gleich zwei von der Sorte in die Welt zu setzen? Aber bitte, so ist er, der Mensch: Kaum zieht er seine Brut auf, wird er zum gesetzestreuen Spiesser und vermasselt seinem Umfeld jeden Spass. Kann man den Wunsch also verstehen, so schnell wie möglich wieder wegzutauchen?

Gestern Abend gab Arte den netten Film "Sommer vorm Balkon". Er spielt in Berlin, und ich erkannte die Schönheit der Stadt wieder, auch die Tristesse, und ebenso die als Melancholie getarnte Traurigkeit. Sofort packte mich das Heimweh wie einen senilen, bettflüchtigen Senioren, der sich im Morgengrauen, im Schlafanzug zwar, doch mit gepacktem Koffer, auf den Weg in den Ort seiner garantiert glücklichen Kindheit macht. Doch leider verläuft er sich ganz arg und muss mit Spürhunden und Hubschraubern gesucht werden. Das Leben, es ist kein leichtes.

Freitag, 15. Februar 2008

L-ikla t-tajba! Enjoy your meal!

Waere die gelernte Soziologin BionicWoman nicht im Krankenhaus, sie haette ihre wahre Freude an den Maltesern. Denn was der pfaelzische Ort Hassloch fuer die gesamtdeutsche Marktforschung bedeutet, koennte Malta fuer Europa sein.

Auf kleinstem Raum begegnen sich alle moeglichen Berufs- und Einkommensgruppen, und normalere Menschen als den Malteser gibt es nicht: Er pflegt einen grauenhaften Fahrstil, trinkt gutes Bier (Cisk!), liebt den Mammon, den schnoeden, hat es staendig irgendwie eilig, steht aber trotzdem ueberall im Weg herum, draengelt sich ueberall vor und poebelt dauernd herum. Der typisch kapitalistisch beschleunigte Europaeer, wuerde ich sagen!

Der gemeine Malteser lebt noch in der Grossfamilie, der Nachwuchs allerdings entscheidet sich fuer die postfordistische Kleinsteinheit. Es gibt die Flodder- Familie genauso wie den Clan um den erfolgreichen Unternehmer, der in seiner Fettheit an die Oberschicht der deutschen Ludwig- Erhardt- Aera erinnert, weniger an den asketischen Erfolgstyp neuerer Praegung. Insofern vereinigt Malta Altertum und Moderne.

Der Wohlstand der Malteser wird von den Alten gehalten und parcelliert an den Nachwuchs weitergegeben, ein Wachstum ist unwahrscheinlich. Denn Malta hat keinerlei Ressourcen, das bisschen Industrie im Sueden festigt lediglich die Spaltung der Bevoelkerung in Diensteister und Proletarier. Selbst Trinkwasser muss nach Malta importiert werden, der Tourismus indes wird bald seine Grenzen aufzeigen. Aufgrund der stetigen Hotelisierung der Insel wird man feststellen muessen, dass man Hotels und Kirchen nicht essen kann!

Angeblich gibt es 365 Kirchen auf Malta und der Nebeninsel Gozo, fuer jeden Tag eine, und der Malteser gibt sich sehr katholisch. Er lebt den Marienkult. Kaum ein Ort, an dem keine Skultpur oder Zeichnung vorhanden ist, die von weiss-gott-wem geschwaengerte und doch jungfraeulich gebliebene erfreut sich hoechster Beliebtheit. In Victoria auf Gozo gibt es auch eine Statue des Maria- hoerigen Ex- Papstes und now- Toten Johannes Paul dem II., der hier auf den Namen St. Gwann Palo II. hoert.

