Sonntag, 30. November 2008

Ein Besinnungsaufsatz! Dass das Grau das Schwarz der Menschen sei!

Ich bin sehr froh, noch lebendig zu sein. Lebendig sein nicht im Sinne von "noch nicht unter der Erde sein", sondern eher in dem von "noch nicht gänzlich von allen guten Geistern verlassen worden sein". Nichts ärgert mich zum Beispiel mehr als ein langweiliger Mensch, der schon mit Erreichen eines Schulabschlusses die Verantwortung für sein Leben an der Garderobe seines schwachen Verstandes abgegeben hat. Ich bin sehr froh, dass ich mich noch über die Schlechtheit der Welt mokieren kann und über die Dummheit, die sie regiert.

Meine Nachbarn (manche, nicht alle) in der Neckarstadt nenne ich liebevoll "die Toten", dabei wäre "die Untoten" der exakte Term. Man schaut ihnen in die Augen und man erkennt sofort: Dahinter ist kein Leben mehr. Man hat sich mit dem Unausweichlichen abgefunden. Um nicht irre daran zu werden, muss man sich in einer gefährlichen Gleichgültigkeit dem Leben gegenüber üben. Die Sorgen und Nöte der "Toten" sind rein abstrakter Natur: die Finanzierung des Eigenheims, die Karriere, Nippes und Tand wie Automobile, Plasmafernseher, Aktienkurse und dergleichen mehr.

Ich selbst fühle mich in meiner Unreife sehr wohl, weiß ich es doch zu schätzen, konkrete Feind- und Freundbilder benennen zu können. Die Palette meiner Gefühle reicht von Hass über Verachtung bis hin zur Liebe. Die Leidenschaft ist das Salz in meiner Suppe, ohne sie begänne ich zu verwesen und der Modergeruch an meinem Leib würde unerträglich. Ich sehne mich nach dem Schwarz und dem Weiß, das Grau ist mir zuwider. Grau ist die Farbe des Mittelmaßes, auch wenn die Modewelt beharrlich behauptet, dass das Grau das Schwarz des stilsicheren Menschen sei.

Der Hass auf das Einerlei und deren Protagonisten ist auch ein Schutzmantel gegen die ständigen Angriffe auf meine gehegte und gepflegte Unreife. Man befindet, ich machte mir das Leben unnötig schwer, und man möchte mir den Weg weisen. In der Tat könnte ich es leichter haben, doch ist das Leichte immer gleich das Bessere? In der Reibung entsteht Wärme, endet die Reibung, folgt Kälte. Ich muss zugeben, dass ich in erschöpftem Zustand die Toten manchmal um ihre Gleichgültigkeit beneide. In der Regel reicht ein Gedanke nur, ein Blick um die Ecke, um mich wieder aufzuraffen.

Was mich im Leben treibt ist ein Austausch mit der Welt. Ich muss wissen, ob ich Verbündete habe, Weggefährten in allen Gassen. Auch muss ich mich stets meiner Selbst vergewissern. Womöglich schreibe ich gerade deswegen, entlasse kleine Testballons in die Welt, auch um meine Grenzen zu schauen. Viel zu oft antworten mir sendungsbewusste Langweiler und versuchen mich in ihre Denkstrukturen hinein zu ziehen, mich zu Ihresgleichen zu machen. Viel zu selten werde ich ermutigt. Meine Hoffnung geht dahin, dass lebendige Menschen zustimmend nicken, wenn sie mich lesen.

Und dann schaue ich wieder in die Welt mit offenen Augen, packe Schere und Papier aus und bastele sie mir zurecht, gerade so wie es mir gefällt. In dieser Welt ist die Dummheit all das, was mich kopfschütteln macht. Sie kann - soll sogar - bekämpft werden bis auf's Blut. Doch all das Gute und das Schöne darin wird gehegt, auf dass es gedeiht und sich fortpflanzen mag. Die Welt ist schön, doch es schmerzt, sie so gleichgültig wahrgenommen zu sehen. Wer aber zu mir sagt: Lass das Denken sein, ich tu' es auch, dem sage ich: Mach die Augen auf! Ich tu' es gern...

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