Sonntag, 7. Februar 2010

Intoleranz ist die neue Toleranz! Toleranz ist doof!

Mein Glaube an mich selbst ist einigermaßen stark. Wenn mich jemand z.B. ein hirnloses Arschloch nennt, kann ich das gut wegstecken: Was weiß Betreffender denn schon über mich, um sich ein endgültiges Urteil erlauben zu können? Seine Meinung kratzt mich nicht. Ich bin nämlich ganz und gar nicht hirnlos, und wann ich ein Arschloch sein möchte, entscheide ich von Fall zu Fall selbst. Ich bin manchmal gerne ein Arschloch. Meistens aber bin ich sehr freundlich und zuvorkommend.

Wenn also der Glaube an sich selbst weitgehend unerschütterlich ist, warum glauben Menschen, die Beleidigung eines Anderen müsse funktionieren, um sie in Rage zu bringen? Wenn meine Mutter laut Fremdbehauptung tatsächlich eine Hure ist, dann habe ich längst gelernt damit umzugehen, und wenn sie keine ist, dann muss mich die Verbreitung einer Unrichtigkeit ja nicht kümmern. Es kommt allerdings die Wahrscheinlichkeit ins Spiel, dass nur wenige Menschen wirklich an sich glauben, denn provokative Äußerungen treffen auf provozierte Menschen.

Gut, wenn der Glauben an sich selbst nicht so ausgeprägt ist, um cool und locker mit Fremdbestimmungen umzugehen, dann hilft vielleicht wenigstens der Glaube an einen Gott. Dann hilft vielleicht ein möglicherweise erfundenes Wesen weiter, den Zorn und die ungebändigte Dummheit im Zaum zu halten? Nun: Wenn dem so wäre, dann gäbe es den Tatbestand der Verunglimpfung einer Religion gar nicht! Denn wie könnte ein gläubiger Mensch sich von einem Un- oder Andersgläubigen irritieren lassen, wenn er selbst die wirkliche "Wahrheit" ja kennt oder zu kennen glaubt?

In den derzeitigen Debatten über die Religionen bekommt man leicht den Eindruck, die Debattierenden müssten sich ihrer selbst vergewissern, indem sie anderen mangelnde Toleranz ihrer Religion gegenüber unterstellen, nur weil sie es wagen, diese zu kritisieren. Karikaturisten werden verfolgt, Religionskritiker bedroht, angegriffen bzw. ermordet. Man stellt irritiert fest, dass die Meinungsfreiheit der Religionsfreiheit offenbar untergeordnet ist. Das ist so aber nicht richtig, sie müssten wenigstens gleichrangig verhandelt werden.

Im Deutschen Grundgesetz (Art. 4) ist das folgendermaßen geregelt:
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. 
(2) [...]
Frei übersetzt steht es also jedermann frei, ob er sich religiös betätigen möchte oder nicht und darüber zu denken, was er möchte. Um sagen zu dürfen, was er möchte, gibt es den Artikel 5 des Grundgesetzes, die Meinungsfreiheit: 
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.[...] 
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) [...] 
Nun ja, wessen persönliche Ehre greife ich denn nun an, wenn ich Interpretationen der Bibel und Auslegungen des Korans anzweifele? Wer darf es mir übelnehmen, wenn ich die religiös motivierte Diskriminierung von Frauen anspreche oder wenn ich es wage, einen satirischen Seitenhieb auf eine Religion auszuüben. Damit sind auch die Christen gemeint, die ja ihrerseits schon empfindlich waren, als in den 70ern der vergleichsweise harmlose "Monty Python's Life of Brian" in die Kinos kam.

Und ist es nun eher ein Zeichen von Intoleranz, einer Gesellschaft den eigenen religiösen Stempel aufdrücken zu wollen, oder sich konstruktiv an der Aufspürung und Auflösung von Widersprüchen zu beteiligen? Um es am Beispiel des vieldiskutierten muslimischen Kopftuchgebots zu erläutern: Ist die Frau durch das Kopftuch tatsächlich vor dem Blick des Mannes geschützt? Oder reicht es aus, es so wie es die nicht kopftuchtragenden Frauen zu tun: Einfach genervt mit den Augen rollen, und schon isser weg, der Männerblick! So geht es nämlich auch: Ganz ohne Religion die Natur mit den Mitteln der Tradition ausbremsen.

Darüber muss man nicht, darüber darf man diskutieren! Wie so ziemlich über alles, was Religion und Gesellschaft betrifft. Aber was macht den Christen zum wahren Christen, und was macht den Muslim zum rechten Muslim? Und wie verhält er sich im Wandel der Zeit? Darüber sollte gestritten werden! Er darf gerne seinen Glauben verteidigen. Aber Verteidigung bedeutet nicht, anderen das Recht auf Meinungsfreiheit abzusprechen. Verteidigung meint vielmehr, das Recht zu behalten, seine Religion auszuüben. Es meint nicht, anderen vorzuschreiben, wie sie damit umzugehen haben. Ach, die Welt, sie macht beinahe keinen Spaß mehr!

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