Also bietet Malta alles, was Resteuropa ausmacht. Man pflegt sogar eine eigene Sprache, eine Mischung aus Arabisch und Italienisch. Weltweit ca. 1 Mio. Menschen lernen sie und sprechen so. Ausserdem gibt es sozusagen als Zweitsprache das sog. Manglish (Maltesisch und Englisch), ein Relikt der britischen Kolonien auf und zu Malta. Auch das Essen auf Malta erinnert in seiner Lieblosig- und Schlabbrigkeit etwas an das British Empire. Und die gaengige Abartigkeit in seiner hospitalbedingten Besonderheit macht insbesondere BionicWoman zu schaffen, die ja kulinarisch immer schon etwas waehlerisch war.

Das Essen ist zwar schlecht, doch mein Alltagsreport erfreut sie sehr. Und schon stellt sie sich die Frage, ob Malta denn als gesamteuropaeisches, soziologisches Mittel zur Markt- und Sozialforschung erprobt ist, und falls nicht, ob BionicWoman ihre Doktorarbeit genau ueber dieses Thema schreiben soll, unter ihrem richtigen Namen selbstverstaendlich. Und zu pruefen waere, ob es ein Euro- Stipendium dafuer gaebe. Aber erst einmal soll sie genesen. Morgen kommt sie aus dem Hospital frei und ist fuer das Leben und die Soziologie wieder zustaendig.

Mittwoch, 13. Februar 2008

BionicWoman und FarmerBoy sagen: It-tipjip joctol!

Bionic Woman, formerly known as meine liebe Frau C., muss wohl das Rauchen von teer- und nikotinhaltigen Konsumguetern aufgeben. Der zukuenftigen Gesundheit wegen. Ein guter Anlass, bei Zeiten selber damit aufzuhoeren. Ich bin ja sowieso nur Gesellschaftsraucher und mein Beduerfniss nach einer Zigarette sinkt proportional mit der Anzahl der RaucherInnen im Umfeld. Glaube ich zumindest.

Und das, wo Pfaelzer Wirte doch gerade erfolgreich ein Rauchverbot in Eckkneipen verhindert haben. Bionic Woman und FarmerBoy gehen jedoch aus irgendeinem Prinzip nicht in Eckkneipen, und auch erst recht nicht ins feindliche Bundesland links vom Rhein.

In Malta wird der Nichtraucherschutz schon seit letztem Sommer recht strikt durchgesetzt. Es faellt aber kaum schwer, die Fluppe mit nach draussen zu nehmen, da die Temperaturen auch im Februar moderat sind und hier auch kaum Gedoens um Heizpilze gemacht wird. Jedenfalls kann man hier ohne Frust und Frost seine Lieblingssubstanz im Freien inhalieren, und der Wirt freut sich.

Die toedliche Dosis Lungengift bekommt man aber auch wie in `tschland gratis dazu, hier in Form von verkehrsbedingtem Diesel- Feinstaub. Die Menschen werden zwar vor Lungenkrebs erzeugenden RaucherInnen bewahrt, dem Krebs selber ist es jedoch egal, wovon er gedeiht und wuchert. Wenn halt nicht durch Nikotinausstoss, dann eben durch Feinstaub im Verkehr und Buero. Der macht es sich aber auch leicht, der Lungenkrebs. Die Sau, wenn ich das mal so formulieren darf. Warum verbietet man nicht einfach den Lungenkrebs, moechte man da fragen?

Jedenfalls stelle ich es mir doppelt grausam vor, daran zu sterben ohne jemals an einer Zigarette gezogen zu haben. Der ganze Verzicht, so ganz umsonst? Aber darum soll es hier ja gar nicht gehen. Denn mit etwas Glueck wird Bionic Woman am Freitag aus dem Hospital entlassen, und da sie sich vor dem Hinflug noch etwas erholen soll, werden wir beide ihrem Zustand entsprechend die Sau rauslassen. Irgendwie bin ich es auch leid, dauernd alleine auszugehen und die lustigsten Preise zu zahlen, ohne darueber laestern zu koennen.

