Dienstag, 18. November 2008

Kulinarische Missetaten: Schmieren statt abschneiden!

Als mein Schwiegervater sich zu seinem letzten Geburtstag einen Fresskorb wünschte, erntete er ungläubiges Kopfschütteln und auch etwas Gelächter. Allein ich hatte großes Verständnis für diesen Wunsch, denn was gibt es Besseres als aus dem Vollen zu greifen, sich hie und da ein Stück Käse oder Wurst vom Ganzen abzuschneiden? Vor allem, wenn dies alles in einer schönen dunklen Kammer lagert und darinnen reift.

Aber wo kommt das überhaupt her, dass das wunderbare Stücke-Abschneiden so altbacken wirkt und die Devise nun "schmieren" heißt? Noch dazu muss überall Butter oder irgendwelche Paste drunter oder drüber gemessert werden, so dass der wunderbare Geschmack erlesener Käse oder Schinken darunter leiden muss? Das ist doch sowas von neudeutsch, dass es schon kracht!

Und okay, die altdeutsche Fressweise hat gar keinen guten Leumund, von wegen Nazis und so. Es sei hiermit einmal erwähnt und danach nie wieder: Die Nazis haben das Schlemmen nicht erfunden, sie haben höchstens davon profitiert! Sich Zeug auf's Brot zu schmieren ist allerdings eine Erfindung der Nachkriegszeit, die sich fade Häuslebauer haben einfallen lassen, weil sie sich die feine Wurst nicht mehr so ohne weiteres leisten konnten. Man sollte Butter jedoch als das erkennen, was sie eigentlich ist: ein Sattmacher und Geschmacksvernichter!

Etwas mehr Stil hat dann schon das Belegen von Paninis mit würzigem Käse und/ oder Wurst, gerne auch etwas Grünzeug. Von mir aus auch noch mit Pesto unten drunter, das ist jedenfalls die etwas interessantere, mediterrane Variante des Fresszubereitungskomplexes. Aber mal ehrlich: das Öl trieft doch aus dem Butterbrotpapier wie Honig aus einer übervollen Wabe. Muss nicht sein, es gibt Besseres!

Ich selber wünsche mir schon seit Jahren eine Speisekammer, ganz ohne Fenster und mit einer nackten Glühbirne darinnen. Dort baumelt mir die Wurst und der Schinken um die Ohren, wenn ich auch nur hereinkomme. Ein feiner Duft umweht mich, und auch ein Odeur von im Regal gereiftem Käse, ganz wie eine Fleur - und schon bin ich im Himmel einer ausgesuchten Gottheit. In der Mitte des Raumes steht ein Schemel, darob ein Laib Brot und ein Messer. Auf dem Boden finde ich eine bereits entkorkte Flasche samtig-trockenem Rotwein. Mit dem Messer schneide ich Stücke vom Käse und dem Schinken, auch einmal von der Wurst.

Daraufhin schneide ich mir ab einen Kanten Brot, und zwar richtiges Brot und nicht so einen DesignerSchmarrn vom Bäcker um die Ecke. Das alles wird fein platziert auf ein Tablett aus Eichenholz. Auf dem Schemel sitzend verspeise ich andächtig das mir selbst kredenzte, ab und an nehme ich dazu einen Schluck aus der Weinflasche. Bin ich fertig, rülpse ich dreimal kräftig und lasse einen fahren. Dann wische ich mir den Mund mit den Ärmel meines teuersten Hemdes ab, lasse die Krümel den Mäusen als Opfergabe. Ich lösche das Licht und schließe die Kammer mit einem Bartschlüssel ab. Nachts träume ich von der Kammer und dankbaren Mäusen.

So geht das mit dem Essen und dem Geniessen, liebe Leute! Ich will nicht so ein verschämtes GesundheitsBubuMahl, wie es andere Menschen in wohlhabenderer Umgebung begehen. Wo alles fein zerhäckselt, geschnitten, püriert und plastiniert sein muss. Ich will Kuh sehen, wenn ich Kuh esse. Alles andere ist schlicht pervers: Gibt es nicht sogar Stadtkinder, die nicht glauben können, dass die echten Kühe nicht die Kuhfladen sind, sondern die Dinger mit den Beinen? Weil die nämlich nicht so schön püriert sind?

Die Menschen haben Angst vor ihrem Essen und kennen daher nicht den Genuss, einfach in irgend etwas hinein zu beißen. Deswegen zerkleinern sie ihr Essen, denn dann haben sie es schön niedlich und bunt, konsumierbar nur mit einem Löffel und einem Stück bereits vorgeschnittenem Brot. Übrigens: Wikipedia vermerkt unter kulinarischen Spezialitäten aus Mannheim nur "Mannemer Dreck" und "Mannheimer Hafenwasser"! Na denn Prost Mahlzeit. Aber nicht mit mir!

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