Malta hat den Euro naemlich ganz frisch bekommen, und da der Handel und die Gastronomie versprochen haben, fair zu bleiben (anders als in `tschland, wo die Preise vor der Umstellung klammheimlich angehoben wurden), wurde zunaechst auch nichts verteuert. So bezahlt man fuer eine Busfahrt laeppische 47ct (davon eine Scheibe abschneiden bitte: Infrastruktur darf nicht teuer sein, sie ist eine Dienstleistung des Staates an seine BuergerInnen).

Ein Orangensaft oder ein Kaffee (auch besser als in Mannheim) kostet 1,17 Euro, und einen gekochten Hasen nach Malteser Art bekommt man fuer 9,41 Euro. Doch ab Maerz duerfen die Preise auf ein weniger seltsames Niveau geschraubt werden. Die Malteser tun sich jedoch sehr schwer mit ihrer neuen Waehrung, ein Euro kostet schliesslich 2,33 Maltesische Lira. Das ist schwer umzurechnen. Und die meisten Laeden haben noch gar nicht umgestellt. Ich behelfe mir damit, den Warenpreis zunaechst zu verdoppeln und dann einen kleineren Phantasiebetrag draufzuschlagen. Das geht meistens auf.

Als alter Euro- Hase muss ich den Maltesen oft auf die Spruenge helfen und ihnen die irgendwie alle gleich grossen Muenzen erklaeren. Auch bin ich wesentlich fixe im Umrechnen. Protz! Und heute habe ich meinem Stammwirt in Griza gezeigt, wie man ein ordentliches Hefeweizen einschenkt. Das ist naemlich auch neu hier, und es will gepflegt sein. Alles wird gut!

Dienstag, 12. Februar 2008

Lost in Malta! Rosenkranz und Mutter Gottes!

Ein Hoch dem maltesischem Gesundheitsapparat! Vorbildliche Krankenhaeuser, gepflegtes und freundliches Personal und hoffentlich enormes Fachwissen zeichnen es aus. Ich darf das sagen, da ich bzw. meine liebe Frau C. Nutzniesser desselben sind.

Am Abreisetag bekam C. leider unglaubliche Schmerzen, so dass sie nun auf der CCCU im maltesischen Mater Dei liegt, wo sie nicht nur gut versorgt wird, sondern auch taeglich ein Pope oder eine Schwester zum Beten kommt. Was meine liebe Frau C. schwer nervt, da sie ueberzeugte Atheistin ist. Sie verabscheut den organisierten Glauben gar, und damit tut sie recht.

Aber was will man erwarten in einem Hospital, dass sich "Mutter Gottes" nennt? Ueberhaupt sind die Malteser (Malteken?) sehr glaeubig im katholischen Sinne, die Aufnahme in die EU erfolgte vor 2 Jahren trotz dem absoluten Abtreibungsverbot, dass wohl die beiden Bischoefe (einer fuer die Insel Gozo und einer fuer Zentralmalta) durchgesetzt haben. Ganz saekulaer geht es auf Malta also nicht zu.

Man gibt sich offen fuer andere Religionen. Im Krankenhaus koennen Muslime, Bhaghwani und Hare- Krishnas, orthodoxe Juden und Christen seelischen Beistand anfordern, und ich habe sogar noch einige vergessen. Ich weiss nur, dass die Church of Scientology nicht vertreten ist. Wenn man sich aber nicht vorsichtshalber einbalsamieren lassen und auch keinen Rosenkranz gebetet bekommen moechte, trifft man auf Unverstaendnis. Es ist also fast alles wie in Mannheim auch, und eine gewisse Bigotterie schwebt im Raum. Seltsam das!

Nachdem meine liebe Frau C. endlich ihren Helikopter- Flug bekam, den sie sich schon so lange wuenschte, sah es sehr kritisch aus. Ihre zuvor diagnostizierte Bronchitis stellte sich als etwas Ernsteres dar. Ich moechte hier nicht ins Detail gehen, es kann aber sein, dass ich demnaechst eine elektrische Frau habe, und das ist doch auch was.

Meine linkische Schreibe kommt womoeglich etwas kaltherzig herueber bei den geneigten LeserInnen, doch ist dies lediglich einem energischen Aufatmen zu verdanken. Und einem klinischen Optimismus, der mitreisen soll, vor allem meine liebe Frau C. Sie kann sich immerhin schon ueber andere lustig machen, auch wenn das Lachen noch sehr schmerzt.

So werden die maltesischen PatientInnen von Horden Verwandter besucht, die selbstgekochtes mitbringen, was garantiert nicht gesund ist: Fettes Huehnchen, Lasagne, Pizza (jawohl, die Lieblingsspeise hier), und Pastizzes. Dann gibt es ein grosses Bohei und der Laermpegel steigt auf Startbahn- West- Level. Des Nachts, so sagt C., wird geroechelt und gehustet, dass es eine Freude ist. Meine liebe Frau C., soviel sei gesagt, drueckt den Altersdurchschnitt auf ihrer Station um Einiges. Ich bin sehr stolz auf sie. Wieder mal!

Und jetzt, wo sich alles entspannt hat, werde ich hier noch einiges ueber Malta posten, so dass mein unfreiwillig verlaengerter Aufenthalt hier nicht ganz ueberschattet wird von draeuendem
Unbill.

Freitag, 1. Februar 2008

Vorbei-Walking am Karneval! Republikflucht statt Narretei!

Als ich in Berlin lebte, war Fasnacht praktisch nicht sichtbar. Es konnte einem zwar passieren, dass ein bis zwei Wägelchen den lieben Weg kreuzten, um dort karnevalistischen Umzug zu halten, aber in der Regel wurde dies nüchtern goutiert: Der Berliner stand stoisch mit verschränkten Armen und eisigem Blick spalier, während die rheinischen Jecken lustig waren und mit Bonbons um sich warfen. Man behauptet heute noch, dass man von diesem Gedöns überhaupt nichts wusste, bevor die "Bonner" nach Berlin zogen und das Leben in der Stadt damit verteuerten.

Insgesamt ist es ja auch eher fragwürdig, dass Menschen, die ihren Alltag damit verbringen, sich gegenseitig zu betrügen, zu verklagen und aufeinander herumzuhacken, in der närrischen Zeit ihre gesamte Spiessigkeit angeblich über Bord werfen und die "Herrschaftsverhältnisse" für kurze Zeit umdrehen wollen. Denn das ist ja der eigentliche Zweck des Karnevals.

Früheren Herrschern war sehr wohl bewusst, dass ein geknechtetes Volk ein Ventil zum Druckabbau braucht. Man nahm also ein ehedem heidnisches Ritual auf und gestattete den Leuten allerlei Narreteien. Sie sollten sich berauschen und laben an den drei Tagen ihrer Macht, bis die Kirche sich wieder einmal einmischen durfte und dem Ausnahmezustand den Garaus (Kehraus) machte am heiligen Tag der Asche, dem Aschermittwoch. Damit war der Spass wieder vorbei, und der Zehnte wurde bald fällig.

Die stumpf vor sich hin lebende Masse Mensch hat heute mehrere solcher Ausnahmezustände, doch wo einst für ein paar Tage tatsächliche Regimekritik geäussert wurde, sind es heute pseudopolitische Veranstaltungen wie der Umzug am Rosenmontag, an denen besonders lustige Menschen besonders lustige Wagen durch die Straßen karren. Oder anderntags, in der sogenannte Hexennacht Toilettenpapier um KFZ wickeln. Oder sich bei der Betriebsfeier nackig auf den Kopierer setzen, um Genitalienquiz zu spielen.

Kein Anlass ist dämlich genug, um der Tristesse des Alltags zu entkommen. Bei einigen tut es auch eine Fußball(welt)meisterschaft, um ihr Abstandsbedürfnis vom Alltag zu zelebrieren. Oder, seit ein paar Jahren: Halloween! Ich glaube kein Mensch hierzulande kapiert, worum es dabei eigentlich geht. Ist aber egal, man kann sich wunderbar verkleiden und endlich mal jemand anderes sein.

Es ist das Aufbegehren des ohnmächtigen Menschen, des eigentlichen Gefangenen, den ein paar Tage Freigang vor dem Selbstmord bewahren. Ich bin sicher, dass diese lustigen NärrInnen und Narren gar nicht so lustig sind, wenn man ihnen irgendwas vor der Nase wegschnappt, sei es die Vorfahrt oder auch das letzte Brötchen.

Glücklicherweise wurde der sogenannte Altweiberfasching gestern ausschließlich IN den gängigen Kneipenformaten gefeiert, so dass meine Bestürztheit einer milden Mitleidsbekundung wich. Ungelogen aber ist, dass der Fasnachtshit dieses Jahr "Olè Olè Olè" oder so ähnlich ist. Etwas anderes ergab sich bei den Stichproben durch zufälliges "Vorbei-Walking" nicht.

Man kann ahnen, dass ich selbst nicht viel von derlei Beschäftigung halte und mich die hiesige Begeisterung eher nachdenklich stimmt. Für die Tage des närrischen Treibens verübe ich deshalb mit meiner lieben Frau C. Republikflucht. Die kleine Insel Gozo zu Malta muss dafür herhalten. Sie ist ca. 6km lang und 3km breit und hatte einmal einen Bürgermeister, der die Wahl mit dem Versprechen gewann, dass er überall auf der Insel Jukeboxen aufstellen wollte. Er wurde wieder abgesetzt, nachdem ihm das nicht gelanng. Närrisch sein im Alltag ist so viel interessanter!

Kleiner TV, großer Bettel! Supersize me!

Die Inflation, sie ist längst da! Das ist so gewollt, man hat es eben gerne größer und immer größer. In den Medien spricht man vom "immer mehr..." der Arbeitslosen, der Staatsverschuldung, der kriminellen Jugendlichen usw. und so fort. Mir gefiele es "immer mehr", spräche man vom "immer weniger", man sich also eher im Dienste einer Deflation begriffen sähe.

"Immer mehr" Dicke gäbe es in 'tschland, und dies sei überwiegend ein Problem bildungsferner Schichten. So heißt es jedenfalls. Mir gefällt der Gedanke, weil dadurch auch "immer mehr" PolitikerInnen der Bildungsferne bezichtigt werden können. Ein Großteil der Mannheimer Männer allerding auch. Und auf bedenkliche Weise gleiche ich mich an. Längst habe ich dem BMI abgeschworen und rechne wieder auf alte Weise, denn da komme ich viel besser weg: Körpergewicht ist gleich Körpergröße minus 100cm. Ich finde den Gedanken jedoch beunruhigend, dass mein Bildungsstand abhängig ist von der Art, wie ich mein Gewicht berechne.

Die Unzufriedenheit mit sich selbst und den Umständen, in denen man sich befindet, ist ein Relikt aus der Entstehungszeit der Menschheit. Das ständige Streben nach Verbesserung der persönlichen und der sippenhaften Lage sei der Motor der Zivilisation gewesen, so wird gemunkelt. Hatte Zomba, der hünenhafte Wurzelflechter, nur 3 Mammutkeulen, so eiferte er dem zottigen Ulagh nach, der derer 4 hatte. Da er dafür aber nichts jagen wollte, klaute er es dem nächsten Deppen, der ihm über den Weg lief.

Irgendwann hatte jeder mehr Mammutkeulen, als er essen konnte. Dumm nur, dass die Mammuts darüber ausgestorben waren, und die Keulen damit wertlos wurden in dem Maße wie sie verdarben. Wenig später erfand man Geld, aber besser geworden ist deswegen nichts. Die Menschheit, sie ist noch ganz am Anfang, so könnte man meinen. Alles wird teurer, und man bekommt noch dazu weniger dafür.

Selbst die Obdachlosen und die meist jugendlichen Schnorrer geben sich nicht mehr mit 50cent zufrieden, sondern fragen gleich nach 2 bis 3 Euro. Dies liegt nur etwas unterhalb des Stundenlohns einer Backwarenverkäuferin und ist auf die Stunde gerechnet einträglicher als die Beschäftigung bei einem die ArbeitnehmerInnen ausbeutenden Unternehmungen. Aber wer hat schon 2 bis 3 Euro übrig für Schnorrer, wenn doch alles so inflationär teuer geworden ist?

Die Backwarenverkäuferin in Ludwigshafen befindet, dass ihr billigere Brötchen angesichts ihres lausigen Lohns auch lieber wären. Während Familie G. in ihrer Bonzenvilla säße, müsste sie nämlich Tag und Nacht schuften, nur um einigermaßen über die Runden zu kommen. Ich hatte lediglich die kreative Preisgestaltung verhöhnt, weil man neuerdings gerne Backwaren für beispielsweise 57cent verkauft. Dies solle dem Kunden wohl suggerieren, hier würde knallhart ihm zugunsten kalkuliert, so dass Familie G. oder Herr K. beinahe aus ihren Villen ausziehen müsste?

Es geht aber auch anders: Auf dem Weg ins Kino trafen meine liebe Frau C. und ich auf einen offenbar türkischstämmigen Mann, der uns auf offener Straße einen Kleinbild- TV verkaufen wollte. So ein Gerät besitzen wir aber selber, interessiert hätte uns also eher "ein- vom- LKW- gefallener- Plasma- Flachbild- TV- Gerät", oder wie die Dinger heutzutage heißen. Mit steigendem Alter verliert sich der Überblick über technische Errungenschaften in ebensolchen Maße, wie das Bedürfnis nach ebenjener Technik steigt.

Anders ausgedrückt: "Immer mehr" älter werdende Menschen stehen in sogenannten Medienkaufhäusern vor immer weniger motivierten und damit nur sogenannten Fachverkäufern und wollen Dinge erstehen, von denen sie den genauen Namen nicht kennen. Ungeduldig hört man dem Kunden zu, widerwillig grenzt man den Kundenwunsch ein.

So geschehen, als ich vor einigen Jahren eine "DSL- Box" erstehen wollte und einen der motivationstrainierten Angestellten danach fragte. Man hätte keine Ahnung, was ich denn meine, erklärte der sichtlich angewidert. Nach einiger Zeit stöhnte der Fachverkäufer auf: "Ach, Sie meinen ein DSL- Modem? Oder etwa einen DSL- Router?" Damit hatte ich nicht gerechnet. Da ich mich nicht mehr getraute zu erfragen, welche Bewandtnis es mit dem einen oder anderen Geräts hat, zog ich voller Scham von dannen.

Bei den Frisören ist es übrigens ähnlich: Wenn ich mich mit deren Fachjargon auskennen würde, so könnte ich ja meinen Wunsch auch genauestens benennen und wäre dann aber wohl in der Lage, mich selber zu frisieren, bräuchte also gar keinen Frisör mehr. Dem ist aber nicht so, deswegen lasse ich mir die Haare von meiner lieben Frau C. schneiden. Ich schäme mich zu sehr über meinen Mangel an fremdberuflichem Fachsprech. "Immer weniger" Frisöre profitieren wegen ihrer offensichtlichen Arroganz von meiner Haarpracht, die sich übrigens ganz wunderbar frisieren lässt.

Dies hat aber zur Folge, dass "immer weniger" Frisöre ausreichend Geld verdienen. Sie bezahlen ihrem Personal deswegen Hungerlöhne. Im Gegenzug werden die Preise erhöht, damit "immer weniger" KundInnen das gleiche Einkommen einbringen. Leute wie ich sind Schuld, dass die Wirtschaft den Bach heruntergeht. Soll sie doch...